Metropolitan Museum of Art: Venedig und die Welt des Islam (Dasha O. Morgan)
Schnittstelle des kulturellen Austauschs
Das Metropolitan Museum of Art in New York richtete eine umfangreiche Ausstellung aus, um den Austausch von künstlerischen Objekten und Ideen zwischen der bedeutenden italienischen Stadt Venedig und ihren islamischen Nachbarn des östlichen Mittelmeerraums zu erkunden. Fast 200 Kunstwerke, darunter auch eine Reihe von Teppichen aus über 60 öffentlichen und privaten Sammlungen aus der ganzen Welt, wurden im Frühjahr der Öffentlichkeit präsentiert. Die gleiche Ausstellung wurde am 28. Juli im Dogenpalast in Venedig eröffnet und läuft bis zum 25. November.
Der gewaltige interkulturelle Austausch vom 9. bis zum 18. Jahrhundert zwischen Venedig und seinen muslimischen Nachbarn bietet neue Einblicke in die gemeinsame Geschichte. Die Ausstellung wurde mit einer Galerie eröffnet, die Zeugnis der engen Beziehung von Venedig zu Istanbul, Damaskus, Alexandria, Kairo und anderen großen islamischen Städten ist.
Jahrhundertelang unternahmen Kaufleute aus Venedig jährlich Reisen, um Gewürze und Luxusgüter, z. B. Seide, Teppiche und Porzellan, zu erwerben. Der bekannteste der Tausenden von Kaufleuten Venedigs ist Marco Polo, der auf der Suche nach Reichtum die Segel gen Osten setzte. Die Märkte in Venedig quollen über mit kostbaren und exotischen Gütern, weshalb die italienische Hafenstadt den Beinamen "Basar Europas" trug. Venedig wird ebenso oft wegen seiner Architektur und wegen des Stadtbilds mit orientalischen und ornamentalen Verzierungen auch als "Spiegel des Morgenlandes" bezeichnet.
Im Hauptteil der Ausstellung wird die Entwicklung thematisch und chronologisch dargestellt. Die Beziehung zwischen Venedig und dem Orient begann 828, als zwei venezianische Kaufleute die Reliquien des heiligen Sankt Markus aus dem muslimischen Alexandria stahlen, und endete 1797, als die venezianische Republik an den französischen Eroberer Napoleon Bonaparte fiel.
Die vielen Objekte belegen den islamischen Einfluss auf die bildenden Künste Venedigs. Einige der frühesten Preziosen, die Venedig erreichten, waren für Kirchen bestimmt und daher sicherlich recht hoch im Preis. Im Gegenzug waren im Osmanischen Reich auch venezianische Textilien zu finden und die Ausstellung belegt, dass der künstlerische Transfer auch von Westen nach Osten verlief. Anscheinend wurden für einige der feinsten Kirchengewänder in Venedig Stoffe aus der türkischen Seidenstadt Bursa verwendet. Ebenso wurden aber auch nur wenige Kaftans der osmanischen Würdenträger, die im Museum des Topkapi-Palastes aufbewahrt werden, in der Türkei hergestellt. Viele stammen aus Italien und wahrscheinlich auch aus Venedig.
Die Ausstellung beinhaltet Zeichnungen und Gemälde von so bekannten venezianischen Künstlern wie Bellini, Carpaccio und Tiepolo, wundervolle persische und osmanische Miniaturen, Keramiken, vergoldetes und emailliertes Glas, Textilien und Teppiche aus den Imperien der Mamelucken, Osmanen und Safawiden. Der Aufenthalt des diplomatischen Gesandten Gentile Bellini von 1479 bis 1491 am Hofe von Sultan Mehmet II wurde zum Dreh- und Angelpunkt. Während und nach seinem Aufenthalt in Istanbul stellte Bellini islamische Gestalten und Szenarien in seinen Gemälden dar und seine zahlreichen Schüler wie Vittore Carpaccio und Giovanni Mansueti taten es ihm gleich. Viele dieser wirklich großartigen, orientalischen Gemälde und Zeichnungen finden sich in der Ausstellung wieder.
In der Renaissance umgaben sich wohlhabende venezianische Patrizier mit Preziosen, darunter auch vornehme, aus dem Orient importierte Teppiche: Zu den Ausstellungsstücken gehören ein herrlicher persischer Drachenteppich aus Seide aus dem späten 16. Jahrhundert, eine Leihgabe der Berliner Museen, ein Gebetsteppich aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und ein Mamelucken-Teppich aus Wolle, der im vom Osmanischen Reich besetzten Kairo im 16.Jahrhundert auf traditionelle Art hergestellt wurde.
Venedig setzte sich durch seinen Status als christliche Stadt eindeutig von der muslimischen Welt ab, allerdings ergaben sich durch die Religion wenige Hürden für die Handelsbeziehungen. "Die Beziehungen zwischen Venedig und dem muslimischen Nahen Osten lassen sich wohl am besten mit dem Begriff Pragmatismus beschreiben", sagte Stefano Carboni, Kurator und Geschäftsführer der Abteilung für islamische Kunst am Metropolitan Museum sowie Kurator der Ausstellung und venezianischer Herkunft. "Trotz all der Kriege blieb Venedig dank der fast perfekten Balance zwischen Religiösität, chamäleonhafter Diplomatie und geschäftlichem Scharfsinn ein privilegierter Partner." Carboni redigierte den 375-seitigen Begleitkatalog zur Ausstellung. "Venedig und die islamische Welt, 828-1797" enthält faszinierende und detaillierte Beiträge von angesehenen Wissenschaftlern und Restauratoren.
Das Metropolitan Museum zählt zu seiner Sammlung islamische Kunstobjekte aus dem 7. bis zum 19. Jahrhundert aus der Region, die im Westen von Marokko und im Osten von Zentralasien und Indien begrenzt wird. Die reizvolle Ausstellung wurde durch die Unterstützung des Hagop Kevorkian Funds sowie der Andrew W. Mellon Foundation, der Oceanic Heritage Foundation und von National Endowment for the Arts möglich. Die Organisation übernahmen das Metropolitan Museum of Art in New York und das Institut du Monde Arabe in Paris.
aus
Carpet Magazin 04/07
(Teppiche)