Schadensfall aus der Praxis
Massivdielen auf Fertigteilestrich wurden zum "Satteldach"
In einer Villa wurden auf einen im ersten Stock eingebauten Fertigteilestrich vollflächig massive Sucupira-Dielen geklebt. Nach einem halben Jahr waren jeweils in der Mitte der Fläche die Dielen einschließlich des Fertigteilestrichs hochgegangen. Mit der Begutachtung des Schadens wurde der Sachverständige Helmut Becker beauftragt. Er stellte fest, dass die Böden komplett saniert werden müssen, da die Estrichelemente den Formveränderungen des Holzes nicht standgehalten haben.
Im Zuge von Baumaßnahmen in einer unter Denkmalschutz stehenden Villa wurde auch der Fußboden im ersten Obergeschoss erneuert. Aus statischen Gründen entschieden sich die Verantwortlichen für die Verlegung von Fertigteil-Estrichplatten auf der alten Holzbalkendecke. Der Höhenausgleich erfolgte mit einer Trockenschüttung in einer mittleren Schichtdicke zwischen 40 und 50 mm. Auf die Ausgleichsschüttung wurden "EPS DEO-Polystyrolhartschaumplatten" verlegt, und darauf als Abdeckung eine Lage 12,5 mm dicker Gipsplatten.
Auf diesen ebenen Untergrund wurden vom Bodenleger Gipsfaser-Estrichelemente, bestehend aus 23 mm dicken Gipsfaserplatten und 10 mm dicken Holzweichfaserplatten (Verbundkonstruktion) angeordnet. Die Elemente wurden im Stufenfalz geklebt und geklammert. Auf diese Lastverteilungsschicht klebten die Bodenleger vollflächig mit einem PU-Klebstoff 22 mm dicke und 180 mm breite Sucupira-Massivholzdielen.
Satteldachförmige Aufwölbungen
Etwa ein halbes Jahr nach Bezug der Wohnung, im regenreichen Sommer 2007, stellten die Bauherren fest, dass in allen Räumen jeweils etwa in der Mitte der Fläche die Massivholzdielen satteldachförmig bis 4 cm hoch hochgegangen waren Durch Abklopfen war nachvollziehbar, dass sich in diesen Bereichen die Fertigteil-Lastverteilungsschicht mit aufgewölbt hatte.
Bei Belastung waren zudem geringe Auf- und Absenkungen sowie wackelnde Einrichtungsgegenstände festzustellen. Die Überprüfung der wandangrenzenden Randfugen zeigte, dass die Massivholzdielen in keinem Bereich am Wandputz anstießen, der darunter liegende Fertigteil-Estrich jedoch stramm anlag.
Auf Grund der im Freien herrschenden relativen Luftfeuchtigkeit von 80% lag die Luftfeuchte in den Räumen bei ca. 70%.
Fertigteilverbundkonstruktion gerissen
Die großflächige Öffnung der Fußbodenkonstruktion im Flurbereich zeigte, dass die Klebung der Massivholzdielen zur Oberfläche der Gipsfaserplatten keine Schwachzonen aufwies. Die Massivholzdielen hatten vielmehr die Fertigteilverbundkonstruktion mit hochgenommen. Weitere Prüfmaßnahmen im Randfugenbereich zeigten, dass der Bodenleger zur Wand 5 mm dicke PE-Streifen eingesetzt hatte, die jedoch fast vollständig zusammengedrückt waren. Die Gipsfaserplatten waren parallel zu den Längskanten in einem Abstand von 35 mm, der exakt der Stufenfalzbreite entsprach, gerissen.
Darr-Prüfungen von Proben aus allen Schichten der Fußbodenkonstruktion zeigten keine erhöhten Feuchtigkeitsgehalte. Ausnahme: Die Holzfeuchte der Sucupira-Dielen lag um 2,5% höher als die Ausgleichsfeuchte.
Mit der Verformung der Fußbodenkonstruktion und den gerissenen Gipsfaserplatten waren irreparable Schäden entstanden, die eine vollständige Erneuerung des Fußbodenaufbaus erforderlich machten.
Ungenügend biegesteife Unterkonstruktion
Ursache der Verformungen war, dass die Lastverteilungsschicht bzw. die 23 mm dicken Gipsfaser-Estrichelemente nicht in der Lage waren, das Quellen und Schwinden der Massivholzdielen zu kompensieren. Infolge der jahreszeitlich bedingten hohen Luftfeuchtigkeit hat bereits die zwei- bis dreiprozentige Feuchtezunahme der Massivholzdielen die Gesamtfußbodenkonstruktion aufgewölbt.
Hinzu kommt, dass im Bereich des Trockenestrichs statt der vom Hersteller vorgeschriebenen 10 mm nur 5 mm breite Randfugen angeordnet waren. Zudem hatte der Lieferant der Trockenestrich-Elemente diese nur für das Kleben mit Mosaikparkett und Mehrschichtparkett freigegeben. Werden andere Parkettarten, insbesondere großformatige Elemente, eingesetzt, muss laut Merkblatt der Produzent kontaktiert werden - was allerdings nicht erfolgte. Sowohl auf der Planerseite als auch seitens der jeweiligen Auftragnehmer (Trockenestrichverleger und Parkettleger) wurde in Eigenverantwortung die Klebung der Massivholzdielen wie auf einem mineralischen Estrich durchgeführt - ohne Bedenken anzumelden.
Alternative: zweilagige Lastverteilungsschicht
Da in der Villa aus statischen Gründen erneut ein Fertigteil-Estrich eingebaut werden musste, hat der Sachverständige in Absprache mit den Lieferanten einen alternativen Aufbau vorgeschlagen: Auf die Gipsfaserabdeckplatten der Dämmschicht wurde die Gipsfaserverbund-Trockenestrichplatte (23 mm dicke Gipsfaserplatte mit 10 mm dicker Holzfaserdämmschicht) unmittelbar aufgelegt. Darauf wurde vollflächig mit versetzten Fugen eine weitere 23 mm dicke Gipsfaserplatte (ohne Holzfaserunterschicht) vollflächig aufgeklebt und auch vollflächig geklammert.
Auf dieser deutlich dickeren und somit biegesteiferen Lastverteilungsschicht wurde eine für Parkett geeignete Unterlagsbahn verlegt und darauf vollflächig die Massivholzdielen geklebt. Die zweilagige Ausführung der Lastverteilungsschicht mit einer Gesamtdicke von mindestens 40 mm wird nach Meinung der Beteiligten dauerhaft den Anforderungen gerecht.
Der Autor: IFF Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öffentlich bestellter und vereidigter Berufssachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
Professor-Lübeck-Str. 8
36088 Hünfeld
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www.gutachter-becker.de
aus
Parkett Magazin 01/08
(Handwerk)