Ado: Interview mit Jürgen Litz
Dekostoff-Offensive für trendbewusste Käufer
Den Image-Wandel weg vom gutbürgerlichen Gardinenanbieter und hin zum modernen, designorientierten Konzern hat Ado längst geschafft. Und weiter gehts: Nach dem Stilweltenkonzept, der Premium-Linie Couture und den Wellness-Stoffen überrascht das Familienunternehmen zum Herbst mit einer Dekostoff-Offensive. Die Neuheiten tragen nicht nur eine trendbewusst-elegante Handschrift, sondern wurden auch in einem außergewöhnlichen Ambiente fotografiert. Wo will Ado noch hin? Darüber sprach BTH-Heimtex-Redakteurin Birgit Genz mit Marketing- und Vertriebs-Geschäftsführer Jürgen Litz.
BTH Heimtex: Ado hat in den letzten Jahren seinen Kurs völlig neu ausgerichtet - was hat sich in der Firmenpolitik verändert?
Litz: Wir haben in den letzten sieben Jahren gezielt ein Up-Trading betrieben, um unsere Goldkantenkollektion weiter oben zu positionieren. Den größten Schritt aber haben wir zu unserem Jubiläum 2004 getan, als wir die sechs Stilwelten herausgebracht haben. Für uns ist das nach wie vor das tragende und richtige Konzept.
BTH Heimtex: Was haben Sie damit erzielt, was hat sich verändert?
Litz: Früher standen wir trotz unserer großen und modischen Produktpalette eher für traditionelle Dinge oder wurden wegen der Fernsehwerbung mit Marianne Koch hauptsächlich so wahrgenommen. Inzwischen sprechen wir vor allem Menschen an, die es modern und puristisch mögen. Zum Beispiel mit dem Fadenvorhang Cordon, der schon neun Designpreise gewonnen hat, und mit vielen anderen Kollektionen, die ebenfalls in diese Richtung gehen. Damit erreicht Ado auch die wichtige Zielgruppe der Architekten. Wenn man das geschafft hat, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass man sich wirklich modern darstellen kann. Aber egal, welchen Stil der Endverbraucher bevorzugt: Wir haben für jeden etwas dabei, dafür sorgen unsere sechs Stilwelten. Und das ist das Wichtige, was sich bei Ado getan hat in den letzten Jahren.
BTH Heimtex: Mit der Premium-Kollektion Couture ist Ado auch einen ganz neuen Weg gegangen.
Litz: Ado war schon immer eine gehobene Marke - seit Beginn unserer Werbeaktivitäten 1967/68, als wir noch mit "Achten Sie auf die Goldkante" geworben haben. Mit Couture haben wir dann den absoluten Luxusbereich angesteuert. Die Kollektion ist sozusagen die Krönung des Ganzen. Klar, dass wir damit vom Mengenabsatz her nie Goldkantenniveau erreichen. Aber wir bringen mit Ado Couture Stoffe, die die Welt in der Regel noch nicht gesehen hat, zum Beispiel das Swarovski-Thema auf Seide - gar nicht so leicht umzusetzen übrigens. Jedenfalls soll Couture zeigen, was überhaupt möglich ist. Daraus gehen bestimmte Ideen auch in den Goldkantenbereich über.
BTH Heimtex: Wer verkauft Couture?
Litz: Das sind Einrichtungshäuser und Raumausstatter.
BTH Heimtex: Sind das die "normalen" Ado-Kunden mit der Goldkantenkollektion, oder gibt es auch Raumausstatter, die nur Couture anbieten?
Litz: Wir haben durchaus Couture-Kunden, die Ado Goldkante nicht führen, aus welchen Gründen auch immer. Wir haben also mit Couture eine ganz neue Zielgruppe für uns erschlossen; es gibt da keine Überschneidungen mit dem Goldkantengeschäft. Von der Positionierung liegt Couture sehr weit oben, über unseren anderen Kollektionen, die wir auch als gehoben ansehen. Jeder Stoff ist wirklich ein Unikat.
BTH Heimtex: Wie hoch liegt der Umsatzanteil bei Couture?
Litz: Wir sind mit der Kollektion erst seit März/April 2006 auf dem Markt. Wenn ich Ihnen Zahlen oder ein Verhältnis zum Gesamtumsatz nennen würde, dann wäre das zu diesem Zeitpunkt nicht seriös.
BTH Heimtex: Was haben Sie sich produktmäßig für die kommenden Monate vorgenommen?
Litz: In Paris auf der Maison & Objet haben wir uns ausschließlich mit der Couture-Linie präsentiert und dort zum Beispiel die erste transparente Seidengardine mit integriertem UV- Schutz gezeigt. Bisher mussten durchscheinende Gardinen aus Naturseide in aller Regel mit einem anderen Material abgefüttert werden - wegen ihrer Sonnenempfindlichkeit. Das ist jetzt vorbei.
Neu bei Ado Couture ist zum Beispiel auch ein Stoff mit kristallartigem Glanzeffekten, den wir Aida genannt haben. Und als Accessoires gibt es jetzt Raffhalter mit Swarovski-Kristallen.
BTH Heimtex: Wie steht es mit dem Export?
Litz: Inzwischen haben wir einen Auslandsanteil von mehr als 55 % - Tendenz weiterhin steigend. Vor einigen Jahren lagen wir beim Export noch unter 50 %.
BTH Heimtex: Welche sind Ihre Wachstumsmärkte?
Litz: Wir sind in Asien extrem stark. Ob Thailand, China, Korea, Taiwan, Singapur, Malaysia oder Indonesien - wir haben überall große Zuwächse. Ich führe diesen Erfolg darauf zurück, dass wir auch dort Markenkampagnen fahren. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als Textilunternehmer mit 100 % deutscher Fertigung in diesen Ländern sehr gute Geschäfte machen. Gerade in China wird das sehr geschätzt. Dabei geht es übrigens nicht nur um die "Hardware" - moderne Maschinen finden Sie in China auch. Allerdings gibt es in China ein großes Problem mit der Ausbildung und mit der Qualität. Unser großer Vorteil ist letztlich auch unsere Vollstufigkeit: Wir weben, färben, sticken und rüsten aus, bieten also alles aus einer Hand. Dadurch, dass wir alles im Blick haben, bleibt das Fehlerpotenzial gering.
BTH Heimtex: In wie vielen Ländern ist Ado vertreten?
Litz: Inzwischen sind wir in 57 Ländern aktiv, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. In 15 Ländern haben wir Niederlassungen. In den anderen Ländern arbeiten wir über unsere Area-Sales-Manager.
BTH Heimtex: Wo sehen Sie heute die Spezialität von Ado?
Litz: Ich sehe das ganz typische Ado-Qualitätsthema als unsere Spezialität an. Also fünf Jahre Garantie, Pflegeleichtigkeit, keine Probleme mit Schadstoffen, Farbechtheit - all das, was wir dem Raumausstatter ja garantieren.
Außerdem produzieren immer weniger Hersteller in Deutschland, während wir mit "Made in Germany" weiterhin auf Qualität setzen und alles aus einer Hand anbieten. Da ist das Sortiment in sich stimmig und nicht aus unterschiedlichen Produktionen zusammengewürfelt. Und wir werden den Ökotex-Normen nicht bloß gerecht, wir setzen viel höhere Maßstäbe. Außerdem stellen wir Produkte her, die neben dem zeitgemäßen, trendigen Design in der jeweiligen Stilwelt auch noch Zusatznutzen bieten: Wir haben mittlerweile einen Stoff, der gegen Elektrosmog wirkt, und Ado hat dafür gerade den IF Award in Gold bekommen. Auf diesen ersten Gold Award von IF, den Ado je bekommen hat, sind wir besonders stolz. Daneben bieten wir noch Bioprotect-Stoffe an, die besonders für Krankenhäuser interessant sind, und Raumluft verbessernde Actibreeze-Stoffe.
BTH Heimtex: Wobei es um dieses Thema recht still in Ihrem Haus geworden ist.
Litz: Das täuscht vielleicht ein bisschen. Wir haben diese Stoffe mit Zusatznutzen im Januar unter dem Namen Wellness-Stoffe zusammengefasst und für kaum eine Produktreihe so viel Marketing betrieben. Für uns ist das immer noch ein Bereich, der voll im Trend liegt, also verfolgen wir das auch hartnäckig weiter. Doch bei Ado sind die Wellness-Stoffe nur eine Untergruppe; im Vordergrund stehen nach wie vor die Stilwelten.
BTH Heimtex: Wie wichtig ist für Sie inzwischen das Objektgeschäft? Hier spielen die sogenannten intelligenten Textilien ja eine große Rolle.
Litz: An sich ist Ado in erster Linie auf den Endverbraucher ausgerichtet, aber der Objektbereich entwickelt sich sehr gut. In den letzten vier Jahren haben wir diese Sparte stärker forciert und hatten gute Wachstumsraten. 2007 haben wir bereits 30 % zugelegt. Gerade ist ein Prospekt in Arbeit, eine Objekt-News, die das ganze Leistungsspektrum aufzeigt.
BTH Heimtex: Die neue Herbstkollektion gibt sich deutlich jünger und ausgefallener - auch in der Präsentation. Haben Sie damit neue Käuferschichten im Visier?
Litz: Mit unserer Herbstkollektion haben wir eine große Deko-Offensive mit einem besonders starken Sonderthema gestartet: Im Mittelpunkt stehen jacquardgewebte Dekostoffe in zeitgemäßer Optik, alle raumhoch. Wir waren mit Ado Goldkante ja schon immer im Dekobereich aktiv, der Schwerpunkt lag dabei aber bei den Gardinen. Jetzt wollen wir mit der Unterstützung namhafter Designer insbesondere trendbewusste Menschen ansprechen, die zwar nicht unbedingt jünger sind, aber jünger eingestellt und moderner. Die Stoffe passen hervorragend in moderne Stadtwohnungen, man kann sie aber durchaus auch mit klassischen Stilmöbeln kombinieren.
Die Kollektion deckt ganz verschiedene Dessinthemen ab. Wir haben zum Beispiel historische Dekore aus Barock oder Klassizismus als Vorlage genommen und modern umgesetzt. Daneben gibt es jede Menge Design-Zitate aus den 70ern mit Retro-Elementen. Außerdem sind auch diese Stoffe in Stilwelten untergliedert - zwar zusammengefasst auf einem eigenen Ständer mit 20 Musterbügeln, aber trotzdem jeweils einer der sechs Stilwelten zugeordnet.
Dazu haben wir wieder ein großes Marketingpaket geschnürt: mit einem Kollektionsbuch, dass die Stoffe sehr schön in Szene setzt, Dekostoff-Fahne, Ado-Endverbraucher-Broschüre sowie Thermo-Chenille-Rechnungsbeileger.
BTH Heimtex: Welche Messen sind für Ado wichtig?
Litz: Wir gehen im Jahr auf rund 80 Messen - nach Leipzig und Dortmund natürlich, nach Paris zur Maison & Objet, zur Heimtextil nach Frankfurt, nach Dubai, zur Rossija nach Moskau, nach Shanghai, in die USA und nach Gent.
BTH Heimtex: Haben sich die vielen Neuerungen in der Kollektion auch schon ökonomisch ausgewirkt?
Litz: Das Jahr ist etwas verhaltener gestartet und hat sich dann immer besser entwickelt. Wir sind mit den ersten acht Monaten nicht unzufrieden.
BTH Heimtex: Wo will Ado hin? Wo will das Unternehmen in 5 Jahren stehen?
Litz: Wir streben mit unserem Angebot eine noch größere Marktbedeutung an. Und das wollen wir uns erarbeiten - mit Produkte, die eine Spur intelligenter und trendiger sind und sich eine Spur besser verarbeiten lassen, für die jeweiligen Zielgruppennormen gesprochen. Im Prinzip wollen wir immer wieder Neuheiten präsentieren, die der Raumausstatter sehr gut verkaufen kann.
Die ProduktionDie Produktion in Aschendorf ist vollstufig: Hier werden sämtliche Gardinen und Dekos, ein Teil der Polsterstoffe sowie das Zubehör (Gardinenbänder und ein Großteil der Fasergarne) hergestellt. Auf einem rund 11,5 Hektar großen Gelände befinden sich acht Hallen mit einer überdachten Produktionsfläche von mehr als 110.000 qm.
Der hochmoderne Maschinenpark sucht weltweit seinesgleichen: Hier wird gewebt und gewirkt, gestickt und gedruckt, Scherli-gearbeitet und geklöppelt, gefärbt und ausgerüstet - und selbstverständlich auch konfektioniert. Eine Besonderheit ist die Faserspinnerei, die bis zu 50 % des eigenen Bedarfs abdeckt. Und natürlich die Produktion der Goldkante.
Neu installiert wurde auch eine Hochtemperatur-Färbeanlage, die ein wesentlich effizienteres Färben großer Stoffmengen bei geringerer Umweltbelastung ermöglicht. Farb- und Energieverbrauch ließen sich senken, da zum einen ganze Stoffbahnen - quasi endlos - gefärbt werden können, zum anderen das Dosieren der Farbstoffe jetzt genauer ist. Die Hightech-Anlage eignet sich besonders zum Färben faltenempfindlicher Stoff.
Die Weberei verfügt über mehr als 450 Web- und Wirkmaschinen. In der Druckerei kommen die unterschiedlichsten Techniken zum Einsatz, darunter Kettdruck sowie Präge- und Flockdruck, Transfer- und Direktdruck. Zum Werk gehören außerdem die Bereiche Ausrüstung, Warenschau, Lager und Versand. Forschung, Entwicklung und Kollektionsplanung erfolgen in der Designabteilung und im Labor.
Verändert sich die Nachfrage, investiert Ado in den Maschinenpark: So hat sich die Stickereikapazität in den letzten 18 Monaten nahezu verdoppelt. Im vergangenen September ging nach 13 Monaten Aufbauzeit eine der modernsten Stickanlagen der Welt in Betrieb. Die Maschine arbeitet nicht nur schneller, sondern auch präziser und sauberer als die Vorgänger-Generation. Außerdem kann sie Stoffe in einem Arbeitsgang mehrfarbig besticken. Mit 350 Stichen in der Minute werden hier zwischen 500 und 1.000 Meter am Tag bestickt - abhängig vom Muster. Im August hat Ado ein zweite Hightech-Stickmaschine in Betrieb genommen, die mit rund 1.500 Sticknadeln bestückt ist und mit 490 Stichen in der Minute noch schneller arbeitet. Für eine dritte Stickmaschine wurde bereits das Fundament gegossen.
aus
BTH Heimtex 10/07
(Wirtschaft)