Witex peilt bis 2012 Umsatzverdoppelung an

Ausbau der Marke und neue Absatzkanäle

"Es gibt Heuschrecken, die durchaus positive Beiträge im Wirtschaftsgeschehen leisten - und als solch eine sehen wir uns": Die Offenheit von Joachim Koolmann war geradezu entwaffnend, als er auf einer Pressekonferenz erläuterte, mit welchen Intentionen die US-Investmentbank Bear Stearns den ostwestfälischen Bodenbelagshersteller Witex übernommen hat - um Geld zu verdienen, das steht außer Frage; allerdings auf sehr ehrenvolle Weise, wie versichert wurde. Wenn sich die ehrgeizigen Ziele realisieren lassen, werden die Investoren tatsächlich noch viel Freude an diesem Engagement haben. "Bis 2012 wollen wir den Umsatz nahezu verdoppeln", kündigte Witex-Geschäftsführer Dr. Börge Schümann an.

Bei Witex ist man sicher, mit Bear Stearns den richtigen Partner gefunden zu haben. Gegründet 1923 als Partnerschaft, ist die weltweit operierende Investmentbank seit 1985 börsennotiert. Über 15.000 Mitarbeiter bieten weltweit in 75 Ländern Dienstleistungen. Das Portfolio umfasst in Europa so bekannte Unternehmen wie die Deutsche Nickel, die börsennotierte Neschen AG (Folien) oder den Geschenkartikelhesteller Nici, in denen sich Bear Stearns zu unterschiedlichen Anteilen engagiert. "Allen gemein war eine wirtschaftliche oder operative Schwächephase, was uns veranlasste, in diese Firmen einzusteigen und sie zu stabilisieren", erläuterte Joachim Koolmann, Senior Managing Director bei Bear Stearns. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn Geschäftsbanken ihre Kreditlinien nicht verlängern.

7 Mio. EUR-Finanzspritze

Was Witex betrifft, sind den Worten bereits Taten vorangegangen, beispielsweise in Form einer ersten Finanzspritze in Höhe von 7 Mio. EUR. "Das ist kein Funny Money (Notgeld, d. Red.), sondern Eigenkapital im klassischen deutschen Sinn", unterstrich der Hauptgesellschafter. Die Eigenkapitalquote des Bodenbelagsherstellers wurde auf zirka 25% beziffert, was für Mittelständler ein vernünftiges Maß sei. "Auch Investitionen sind Teil unserer Budgetplanungen", bekräftige Koomann. Ob Bear Stearns bereits in drei oder erst in fünf Jahren den Verkauf von Witex anstrebt, hänge davon ab, wie viel "Spaß" man an der Firma habe: Je positiver die Wachstumsraten, desto größer die Neigung, den Zeitrahmen auszuschöpfen.

"Gutes Produkt, gute Marke, gutes Management"

Wie Koolmann betonte, hat sich Bear Stearns im Vorfeld der Übernahme sehr intensiv mit Witex und der Bodenbelagsbranche beschäftigt: "Ein gutes Produkt, ein guter Markennahme und ein gutes Management waren hervorragende Voraussetzungen für die erfolgreiche Restrukturierung des Unternehmens." Während des Übernahmeprozesses seien auch strategische Investoren aus der Laminatindustrie auf den Plan getreten. Dass man schließlich als Finanzinvestor den Zuschlag erhielt, resultiere aus "nicht vorhandenen Synergieeffekten". Somit habe der Insolvenzverwalter bei Bear Stearns die Entlassung von Mitarbeitern oder eine Standortzusammenlegung und die damit verbundenen Konsequenzen ausschließen können. "Solange sich keine Schnittstelle bei Laminatböden und Nici-Plüschtieren identifizieren lässt, ist Augustdorf als Produktionsstätte gesetzt", verdeutlichte Koolmann. Dass Witex eine Zukunft hat steht für den Banker außer Frage. Letzte Zweifel hat ihm die neue Kollektion "Xenia" genommen: "Da sind einige Dekore dabei, die finden wir richtig sexy", begeisterte er sich.

Konzentration auf Fachhandel und Handwerk

Die Konzentration des Bodenbelagsherstellers auf den Fachhandel und das Handwerk soll fortgesetzt werden. "Den Schwerpunkt bilden die vielen kleineren regionalen Spezialisten", erläuterte Witex-Geschäftsführer Dr. Börge. Schümann. Diese Zielgruppe zu beliefern sei nur möglich, "da Witex in der Lage ist, die Produkte so zu kommissionieren, wie sie auf der Baustelle benötigt werden". Darüber hinaus mache es durchaus Sinn, über den einen oder anderen Vertriebskanal nachzudenken. Was das Objektgeschäft betrifft, ist man unter anderem als neuer Partner der Leistungsgemeinschaft "Objekteure im Forum" schon wieder einen Schritt weiter. Weitere Kooperationen bestehen mit Health & Care Network Group, Raumfabrik (Handwerkernetz) oder Gast-Haus (Plattform für Architekten, Projektentwickler, Planer und Investoren).

Vor allem für die individuelle Fußbodenproduktion rechnet sich Witex gute Marktchancen aus. Dass sich die Augustdorfer verstärkt das lukrative Marktsegment der Kleinserien erschließen, lässt den Schluss zu, es würde sich hier eher um eine Manufaktur handeln. "Die Fertigungsstruktur erlaubt es dann allerdings, dass diese Produkte im Erfolgsfall jeder Zeit auch in großen Stückzahlen hergestellt werden können", wurde verdeutlicht.

Entwicklung neuer Trägerplatten

Mit den beiden Bodenbelagstypen Elastoclic Pur (HDF-Träger mit Polyurethan-Oberfläche) und Ceraclic Original (mineralischer Träger mit HPL-Beschichtung) hat das Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren die Branche aufhorchen lassen. "Hier geht die Produktentwicklung weiter, um neue Anwendungsbereiche und Zielgruppen zu erschließen", skizzierte Schümann. Je nach Anforderungsprofil des Objektes möchte Witex den dafür am besten geeigneten Träger einsetzen. "Das kann dann HDF sein, die hochdichte Gipsfaserplatte oder eine völlig neue Ausführung", kündigte er an.

Anhand von Daten und Fakten machte Schümann deutlich, wo bei Witex die Reise hin geht. Während das Umsatzvolumen 2006 noch 63,4 Mio. EUR betrug, liegt die Meßlatte für das aktuelle Geschäftsjahr bei zirka 75 Mio., wobei in der Marke ein Plus von 18% angepeilt wird. Der Bereich B2B (Lohnfertigung für Wettbewerber) soll mit schnellen Schritten abgebaut werden mit der Zielsetzung, dass ab 2009 nur noch Markenprodukte vertrieben werden. "Den Umsatz bis 2012 im Idealfall zu verdoppeln, mag utopisch erscheinen", räumt Schümann ein, "andererseits hatte Witex dieses Volumen in früheren Zeiten bereits erreicht." Die Zuversicht basiert nicht allein auf dem Leistungsvermögen der Mitarbeiter. "Besonders stolz sind wir darauf, das Vertrauen des Großhandels zurück zu gewinnen", unterstrich Vertriebsleiter Hans-Jürgen Ihrig.

US-Markt zur Chefsache erklärt

Deutschland ist für Witex der wichtigste Einzelmarkt. Das war nicht immer so: Bis vor zirka drei Jahren stellten die USA die bedeutendste Region dar. Inzwischen entfallen auf Nordamerika gerade noch 5% vom Umsatzvolumen der Augustdorfer.

In Anbetracht der dramatischen Entwicklung hat Schümann den US-Markt zur Chefsache erklärt. "Nicht, weil ich glaube, alles besser zu können, sondern weil ich überzeugt bin, dass die schwierigsten Probleme durch denjenigen gelöst werden müssen, der an der Spitze des Unternehmens steht", betonte der Geschäftsführer. Sehr gut verläuft die Geschäftsentwicklung in Großbritannien, Frankreich, der Ukraine, in Tschechien sowie in Russland, Polen und Skandinavien.

Die internationalen Märkte werden von Witex mit individuellen Kollektionen bedient, auch Westeuropa. Das macht Sinn, denn wie Branchenkenner wissen, sind beispielsweise in Benelux völlig andere Dekore und Formate gefragt als in Deutschland oder England.

Wenn die Bodenbelagsindustrie vom Automobilgeschäft spricht, handelt es sich um die Fahrzeugausstattung mit Teppichboden. Im Sprachjargon von Witex sind dagegen die Immobilien von VW, Porsche & Co. gemeint. Wie Marketingleiter Markus Schätzle mitteilte, ist es mit den Produktsegmenten Ceraclic Original und Fertigparkett gelungen, bei Volkswagen gelistet zu werden.

Eine Referenz besonderer Art verkörpert das neue Porsche-Museum in Zuffenhausen, wo 80 Pkw-Exponate und rund 200 weitere historische Ausstellungsstücke aus der Porsche-Geschichte auf Ceraclic präsentiert werden sollen. Wegen seiner gewagten Tragkonzeption geht das Bauwerk in statische Grenzbereiche. Da der weiteste Ausleger 65 m misst, wird das Gebäude ständig in Schwingung gehalten. "Deshalb schied jeder geklebte Belag von vornherein aus", erläuterte der Marketingleiter.

Laut Schätzle umfasste der Entscheidungsprozess 30 Anbieter. Mit Ceraclic habe Witex genau den Boden anbieten können, der für dieses Objekt gefordert worden sei. Neben den technischen Parametern (Besondere Anforderungen an das Brandverhalten, Resistenz gegen Öl, Säuren und Weichmacher aus den Reifen) war zudem ein Paneel im Format 180 x 90 cm gefordert. Bei einem Gewicht von 80 kg je Einzelelement erfordert der Boden eine ganz besondere Baustellenlogistik. "Dass sich Ceraclic im Handelsbereich noch nicht in dem Maß durchgesetzt hat, wie wir es gehofft hatten, ist nicht in Abrede zu stellen. Diese Referenz jedoch wird uns einen großen Schritt voranbringen", ist Schätzle überzeugt.


Witex Telegramm

Witex Flooring Products GmbH
Nord-West-Ring 21
D-32832 Augustdorf
Telefon: 05237 / 6 09-0
Telefax: 05237 / 6 09-309
E-Mail: info@witex.com
Internet: www.witex.com

Gründungsjahr: 1978
Mitarbeiterzahl: 226
Umsatz: 63,4 Mio. EUR (2006)

Produkte: Laminatböden (direkt verpresst, HPL auf mineralischem Träger), Fertigboden mit PU-Nutzschicht, Fertigparkett
Markennamen: Witex, Ceraclic Original, Elastoclic Pur

Verbandsmitglied bei:
- CELQ Certified European Laminate Quality e.V.
- EPLF Verband der europäischen Laminatbodenhersteller e. V.
Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. Börge Schümann
Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Franz-Walter Wiest
Vertrieb: Hans-Jürgen Ihrig
Export: Robert Staudte
Marketing: Markus Schätzle
Einkauf: Christian Depping
Forschung+Entwicklung: Dipl.-Ing. (FH) Ludger Goldberg
Vertriebsleitung Objekt international: Dipl.-Kfm. Friedhelm Beiteke
aus BTH Heimtex 11/07 (Wirtschaft)