Wer will schon einen krummen Teppich?


Bei Arbeiten auf dem horizontalen Knüpfstuhl und unter oft mehr als primitiven Voraussetzungen entsteht schnell einmal ein krummer Teppich. Normales Spannen führt hier nicht zum gewünschten Erfolg. Will der Produzent nicht beträchtliche finanzielle Einbußen hinnehmen, muss er sich etwas einfallen lassen. Vincent Pillinger von der österreichischen Oritop hat beobachtet, wie sich die Produzenten zu helfen wissen:

"Mit für uns unvorstellbarem Aufwand werden mit Stichel, Schlagkamm und Hammer die einzelnen Knoten horizontal verschoben. Eine von Schnur gezogenen Linie dient dabei als Orientierungshilfe und zeigt an, wie der Teppich grade geknüpft wäre. Man fängt an den schiefen Stellen in der Mitte millimeterweise an, gewinnt nach und nach mehr Platz, um die Knotenreihen in die eigentlich vorgesehene Position zu bewegen. Alleine beim fünfminütigen Zusehen dieser mühseligen und hohe Genauigkeit erfordernden Arbeit werde ich schon müde. Zum Ende dieser Korrekturen sind alle Flächen, die vorher außerhalb der Schnurmarkierung lagen, innerhalb dieser vorgegebenen Linie: Der Teppich ist jetzt grade.

Ein rund 7 m2 großer Teppich ist dann nach sieben bis zehn Tagen zum vollen Preis verkäuflich. Anzeichen der Korrekturarbeiten sieht man nicht - nur dass der Teppich eben richtig gerade ist.

Vielleicht interessieren Sie sich für die Kosten dieser Tätigkeit. Der trainierte, am Boden sitzende Experte verdient rund 7.000 pakistanische Rupien monatlich, das sind rund 15 Prozent mehr als ein normaler Knüpfer hier verdient. Dazu kommt die Verpflegung und das Quartier - nicht ganz so wie in einem Hotel. Ein geschätzter monatlicher Aufwand von 9.000,- Rupien, das sind umgerechnet EUR115,-.

Unser behandelter Teppich hat einen Durchschnittswert von EUR 1.300,-, bliebe er schief, von möglicherweise nur mehr EUR 750,-. Der beschrieben Aufwand beträgt EUR 30,- bis EUR 40,-. Unglaublich aber wahr."
aus Carpet Magazin 01/08 (Teppiche)