Kleiner Fehler - großer Schaden
Deckenbeleuchtung machte Synthesekautschuk "Dampf"
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Beulen und Blasen in einem Synthesekautschuk.
In dem Neubau eines Alten- und Pflegeheims ließ der Bauherr im Sommer 2006 einen konventionellen schwimmenden Calciumsulfatestrich einbauen. Rund vier Monate nach dem Estricheinbau verlegte der Bodenleger einen Synthesekautschukbelag. Um die Belegereife festzustellen, führte der Verleger mehrfach Feuchtigkeitsmessungen durch, die Werte zwischen 0,3 CM-% und 0,4 CM-% ergaben. Da der Grenzwert von 0,5 CM-% nicht erreicht wurde, war der Estrich ausreichend trocken. Die Oberfläche des Estrichs wurde einem Reinigungsschliff unterzogen, bevor eine Dispersionsgrundierung folgte. Am Tag darauf kam eine zementäre Spachtelmasse zum Einsatz, auf der die Synthesekautschuk-Belagsbahnen mit einem Kunstharzdispersionskleber verklebt wurden.
Ende Dezember 2006 und Anfang Januar 2007 stellte der Bauherr in dem zweigeschossigen Bauvorhaben fest, dass es im Obergeschoss in den Fluren und den Dienstzimmern in regelmäßigen Abständen von ca. 6 m zu Beulen und Blasen kam. Die Beulen und Blasen erreichten Durchmesser bis zu 60cm. Erste Prüfmaßnahmen ergaben, dass sich unterhalb des Belages Feuchtigkeit angesammelt hatte. Da die Beulen ausschließlich in den beschriebenen Flächen im Obergeschoss und sonst gar nicht vorlagen, konnten sich die beteiligten Parteien nicht auf die Ursache der Belagsablösungen einigen und so musste die gutachterliche Überprüfung Klarheit bringen.
Schadensbild - Beulen im Belag in gleichmäßigen Abständen
Die visuelle Überprüfung des Synthesekautschukbelages ergab die vom Bauherrn gerügte Blasenbildung. Diese lag ausschließlich im Flur des Obergeschosses und den zwei Stationszimmern in nahezu regelmäßigen Abständen von ca. 6m vor. Die Blasen erreichten eine Größe von handtellergroß bis zu einem Durchmesser von 60 cm. Die größten Blasen zeigten sich in der Mitte des Flures. Am Rand des Flures gab es überhaupt keine Blasenbildung. Auch in den angrenzenden Räumen, aber auch im Flur des Erdgeschosses gab es keine Schäden.
Elektrische Feuchtigkeitsmessungen an der Oberfläche des Belages ergaben ein deutlich erhöhtes oberflächennahes Feuchtigkeitspotential und zwar nur dort, wo die Beulen und Blasen vorlagen. Dem Sachverständigen wurde gestattet, im Bauvorhaben zerstörerische Prüfmaßnahmen durchzuführen: Zwei Bodenbelagsöffnungen jeweils im Bereich einer Beule und zwei weitere exakt in der Mitte zwischen zwei Beulen sowie eine Belagsöffnung in einem Wohnraum.
An den Prüfstellen mit Beulen ließ sich der Belag großflächig leicht ablösen. Dort kam es zu einem Kohäsionsbruch in der oberen Estrichzone, d.h. am Belag hafteten das Klebstoffsystem und auch die Spachtelmasse einschließlich puderiger Substanzen der oberen Estrichzone an. Teilweise war die Spachtelmasse sogar aufgrund der Frequentierung bereits regelrecht zermörsert. In den Prüfbereichen ohne Blasen entstanden beim Ablösen des Belages über einen Gewaltbruch überwiegend Kohäsionsbrüche im Klebstoffsystem und teils in der oberen Spachtelmassenzone.
In beiden Prüfbereichen nahm der Sachverständige diverse Proben des 50 bis 55 mm dicken Estrichs: Aus dem Gesamtquerschnitt, aus der oberen Zone, der unteren Zone und auch von der oberen Betonzone bis 30 mm tief. Festgestellt wurde, dass die unterhalb des Estrichs vorliegende zweilagige Dämmschichtlage mit einer Schrenzlage abgedeckt war und unmittelbar auf der Oberfläche der Betongeschossdecke auflag.
Die im Prüflabor durchgeführten Darr-Prüfungen ergaben erhöhte Feuchtigkeitsgehalte zwischen 0,8 und 1,2 Gew.-% der an den Blasen entnommenen Proben. In den schadensfreien Bereichen war der Calciumsulfatestrich absolut trocken mit jeweils relativ gleichmäßigen Feuchtigkeitsgehalten zwischen 0,1 und 0,2 Gew.-%. An den Proben der Betonkonstruktion wurden in den Schadensbereichen bei Feuchtigkeitsgehalten zwischen 5,7 und 5,9 % gering höhere Feuchtigkeitsgehalte als in den schadensfreien Bereichen ermittelt. Dort lagen die Feuchtigkeitsgehalte zwischen 4,9 und 5,3%, die unter Berücksichtigung der 1,5 Jahre alten Betonkonstruktion noch als üblich bezeichnet werden können.
Im Rahmen der weiteren Ursachenforschung fiel auf, dass sich die beschriebenen Beulen ausschließlich, und zwar immer nahezu deckungsgleich oberhalb der an der Decke befindlichen quadratischen, ca. 60 x 60 cm großen Deckenleuchten des Erdgeschosses befanden. Sämtliche im Obergeschoss festgestellten Beulen konnten exakt hinsichtlich ihrer Lage der unterseitigen Deckenbeleuchtung zugeordnet werden.
Dem Sachverständigen wurde ein Baubegehungsbericht aus dem Januar 2007 vorgelegt, wonach die Deckenbeleuchtung im Winter in den Fluren und auch in den Stationszimmern nahezu über 24 Stunden in Betrieb war. Im Gegensatz dazu war die Beleuchtung des Flures und der Stationszimmer in den Sommermonaten nicht permanent angeschaltet. Ein Protokoll der Bauleitung, des Bauherrn und des Auftragnehmers für Elektroarbeiten zeigte, dass im Januar an der Unterseite der Betongeschossdecke, d.h. zwischen den Lampen und der Betongeschossdecke, hohe Temperaturen von + 70 C gemessen wurden, die zu einer erheblichen Erwärmung der Geschossdecke führten.
Ursache - Wärme transportiert Restfeuchte des Betons nach oben
Die Untersuchungen des Sachverständigen führten zu dem Ergebnis, dass das Überschusswasser der Betongeschossdecke durch Wärmeerzeugung an der Unterseite aktiviert wurde und über Wasserdampf und Betonkapillare an die Oberfläche der Betongeschossdecke gelangte. Schließlich wurde das Wasser durch die Dämmschicht in die nicht dauerhaft feuchtigkeitsresistente Calciumsulfatestrichkonstruktion transportiert und setzte sich unter dem mit einem hohen Dampfdiffusionswiderstand ausgestatteten Synthesekautschukbelag fest.
In der Folge kam es zu einer Beeinträchtigung des Klebstoffsystems sowie zu feuchtigkeitsbedingten Erweichungen/Entkristallisierungen in der Estrichoberfläche. In Verbindung mit der Frequentierung der Bodenkonstruktion kam es zu den beschriebenen Beulen und Belagsablösungen. Andere Schadensparameter wie z.B. ungenügende Oberflächenfestigkeit des Estrichs, Verlegefehler oder auch nutzungsbedingte negative Sachverhalte scheiden als Schadensursache aus.
Verantwortlichkeit - Planer kannte sämtliche Bau-Details
Auf der Grundlage der Feststellungen vor Ort, insbesondere der Tatsache, dass außer in den Schadensbereichen in allen weiteren überprüften Bereichen die Estrichkonstruktion trocken war, liegt die Verantwortlichkeit keinesfalls beim Estrichleger und auch nicht beim Bodenleger. Die Hauptverantwortlichkeit wurde vom Sachverständigen beim Planer gesehen, da nur dieser sämtliche Details des Bauvorhabens - insbesondere die gesamte Deckenkonstruktion kannte. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Erwärmung der Decke von unten durch die Lampen (dies gilt z.B. auch bei der Anordnung von Heizrohren unmittelbar unter der Decke) hätte der Planer entsprechende Feuchteschutzmaßnahmen und eventuell auch Wärmedämm-Maßnahmen miteinplanen müssen. So hätte er erreicht, dass die oberhalb der Decke liegenden Fußbodenkonstruktionsschichten keinen Schaden erleiden. Die Verlegung einer ausreichend überlappten zweilagigen Polyethylenfolienlage oder auch einer PVC-Schweißfolie auf der Betongeschossdecke wäre erforderlich gewesen.
Ob und inwieweit es in diesem Zusammenhang auch Wärmedämmvorschriften für Lampen gibt, wird aufgrund der Zuordnung der Verantwortlichkeit beim Planer mit Sicherheit zwischen Planer und dem zuständigen Elektriker diskutiert werden. Die erforderlichen Feuchteschutzmaßnahmen waren für den Estrichleger und den Bodenleger nicht erkennbar. Sie basieren auf ungünstigen bauphysikalischen Verhältnissen im Bauvorhaben, die nur vom Planer z.B. in Verbindung mit Diffusionsberechnungen in Griff zu bekommen gewesen wären.
In diesem Zusammenhang wird auch die DIN 18560 "Estriche im Bauwesen" Teil 2 'Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)" aufmerksam gemacht, wo unter 5.1.3 "Schutzmaßnahmen" Folgendes steht: "Die Dämmschicht ist, falls erforderlich, durch geeignete Maßnahmen vor Feuchte, z.B. durch Dampfsperren, zu schützen. Solche Maßnahmen sind vom Planer bei der Bauwerksplanung festzulegen."
Der Sachverständige stellte fest, dass die insbesondere in den Fußbodenfachkreisen hinsichtlich der bekannten "nachstoßenden Feuchte aus jungen Betondecken" erforderlichen Maßnahmen in Form eines Feuchteschutzes auf der Geschossdecke vielfach in Planerkreisen nicht bekannt sind und/oder nicht beachtet werden. Leider wird bei der heutigen schnellen Bauweise die nachstoßende Feuchte aus den Betongeschossdecken sowohl von Estrichlegern (insbesondere bei der Verlegung eines nicht feuchtigkeitsresistenten Estrichs), aber auch von den Bodenlegern (bei der Verlegung von dampfdichten Belägen und Parkett) viel zu wenig beachtet. Der Verleger sollte sich immer fragen, ob und inwieweit die junge Betondecke gegen nachstoßende/aufsteigende Feuchtigkeit geschützt ist. Fehlt der Feuchtigkeitsschutz, muss man mit einer Bedenkenanmeldung reagieren.
Der Autor:
Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.
IFF-Fußboden-Gutachter
Helmut Becker
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FussbodenTechnik 04/07
(Handwerk)