Besuch der Meyer Werft mit Hans Uwo Freese und Edgar Leonhardt
Schwimmende Beläge einmal ganz anders
Die Dimension einer 370 m langen Dockhalle der Meyer Werft in Papenburg lässt so manchem Besucher den Mund offen stehen. Zwei Kreuzfahrtschiffe, die Norwegian Gem mit 292m Länge (mittlerweile vom Stapel gelaufen und an die Reederei abgeliefert) und die Aida Bella mit 252 m Länge (Fertigstellung Frühjahr 2008) zeugen von dem derzeitigen Boom der Kreuzfahrtbranche. Die Verlegung von Bodenbelägen und Estrichen an Bord unterscheidet sich grundlegend von der an Land. Aspekte wie Gewicht, Brandschutz, Bewegungen des Schiffskörpers und Zertifizierungen sorgen für eine ganz andere Denkweise beim Bau.
Wenn man die Größenordnung der Aida-Kreuzfahrtschiffe betrachtet, müsste sich eigentlich jeder Objekteur an Land danach die Finger lecken: Zwischen 45.000 und 55.000 qm Estrich und Bodenbeläge werden an Bord eines Kreuzfahrtriesen verbaut. Aber es sind ganz andere Produkte und Konstruktionen notwendig als an Land. Ein typischer Bodenaufbau an Bord mit einem Teppichboden besteht vom Stahldeck weg aus einem Korrosionsschutz, einem Haftvermittler, dem Schiffsestrich in einer Stärke von 1 bis 10 mm, einem Spezialteppichkleber und dem textilen Bodenbelag selber. So genannte Schallkonstruktionen können aus einer 1 mm viscoelastischen Schicht, dem Schiffsestrich in einer Stärke von 10 bis 15 mm und dem Bodenbelag bestehen. Der größte Unterschied zwischen Bodenkonstruktionen an Land ist die Schichtstärke und der Verbund zum Stahl.
Auch wenn es im Schiffbau die gleichen Bodenbelagsarten wie im Hochbau gibt - vorwiegend keramische Fliesen, Teppich, Parkett, PVC und Kunststoffbeschichtungen - so benötigen diese Produkte alle eine Zulassung für den Einsatz auf Schiffen. Für Deutschland gibt es die See-Berufsgenossenschaft als Zulassungsbehörde oder den Germanischen Lloyd als Klassifizierungsgesellschaft. Bei den geforderten Zertifizierungen stehen Themen wie Brandverhalten und Rauchgasentwicklung im Vordergrund.
Da die meisten Kreuzfahrtschiffe in internationalen Gewässern unterwegs sind, müssen auch internationale Vorschriften beachtet werden. Jedes Land hat seine eigene notifizierte Zulassungsstelle. Diese Zulassungsstellen stellen die jeweiligen Zulassungen für die einzelnen Produkte aus, die nach den Richtlinien der Internationale Maritime Organisation (IMO) geprüft werden. Die IMO ist ein international übergeordneter Normausschuss für alle Regularien hinsichtlich Schiffbau. Dieser Normenausschuss erstellt und aktualisiert die SOLAS (Safety of Life at Sea). In diesem Regelwerk ist der FTP Code (International Code for Application of Fire Test Procedures Code) enthalten. Dieser FTP Code ist ein internationales Regelwerk zur Zulassung von Schiffseinrichtungen auf Brandverhalten. Im Teil 5 des FTP Code sind die Anforderungen an das Material für Bodenbeläge und in Teil 6 die Anforderungen an die Unterböden beschrieben und geregelt.
GTF Freese auf Schiffsböden spezialisiert
Seit 50 Jahren arbeitet die Meyer Werft bei Schiffsböden mit dem Bremer Unternehmen G. Theodor Freese (GTF) eng zusammen. GTF verfügt über ein breites Spektrum an Schiffsfußböden für den speziellen Einsatz auf Schiffen - abgestimmt auf die verschiedenen Anforderungen der Bodenbeläge. Eine Anforderung auf Schiffen ist häufiger ein geringes Eigengewicht (Dichten von 0,55 bis 1,8 kg/Liter) und geringe Schichtstärken (1 bis 30 mm). Hier wurden High-Tech-Estriche entwickelt, die nur eine Dichte von 0,55 kg/Liter bei Tefrotex 500 P bzw. 0,7 kg/Liter bei Tefrotex 700 oder 0,9 kg/Liter bei Tefrotex 90-L aufweisen. Zum Vergleich: Ein "normaler" Zementestrich liegt ungefähr bei 1,8 bis 2,2 kg/Liter.
Für die Aufnahme von keramischen Fliesen oder Parkett wurden entsprechende Produkte mit einer höheren Festigkeit, aber auch etwas höheren Dichten entwickelt. Es gibt auch spezielle Systeme für Isolierungszwecke oder Schallschutzanforderungen. Die Estriche sind durch besondere Kunststoffzugaben vergütet und können dadurch die Schiffsbewegungen und Torsionskräfte aufnehmen. Grundsätzlich kann man zur Auswahl der Estriche Folgendes festhalten: Aus dem breiten Spektrum der Schiffsestriche wird immer entsprechend der vielfältigen Anforderungen das geeignete Material hinsichtlich Gewicht, Festigkeit, Feuchtigkeit, Belastung, Bodenbelag, Schall, Isolierung und Schichtstärken ausgewählt.
Verlegung mit Kelle, Reibebrett und Rakel
Die Verlegung der Estrich-Spezialprodukte erfolgt ähnlich der Verlegung im Hochbau mit Kelle, Reibebrett und Rakel freihand - nach Höhenpunkten oder über Lehren. Teilweise sind die Produkte pumpfähig. Meistens werden sie jedoch von Hand mit Rührwerken an der Baustelle gemischt. Alle Freese-Mitarbeiter werden für die spezielle Estrich-Verlegung intern geschult. Da es einen Lehrberuf Estrichleger mit der Spezialausrichtung Schiffbau nicht gibt, führt man die Mitarbeiter an die besonderen Abläufe langsam heran. Bei den Bremern kommen die Verleger aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen: Die Bandbreite reicht vom Estrichleger über Maurer bis zum Bodenleger - aber auch ganz andere Gewerke.
Die Zahl der auf der Meyer Werft beschäftigten Estrichleger schwankt. Momentan sind im Schnitt 8 Mitarbeiter in Papenburg beschäftigt. Für einen Luxusliner der Größenordnung Norwegian Gem sind rund 8 Monate Zeit - mit einer ruhigeren Anlaufphase und einer Endphase, in der Restarbeiten und Feinabstimmungen erfolgen. Da Parkett-, Boden- und Fliesenleger erst erheblich später mit ihren Arbeiten beginnen können, ist der Personaleinsatz hier erheblich höher.
Die Auswahl der Bodenbeläge wird in der Regel von der Reederei getroffen. Der Pressesprecher der Meyer Werft, Peter Hackmann, konnte sich nur an einen Fall erinnern, wo die Meyer Werft auch architektonisch einen großen Part übernahm. Bei großen Kunden wie der Carnival-Gruppe oder Royal Carribean gibt es eigene Neubauabteilungen mit externen Architekten, Designern und Einrichtern. Häufig werden die Vorstellungen der Architekten dann durch technische Vorschriften begrenzt. Manch ein Architekt träumt von riesigen Räumen ohne Stützen oder Säulen. Häufig müssen derartige Vorstellungen aufgrund der Statik oder wegen Brandschutzmaßnahmen modifiziert werden. "Verstärkt nachgefragt wird ein überdimensionales Atrium, aber auch damit muss das Schiff ja bei Windstärke 12 durch die Biskaya kommen", weiß Walter Heck (GTF) zu berichten. Und an der Stelle kommt dann das Know-how der Werft zum Tragen.
Ein weiteres Spezialgebiet von GTF ist der Korrosionsschutz. Das unter anderem von den Bremern eingesetzte Trockeneisstrahlen ist eine besondere Reinigungs- und Strahltechnik, die europaweit von der Spezialabteilung eingeführt wurde. Dafür erhielt sie im Jahre 2003 den ersten Bremer Umweltpreis.
3 Fragen an Jochen Siefert, Bauleiter Schiffsfußböden GTF Freese:"Im Schiffsbau zählt nur der Ablieferungstermin"
FussbodenTechnik: Was macht den Reiz des Themas Schiffsfußböden für Sie persönlich aus?
Jochen Siefert, GTF Freese: "Die Entwicklung der speziellen Produkte im Schiffbau bei Freese führt dazu, dass man am neuesten Stand der Technik teilnehmen kann. Meine Erfahrungen in der Ausführung haben Auswirkung auf die Produktentwicklung. Enge Kontakte zur Entwicklungsabteilung und damit schnelle Reaktion auf Probleme, Anforderungen und Sonderwünsche ermöglichen schnelle Lösungen.
FT: Worauf kommt es im Schiffbau an?
Siefert: Im Schiffsbau zählt nur der Ablieferungstermin. Eine gute Vorplanung und schnelle Anpassung auf Veränderungen sind erforderlich, um termingerecht solche Großprojekte abwickeln zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten alle Firmen eng miteinander und mit den jeweiligen Planern und Verantwortlichen der Werft zusammen. Aufgrund des weltweiten Einsatzes der Schiffe gibt es immer wieder Gelegenheit, bei Zusatzaufträgen andere Länder und Kulturen, aber auch die Luxusliner im Einsatz zu erleben. In der Bauphase sind an der Fertigstellung eines Schiffes viele Firmen aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt beteiligt, so daß bereits hier viel Kontakte entstehen, die teilweise über die Arbeit hinaus gehen.
FT: Sie haben Ihr Büro ja in Papenburg. Wie funktioniert die Abstimmung mit der Reederei?
Siefert: Auf der Werft sind die Planer eines Projekte neben dem Baudock in den verschiedenen Büros untergebracht. Selbst die Reederei betreibt hier ein Büro mit ihrem Personal. Dadurch sind sehr kurze Wege für eine Entscheidungsfindung vorhanden. Diese Besonderheit ermöglicht erst die immer kürzeren Bauzeiten.
Die Meyer Werft im ÜberblickHigh-Tech-Schiffbau unterm Hallendach
Die Meyer Werft in Papenburg/Ems wurde 1795 gegründet und befindet sich in sechster Generation im Besitz der Familie Meyer. Geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens ist Bernhard Meyer. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Meyer Werft einen internationalen Namen beim Bau von Spezialschiffen gemacht. Aus der langjährigen Erfahrung im Passagierschiffbau gelang der Werft in den 80er Jahren der erfolgreiche Einstieg in den Bau großer und moderner Kreuzfahrtschiffe. Bis heute hat die Werft 22 Luxusliner in unterschiedlichen Größenklassen für Kunden aus aller Welt geliefert. Zuletzt wurde im April 2007 die "Aida Diva" an Aida Cruises abgeliefert.
Mit einem weiteren 292 m langen Schwesterschiff für Norwegian Cruise Line (Norwegian Gem) sowie noch drei Clubschiffe für Aida Cruises, vier Schiffe der Post-PanMax-Klasse 315 m lang, 36,8 m breit - das Schiff passt nicht mehr durch den Panama-Kanal - für Celebrity Cruises und zwei 340 m langen Schiffen für Disney Cruise Line sind zehn Schiffe im Bau und im Auftragsbestand der Werft. Die Schiffe werden bis 2012 fertig gestellt, die Werft ist bis dahin fast ausgelastet. Die Werft beschäftigt heute ca. 2.350 Mitarbeiter, davon 260 Lehrlinge direkt in Papenburg. Weitere Informationen unter www.meyerwerft.de.
aus
FussbodenTechnik 05/07
(Wirtschaft)