Prüfung elektrostatischer Eigenschaften während der Laminatboden-Fertigung
Entwicklung einer Messeinrichtung
Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bestehen durch die elektrostatischen Aufladungen beim Begehen von Laminatfußböden keine unmittelbaren Gefahren für die Gesundheit des Menschen. Jedoch können die damit verbundenen "elektrischen Schläge" bei der Berührung geerdeter Teile das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen und durch Schreckreaktionen Gefährdungen verursachen. Die Industrie hat auf die zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber elektrischen Feldern reagiert und ist bemüht, antistatische Fußböden anzubieten. Dabei kommen schwerpunktmäßig leitfähigkeitserhöhende Maßnahmen wie der Einsatz von Antistatika (organische Salze) im Overlay bzw. Dekorpapier, das Einbringen einer leitfähigen rußhaltigen Schicht im Underlay oberhalb des Trägers, oder die leitfähige Verklebung von Dekor und Trägermaterial und daraus abgeleitete Kombinationen zur Anwendung.
Für textile, elastische und Laminat-Fußbodenbeläge, die gemäß dem europäischen Standard EN 14041 als "antistatisch" deklariert werden, ist die im Begehtest nach DIN EN 1815 ermittelte Personenspannung entscheidend. Dabei darf die Personenspannung 2.000V nicht übersteigen. Nach dem angegebenen Standard ist eine 2qm große Prüfplatte nach einer siebentägigen Konditionierung bei einer Temperatur von 23 C und 25% relativer Luftfeuchtigkeit mit Prüfschuhen mit Referenz-Sohlenmaterialien aus Gummi und PVC in dem gleichen Umgebungsklima zu begehen. Gemäß EN 14041 muss auch eine fertigungsbegleitende Kontrolle der deklarierten Eigenschaften stattfinden. Die alleinige Messung der elektrischen Widerstände (spezifischer Oberflächen- und Volumenwiderstand) ist kein zuverlässiges Kriterium, da keine eindeutige Zuordnung in die Bereiche antistatisch/nicht antistatisch erfolgen kann.
Insbesondere die erforderliche Größe der Prüfmuster von 2mx1m und der subjektive Einfluss der Testperson sind für entwicklungsbegleitende Untersuchungen im Labor oder eine fertigungsbegleitende Kontrolle beim Fußbodenhersteller sehr nachteilig. Deshalb wurde die im Folgenden beschriebene apparative Prüfeinrichtung, die in einer ähnlichen Ausführung bereits für textile Bodenbeläge Anwendung findet, zur Ermittlung des elektrostatischen Verhaltens kleinerer Probeplatten (Durchmesser 45 cm) starrer Laminatfußböden getestet. Die Untersuchungen sollten zeigen, ob durch Simulation des Begehens mittels einer Rollapparatur an Modellprüfkörpern eine mit der Personenaufladung beim genormten Begehtest vergleichbare Aufladung generiert werden kann und ob der Messaufbau so für den Einsatz im Labormaßstab bzw. unter den betrieblichen Bedingungen zur Fertigungskontrolle beim Hersteller geeignet ist.
Abgeleitet aus den Ergebnissen erster Voruntersuchungen mit einem Rollprüfgerät für textile Fußböden, dessen Messwerte im Vergleich zu anderen untersuchten Geräten, wie einem Gehsimulator (an einem Portal verfahrbare Pneumatikzylinder mit Sohlenplatte) oder dem ICM-Prüfgerät (Influenz-Entladeverfahren), mit der Personenaufladung beim Gehen auf Laminat-Fußbodenbelägen am besten korrelierten, wurde durch das Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) ein Anforderungsprofil für ein modifiziertes Gerät erarbeitet, auf dessen Basis die Firma Fetronic GmbH das Reibgerät "Estameter" weiterentwickelte und einen Prototyp baute.
Das "Estameter" besteht im wesentlichen aus folgenden Komponenten:
- Drehteller mit einer Aufnahme für die Laminatprobe (Durchmesser 450 mm),
- klappbarer Arm mit einer isolierten Laufrolle,
- Befestigungselemente für die Belegung der Laufrolle mit Streifen aus den Referenzsohlenmaterialien nach EN 1815 (Gummi, PVC) oder ISO 6356 (Neolite) sowie
- Messeinrichtung zur leistungslosen Spannungsmessung sowie Anschluss für das Messdatenerfassungs- und Auswertesystem.
Die Drehzahl des Aufnahmetellers und die Messzeit sind frei wählbar und können in einem Bereich von 10 bis 60 U/min. bzw. von 0 bis 300 s variiert werden. Das Laufrad ist konstruktiv so gestaltet, dass es sich schnell austauschen lässt. So können die verschiedenen Sohlenbeläge auf mehreren Wechselrollen vormontiert sein und im schnellen Wechsel zum Einsatz kommen. Außerdem ist am Arm der Laufrolle ein Spannungsanschluss integriert, der die Verbindung mit einem externen Messdatenerfassungs- und Auswertesystem ermöglicht. Die interne Spannungsmessung und die Auswertung erfolgte analog zu den normativen Vorgaben der EN 1815 für den Begehtest.
An verschiedenen Proben von Laminat-Fußbodenbelägen wurden zum Vergleich sowohl die Aufladespannung mit dem Estameter als auch die Personenspannung im Begehtest nach DIN EN 1815 bestimmt. Aus diesen Messungen sollten die entsprechenden Parameter für die Reibuntersuchungen abgeleitet werden. Dazu wurde die Estameter-Spannung UE in Abhängigkeit folgender Einflussgrößen untersucht:
- Probenmaterial (hochaufladbar, gering aufladbar),
- Prüfsohlen (Gummi, PVC, Neolite),
- Drehzahl des Probenaufnahmetellers,
- Umgebungsluftfeuchte und Dauer der Konditionierung,
- verschiedene Unterlagen (isolierende/ableitfähige/keine Unterlage) und
- umgebende geerdete Bauteile, passive oder aktive Ionisatoren (Entladeelektroden).
Weiter wurde die Personenspannung UP aus dem Begehtest mit der Spannung UE am Estameter für sechs verschiedene Laminatproben auf einer isolierenden Unterlage (PE-Schaum) verglichen. Letzteres stellt den kritischen Fall dar. Die Umgebungsbedingungen entsprechen der Norm EN 1815 (23 C, 25% rel. LF). Analog gilt dies für das eingesetzte Sohlenmaterial. Es wurde entsprechend der Norm EN 1815 Gummi und PVC verwendet. Als geeignetste Drehzahl des Aufnahmetellers wurde nach den Reihenuntersuchungen 30 U/min. abgeleitet. Bei dieser Drehzahl konnte die bestmögliche Korrelation des Estameter-Tests zum genormten Begehtests ermittelt werden. Die gemessenen Spannungswerte zeigen für Elektrostatik-Messungen, die meist eine große Streubreite aufweisen, eine vergleichsweise gute Übereinstimmung. Hervorzuheben ist, dass die Werte in der Umgebung des Einstufungskriteriums von 2kV besonders gut korrelieren.
Stärkere Abweichungen im Vergleich zu den im Begehtest ermittelten Werten innerhalb der Messreihen an den gleichen Proben wiesen auf den Einfluss des geerdeten Klemmringes zur Halterung der Materialproben auf dem Drehteller hin. Durch das Entfernen des Ringes konnten eine Angleichung der Bedingungen und damit eine bessere Übereinstimmung der Messwerte erreicht werden. Es genügte, das Verrutschen der Proben über einen Anschlag auf dem Drehteller zu verhindern.
Gegenstand der Untersuchungen war auch der Einfluss passiver und aktiver Entladelektroden. Dafür wurde das Gerät abwechselnd mit einer passiven sowie einer aktiven Entladeelektrode auf der gegenüberliegenden Seite der Laufrolle ausgestattet. Die Drehzahl wurde mit 30 U/min. vorgegeben, die Messzeit betrug 30 Sekunden. Als Sohlenmaterial kam Gummi und wahlweise PVC zum Einsatz. Als Unterlage auf dem Drehteller diente ein isolierender PE-Schaum, da mit diesem Material in vorherigen Vergleichsuntersuchungen die höchsten Aufladungen ermittelt wurden. Die Versuchsreihen zeigten, dass durch die Entladung der aufgeladenen Oberfläche des Prüflings, auf der die Rolle läuft, zumeist eine etwas höhere Endaufladung als beim Begehtest generiert wird. Das könnte jedoch durch einen Messgerätefaktor korrigiert werden. Vor allem aber erhöht sich nachweislich die Wiederholgenauigkeit der Messwerte mit dem Einsatz von Entladungselektroden.
Mittels Regressionsanalysen konnten die Messergebnisse statistisch abgesichert werden. Die grafische Darstellung der mit dem Estameter für verschiedene Versuchsaufbauten ohne Entladeelektrode bzw. mit passiven oder aktiven Ionisatoren auf verschiedenen Unterlagen gemessenen Spannungen im Vergleich mit der Personenspannung im Begehtest zeigt, dass prinzipiell ein linearer Zusammenhang angenommen werden kann. Mit Entladeelektrode beträgt das Bestimmtheitsmaß > 89% , ohne Entladeelektrode liegt es im Bereich von 85% bis 91% .
Die abgeleiteten Prüfparameter wurden in einer IHD-Werknorm fixiert. Als nächster Schritt war der Nachweis erforderlich, ob die Methode auch fertigungsbegleitend einsetzbar ist. Dazu wurden Proben bei zwei Laminat-Herstellern direkt nach der Verpressung der Fertigung entnommen und nach festgelegten Zeitabständen vermessen. Bei Hersteller 1 wurden ein antistatischer DPL-Fußboden und ein nicht antistatischer DPL-Boden untersucht, beim Hersteller 2 waren es ein Folienboden und ein nicht antistatischer DPL-Boden. Es wurde deutlich, dass bereits zwei Stunden nach Verpressen eine eindeutige Zuordnung der untersuchten Böden als antistatisch und nicht antistatisch möglich war.
Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
Nach Auswertung der vorliegenden Messreihen zeigte sich die Prüfung mit dem Estameter als hinreichend genau für den Einsatz als fertigungsbegleitende Prüfung bei Laminat-Herstellern zur Qualitätsüberwachung der Wirksamkeit der eingesetzten Mechanismen für die Erzielung einer antistatischen Wirkung. Ein entscheidender Vorteil des Gerätes besteht im geringen Platzbedarf, was die Durchführung der Messungen in einem Klimaschrank ermöglicht. Auch eine Messung unmittelbar nach dem Verpressen führt zu aussagefähigen Ergebnissen.
Der Einsatz des Gerätes für die Klassifizierung der Laminat-Fußböden bezüglich des Grenzwertes für "antistatisches Verhalten" UE 2 kV als Alternative zum Begehtest erweist sich bisher aufgrund der begrenzten Genauigkeit für einige Böden als kritisch. Dies gilt nicht für entwicklungs- und fertigungsbegleitende Untersuchungen, wenn ausreichend Vergleichswerte für die eingesetzten Materialqualitäten zur Personenspannung im Begehtest nach EN 1815 vorliegen. Für die laufenden Qualitätskontrolle ist das Gerät bei Vorliegen entsprechender Referenzwerte einsetzbar. Zertifizierungen bleiben nach wie vor den entsprechenden Instituten vorbehalten.
Dipl.-Ing. Detlef Kleber
Dr.-Ing. Rico Emmler
Prof. Dr.-Ing. Helmut Bauch
aus
Parkett Magazin 05/07
(Bodenbeläge)