Industrieböden in dekorativen Bereichen von Ingo Niedner

Wolken, Ausblühungen und Flecken das exakte Ergebnis von farbigen Estrichen ist eine unbekannte Größe

In den letzten Jahren kommen vermehrt Industriefußböden wie eingefärbte Estriche aus dekorativen und gestalterischen Gründen in dekorativen Bereichen zur Anwendung. Typische Beipiele sind Schulen, Museen, Ausstellungen, Verkaufsräume, Treppenhäuser, Boutiquen, Restaurants und Wohnbereiche. In der Vergangenheit waren farbige Nutzestriche ursprünglich Terrazzo-Fußböden auf Zementbasis, Steinholz und Magnesiaestriche, ggf. Asphaltbeläge, die für solche Zwecke in einzelnen Fällen Anwendung fanden. Inzwischen wird die Anwendung immer breiter und es treten immer mehr Anbieter und Produkte auf dem Markt auf.

Industriefußböden zeigen ein interessantes, aufgelockertes und ungewöhnliches Farbbild und unterscheiden sich gravierend von den bisher üblichen Fußböden, die auf Holz-, Textil- oder auch Kunststoffbasis verlegt werden. Zur Ausführung kommen ausschließlich mineralische Baustoffe, wenn man einmal von Gussasphalt absieht. Als Materialien hierfür sind pigmentierte Zementestriche bzw. geschliffener Beton, Hartstoffestriche oder Hartstoffeinstreuungen, Zementestriche, Magnesiaestriche, Gussasphaltestriche, geschliffene Gussasphalte, mineralische Spachtelmassen - zementär oder auf Calcium-Sulfat-Basis - und eingefärbte Calciumsulfatestriche üblich.

Die mineralischen Baustoffe werden nach den Methoden der klassischen Estrichverlegung verlegt: Untergrundvorbereitung, Mischen und Auftragen des Materials, Abziehen, Glätten, Oberflächen- und Nachbehandlung. Das Ergebnis einer solchen Verlegung ist, wie wir es von allen Estrichen kennen, dass hier eine saugfähige, mehr oder weniger poröse Oberfläche entsteht, die - da mit hydratisierenden Baustoffen verlegt wurde - Überschusswasser enthält, das entweichen muss. Dieses Wasser entweicht allerdings aus dem eingefärbten Estrich nun nicht als reines Wasser, sondern in Form einer mehr oder weniger gesättigten Salzlösung. An der Oberfläche des Estrichs verdampft dieses Wasser und die enthaltenen Salze bleiben an der Oberfläche liegen. Dies ist bei jedem Estrich der Fall. Es ist jedoch im Regelfall völlig unerheblich, da Estriche in Naturfarbe mehr oder weniger weiß sind und demzufolge die weißen Salze nicht sichtbar werden.

Jetzt liegt allerdings ein eingefärbter Estrich vor, der sich in seiner Farbe (rot, grün, gelb, schwarz) deutlich von der bisherigen Estrichfarbe unterscheidet. Wenn auf diesen Oberflächen Salze liegen bleiben, werden sie weiße Flecken auf dem farbigen Untergrund ergeben. Außerdem ist die saugfähige Oberfläche für die ständige Nutzung ungeeignet. Diese offene Oberfläche lässt sich durch vielfaches Schleifen, wie bei einem Terrazzo-Schliff, zweifelsohne am elegantesten schließen. Andere Lösungsmöglichkeiten beinhalten das Schützen bzw. Abdecken der saugfähigen Oberfläche. Übliche Mittel hierfür sind Öl, Steinöl, Wachse, eine Einpflege mit Dispersionspflege, eine Imprägnierung mit Epoxidharz, eine farblose Versiegelung mit Epoxidharzen oder Polyurethanen oder eine Verkieselung/Silicatisierung mit Wasserglas.

Alle diese Methoden haben Vor- und Nachteile. Die absolut ideale Methode wäre nach wie vor die alte Terrazzomethode, in der man die Farbigkeit der Zuschlagstoffe erhält und durch vielfaches Schleifen mit immer feiner werdenden Schleifmitteln letztendlich eine dichte Oberfläche erreicht, die man notfalls mit einer Silicatisierung noch verfestigen und schließen kann. Diese Methode ist allerdings für den üblichen Gebrauch in der heutigen Zeit viel zu aufwendig und teuer.

Demzufolge versucht man andere Methoden einzusetzen. Man färbt den Estrich von Haus aus ein und pflegt ihn dann mit Öl, Steinöl oder Wachs ein. Wird dies lange und oft genug getan, wird man sicher auch eine dichte Oberfläche erreichen. Gleiches gilt für farblose Versiegelungen mit Epoxidharzen und Polyurethanen bzw. Imprägnierungen mit Epoxidharz. Allerdings ist dann die Oberfläche nur soweit abgeschlossen, dass kurzfristig keine Flüssigkeit in den Estrich eindringt. Aber bei längerer Einwirkung gehen durch diese Versiegelung oder Öl- und Wachsschichten Flüssigkeiten durchaus in den Estrich. Auch das im Estrich noch vorhandene Überschusswasser bzw. eingedrungenes Wasser kann weiter nach oben abdampfen und man erreicht im ungünstigsten Fall weiße Ausblühungen von den dann zurückbleibenden Salzen.

Eine Einpflege mit Dispersionsfilm, Öl, Steinöl und Wachs ist außerdem schwierig. Bei der Einpflege können Flecken entstehen, wenn der Verarbeiter nicht gleichmäßig, sondern an einzelnen Stellen mehr Öl aufträgt, kann dies durchaus zu deutlich sichtbaren Farbveränderungen führen. Eine farbige Epoxid- und Polyurethanversiegelung kann zu den genannten Einpflegemaßnahmen keine Alternative sein, man kann sich diese Methode eigentlich sparen. Es wäre einfacher, man stellt einen Estrich her und versiegelt ihn gleich farbig mit Epoxidharz und Polyurethan.

Der Estrichleger und der Kunde müssen wissen, dass man bei einem farbigen Estrich immer ein Unikat und nie zweimal den gleichen Belag erhält. Kleine Handmuster sind völlig untauglich zur Bewertung eines solchen Belages. Sie können lediglich als Hinweis dafür dienen, wie in etwa der Belag aussehen könnte. Alle genannten mineralischen Fußböden in dekorativen Bereichen sind letztendlich nie als glatter Unibelag anzusehen. Sie werden immer wolkig, in bestimmten Abständen fleckig und unterschiedlich sein. Es wird Farbunterschiede geben, es gibt Absätze. Man sieht Arbeit- und Schleifspuren, Gießspuren, Schlieren, Farbdifferenzen und unterschiedliche Spuren von Einpflegen. Die Farbe des Belages ist abhängig von der Art des Untergrundes, von der Art der Verarbeitung, vom Klima, vom Arbeitsverfahren und es sind Arbeitsansätze sichtbar. Nur wer diese zum Teil auch gravierend auftretenden Unterschiede mag und mit diesen rechnet, sollte einen solchen Designer-Estrich überhaupt einsetzen, denn dies ist für diese mineralischen dekorativen Fußböden ein typisches Bild.

Wer ein einheitliches unifarbenes Bild erwartet, sollte die Finger von solchen Belägen lassen und einen bewährten Kunststoff- oder Kunstharzbelag auf den Fußboden bringen, wenn er denn einen unifarbenen Belag haben will bzw. industriell vorgefertigte Produkte wie PVC-, Linoleumbeläge oder textile Beläge verwenden.

Aus allen diesen genannten Gründen ist eine ausführliche Information und Beratung zwischen Architekten, Bauherrn, Nutzer und Verarbeiter zwingend erforderlich. Alle Seiten müssen sich über die Unwägbarkeiten und Risiken eines solchen Belages im Klaren sein. Nur wenn dies geschieht, wird man mit dem erzielten Ergebnis, ordentliche und gründliche handwerkliche Arbeit vorausgesetzt, zufrieden sein und einen wirklich schönen, lebendigen und dekorativen, in unterschiedlichen Farben und Formen schimmernden Fußboden erhalten können. Wobei dann auch an den Nutzer Forderungen zu stellen sind hinsichtlich des Gebrauchs und der Eigenschaften des Fußbodenbelages. Rotwein-, Kaffee- und Ölflecken werden ewig in diesem Fußboden verbleiben genauso wie bei nicht ausreichender Nachvergütung Wasserflecken zu hellen Flecken führen können. Mit eingefärbtem Öl und ähnlichem können solche Stellen immer wieder überarbeitet werden und so eine gewisse Patina des Belages erreichen. Wenn er gut gearbeitet ist, entsteht ein wirklich einmaliger Belag und ein echtes Unikat.


Der Autor: Ingo Niedner ist öbuv. Sachverständiger für Kunstharztechnologie auf Fußböden.
aus FussbodenTechnik 05/07 (Handwerk)