Traditionsreiches Produkt in zeitgemäßer Optik

Fachinformation Handwebteppiche

Vom Billigprodukt zum eigenständigen Teppich mit Trendaussage ist der Handwebteppich in den 90er Jahren avanciert. Ob uni oder gemustert, heute sind auch absolut spektakuläre Webstrukturen möglich, die dem aktuellen Wunsch nach individueller Wohnkultur entsprechen.

Wenn es um Natürlichkeit geht, steht heute bei vielen Endverbrauchern der Handwebteppich an vorderer Stelle der Beliebtheitsskala. Ein wichtiges Verkaufsargument ist insbesondere die beidseitige Verwendbarkeit, die durch die Herstellungsart bedingt ist. Wobei das Umdrehen eines Handwebteppichs sogar ausdrücklich erwünscht ist, denn es erhöht seine Lebensdauer. Außerdem sind Handwebteppiche aufgrund ihres geringen Eigengewichts leicht zu handhaben. Da sie keinen hohen Flor besitzen, stellen sie zudem keine 'Stolperfalle" dar.

Hergestellt werden Handwebteppiche heute in Ungarn, Marokko, Griechenland, Tunesien, Indien und ganz vereinzelt in Österreich. Die Branche unterteilt die Produzenten in Manufakturen und Massenhersteller. Manufakturen legen Wert auf hochwertige Materialien und eine ebenso hochwertige Verarbeitung, erarbeiten Farb- und Mustertrends und bieten einen umfassenden Vertriebsservice rund um das Produkt. Sondermaße werden von Manufakturen innerhalb von 4 bis 6 Wochen realisiert, sowohl unifarben als auch dessiniert.

Als Vorläufer des heutigen Handwebteppichs werden die so genannten Fleckerlteppiche oder Flickenteppiche aus dem Voralpenraum angesehen. Sie wurden in einfachster Art und Weise von Bauern aus Textilresten in Eigenarbeit angefertigt und anschließend für den Eigenbedarf verwendet oder verkauft, um ein Zusatzeinkommen zu erzielen.

Die Webstühle

Die Webstühle der heutigen Zeit werden ganz individuell und unternehmensspezifisch angefertigt. Sie sind halbmechanisch, was den Vorteil hat, dass die von Hand eingelegten einzelnen Schussfäden von morgens bis abends mit gleich bleibender Intensität von der Webstuhlmechanik angeschlagen werden. Das Ergebnis sind in ihrer Dichte vollkommen gleichmäßig gearbeitete Teppiche.

Die Rohstoffe

Entscheidend für die Stabilität eines Handwebteppichs an sich ist neben der Kette auch die Docht genannte Garnkernfaser des verwendeten Garnes.

Als Garnkern wird bei hochwertigerer Verarbeitung Jute verwendet, um die ursprüngliche Symmetrie und die Strapazierfähigkeit des Handwebteppichs solange als möglich zu bewahren. Bei Massenproduktionen zum Beispiel aus Indien und Griechenland wird aus Preisgründen gerne Baumwolle zum Einsatz gebracht.

Die Jute, die später als Garnkern verarbeitete werden soll, muss für den Spinnprozess mit Öl geschmeidig gemacht werden. Qualitätsbewusste Hersteller verwenden dazu raffiniertes Mineralöl oder Pflanzenöl, damit bei steigender Luftfeuchtigkeit die Geruchsneutralität bestehen bleibt.

Um diesen Garnkern wird dann bevorzugt Wolle gesponnen. Hier kann es große Unterschiede bei der Qualität der eingesetzten Wolle geben.

Das Färben

Die Wolle wird üblicherweise vor dem Verspinnen eingefärbt. Wichtig bei der Wahl der eingesetzten Farben ist neben ökologischen Aspekten auch die Lichtechtheit zu berücksichtigen.

Das Ausgangsmaterial, mit dem anschließend die Umspinnung erfolgen soll, bezeichnet man als Flocke. Neben einfarbigen Garnen besteht auch die Möglichkeit, Melangen durch Vermischung mehrerer unterschiedlich farbiger Flocken zu erreichen. Das Verhältnis, in dem die einzelnen Flocken miteinander vermischt werden sollen, basiert auf der jeweils garnspezifischen Rezeptur. Die daraus resultierenden Garne nennt man meliert.

Die Veredlung der Rohstoffe

Um die Schurwollgarne anschließend durch einen Filzprozess zu veredeln. Durch das Filzen oder Walken verdichten sich die einzelnen Faserfragmente und werden strapazierfähiger. Voraussetzung dafür, dass sich beim Filzen die Wolle ideal verbindet, ist die Stapelänge, also die Länge der einzelnen Wollfasern.

Der Filz- oder Walkprozess wird herstellerabhängig entweder mit Wasserdampf oder durch den Zusatz von chemischen Hilfsmitteln durchgeführt.

Das Grundgewebe

Die Kettgarne der Handwebteppiche bestehen meist aus Synthetik- oder Jutefasern. Je nach gewünschtem Erscheinungsbild werden die Kettfäden in einem bestimmten Abstand auf den Webstuhl aufgezogen. Je feiner der Teppich werden soll, desto dichter müssen die Kettfäden gesetzt werden. Zum Beispiel 18 Kettfäden auf 10 cm Breite ergeben unter Einsatz von beigen Garnen gerne einen produktionstypisch rustikalen Look. Die Optik ist im allgemeinen abhängig vom Einsatz der zur Produktion jeweils zur Verfügung stehenden Webstühle, der darauf eingerichteten Ketten und der verwendeten Garne und Farben.

Die Herstellung

Neben dem Garn, der Kette und der Anzahl der Kettfäden ist die Optik eines Handwebteppichs außerdem abhängig von der Struktur, die der eingesetzte Webstuhl auslöst.

Bei einem gemusterten Handwebteppich, der in aufwendiger Kelim-Technik handgearbeitet wird, muss vor dem eigentlichen Produktionsprozess zunächst eine Dokumentation erstellt werden. Das ist Aufgabe von Teppich-Designern. Die Herstellung eines gemusterten Handwebteppichs erfordert daher einen erheblich größeren Zeitaufwand als die Herstellung in uni.

Die Kanten

Für den Kantenabschluss gibt es beim Handwebteppich drei übliche Möglichkeiten. Erstens: Die Kettfäden werden abgeknotet. Anschließend wird darüber ein Kantenband genäht. Ein manueller Arbeitsvorgang, bei dem das Band farblich auf den Teppich abgestimmt sein sollte.

Zweitens: Es bleibt eine Fransenkante erhalten, die mit zusätzlichen Wollfäden handverknotet werden muss, da sie sonst zu "dünn" wirkt. Je nach Volumen des Teppichs werden dabei ein oder mehrere Schurwollgarne mit den Kettfäden verknotet.

Drittens: Eine Webkante, die dadurch entsteht, dass die ersten Schussfäden und nach Weben des Teppichs an sich auch die letzten Schussfäden aus einem dünneren farblich angepassten dochtlosen Garn gewebt werden. Diese Webkanten werden anschließend umgeknickt und auf der "Rückseite" der Webkante festgenäht.

Abweichend von der ersten und der zweiten Variante ist im Fall der Webkante tatsächlich eine Vorder- und Rückseite bei genauerem Hinsehen optisch feststellbar, was aber den beidseitigen Nutzen keineswegs einschränkt, sondern eher sogar eine optische Bereicherung darstellt.
aus Carpet Magazin 04/07 (Teppiche)