Heimtextilproduktion soll mehr als verdoppelt werden

Indiens Heimtextilindustrie mit großen Zielen

Textilunternehmer und Politiker Indiens haben ihre Stärke entdeckt und formuliert. Auf dem "Textile Summit" von führenden indischen Textilunternehmern, Verbänden und textilorientierten Wirtschaftspolitikern im September 2007 wurden ehrgeizige gemeinsame Ziele und Visionen entwickelt. Für die Heimtextilienindustrie wird sogar die Möglichkeit gesehen, Weltmarktführer zu werden. Dafür spricht nicht nur, dass Indien zu den klaren Gewinnern der liberalisierten Welthandelsordnung zählt, sondern auch das starke Wachstum des privaten Konsums von Heimtextilien im Inland.

J Singh, Textile Commissioner und Bindeglied zwischen Textilindustrie und Politik, hat schon während der letzten "Home Fashion India Week" folgende Faktoren für die hervorragenden Zukunftsaussichten festgemacht:
- Indien hat eine herausragende Position bei Rohmaterialien. Das Land ist zweitgrößter Baumwollproduzent der Welt, zweitgrößter Produzent von Seide und wird ständig stärker bei Chemiefasern und -filamenten.
- Die öffentlich geförderten Investitionen in den gesamten Textilsektor (TUF-Scheme) haben sich seit 2002 jährlich mehr als verdoppelt und liegen 2006/2007 bei etwa 6 Mrd. Euro.
- Indien gehört zu den klaren Gewinnern im liberalisierten textilen Welthandel.
- Die Anzahl der privaten Haushalte und der Haushaltseinkommen in Indien wird stark wachsen.

Exportziel von ca. 20 % Zuwachs jährlich bis 2010

Die größte Stärke der indischen Heimtextilienproduktion ist ihre einzigartig differenzierte Struktur: es gibt Großunternehmen, die mit professionellem Management und unter Einsatz aller Finanzierungsformen und moderner unternehmerischer Wachstumspolitik expandieren, es gibt wendige, mittelständische Unternehmen, die alle Vorteile inhabergeführter Unternehmen aufweisen und es gibt viele Kleinbetriebe, die voll auf die Produktion konzentriert sind und für die Großhändler Financiers, Entwicklungs-, Vertriebs- und Marketingabteilung sind. Dadurch kann Indien sehr komplex anbieten und liefern:Aufwändig produzierte Stoffe, die z.B. von internationalen Editeuren gekauft werden einerseits, und Großserien von Frottierware oder Bettwäsche andererseits.

Diese vielfältige Größenstruktur in der Weberei und mit Abstrichen auch in der Spinnerei und Veredlung machen Indien zum weltweit interessantesten Beschaffungsmarkt für Heimtextilien. Zusammen mit relativ günstigen Produktionskosten ist das die Basis für die Exporterfolge. Für die nächsten Jahre liegen die von Textilministerium und führenden Unternehmen getragenen Ziele bei einer Steigerung der Exporte um 20 % jährlich bis 2010, versichern J. N. Singh und Dilip Jiwrajka, Vorstandsvorsitzender von Alok Industries, einem der Marktführer bei Bettwäsche und Berufsbekleidung während der letzten Home Fashion India Week in Bombay.

Herausragende Entwicklung des indischen Binnenmarktes

Der Binnenmarkt für Heimtextilien weist große Wachstumschancen auf, weil die Anzahl der Haushalte auf 223 Mio. ansteigt und das Einkommen dieser Haushalte deutlich wächst. Diese Voraussetzungen sind für Europa und für die USA in den nächsten Jahrzehnten nicht gegeben, sodass Indien heute als einer der interessantesten Absatzmärkte der Welt für Heimtextilien angesehen werden muss. Dies umso mehr, als die Handelsstrukturen professionalisiert werden. Indien erlebt derzeit eine Einzelhandels- und Shopping Center Revolution, welche die Städte und das Einkaufen in den Städten völlig verändert. Der "unorganisierte" Strassenhandel wird zurückgedrängt, kleine und unattraktive "Garagengeschäfte" werden substituiert. Viele große Industrieunternehmen haben gewaltige Pläne, in den Einzelhandel einzusteigen wie etwa Reliance, Birla, Welspun und Alok, um nur die zu nennen, die auch textile Interessen haben. Dadurch wird das gesamte Management des Handels auf ein internationales Niveau gehoben, und es werden internationale Marken gefragt sowie Produkte bei denen die Produkteigenschaften stärker im Vordergrund stehen als der Preis. Insgesamt geht Dilip Jiwrajka davon aus, dass der Inlandsmarkt von 2, 3 Mrd EUR (2005) auf 5,6 Mrd EUR (2010) steigt.

Europäische Chancen

Das starke Wachstum des indischen Inlandsmarktes bietet auch Exportchancen für die europäische Industrie. Allerdings nur für Produkte, die besondere Eigenschaften haben, denn einerseits sind die Einfuhrzölle weiterhin hoch und andererseits sind indische Einkäufer sehr kritisch und verhandlungsstark. Derzeit bildet sich bei gut gestellten privaten Konsumenten eine gewisse Kultur für europäische Innenaustattungsprodukte heraus. Größere Chancen sind derzeit im Objektgeschäft vor allem mit Hotels zu sehen, so Arun Roongta, Leiter des indischen Büros der Beratungsgesellschaft Expo+Consulting Associates, Düsseldorf/Bombay.

Vor allem aber liegen laut Roongta europäische Chancen in der Beteiligung an Joint Ventures, denn diese werden heute mit Blick auf den indischen Markt eingegangen und ermöglichen eine auf die spezifisch indischen Verhältnisse ausgerichtete Firmenpolitik.

Mehr Informationen: www.homefashionindiaweek.net; www.expoandconsulting.com

Von Dr. Geert Böttger, Expo+Consulting Associates, Düsseldorf / Bombay
aus BTH Heimtex 10/07 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)