Kleiner Fehler - großer Schaden

Feuchtigkeit weckt Leben in Dämmstoffschüttung

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastetsten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um eine "lebende" Dämmstoffschüttung in einem Öko-Holzhaus.

Ein Bauherr ließ im Erdgeschoss seines Öko-Holzhauses in Flur/Diele, Küche und Bad auf einer vorhandenen Betonkellergeschossdecke einen Fertigteilestrich (Trockenestrich) einbauen. Auf dieser Konstruktion wurde die Verlegung von Feinsteinzeugfliesen durchgeführt. In weiteren Räumen des Erdgeschosses kamen auf Holzbalkenlage Seekiefer-Massivholzdielen zum Einsatz. Die Betonkellergeschossdecke im Erdgeschoss wurde etwa Anfang Dezember 2005 hergestellt und war dann bis etwa Mitte März 2006 der Witterung ungeschützt ausgesetzt. Die Fußbodenarbeiten wurden jeweils von Nachunternehmern des Holzhausherstellers entsprechend intern getroffener technischer Vereinbarungen durchgeführt. Ein Nachunternehmer baute im Erdgeschoss unter den Feinsteinzeugfliesen unmittelbar auf der Kellergeschossdecke eine 40 bis 50 mm dicke ökologische wärmedämmende Ausgleichsschüttung ein, die aus pflanzlichen Rohstoffen (Roggenschrot) bestand. Auf dieser wurde eine 8mm dicke Holzweichfaserplatte als "Schüttabdeckplatte" verlegt.

Auf der Oberfläche dieser Holzweichfaserplatten wurden 20 mm dicke Gipsfaserestrichelemente, die im Stufenfalzbereich geklebt und geklammert wurden, als Lastverteilungsschicht angeordnet. Der Verleger des Feinsteinzeugs verwendete eine Reaktionsharzgrundierung, in die er ein so genanntes Panzergewebe einlegte und es mit Quarzsand abstreute, bevor die Fliesen im Mittelbettmörtel verlegt wurden. Wandangrenzend wurde ein keramischer Stellsockel angebracht, der im Übergangsbereich zur Fliesenoberfläche elastisch verfugt und damit abgedichtet wurde.

Etwa vier bis fünf Monate nach Bezug des Gebäudes stellte man in den Eckbereichen von Flur und Küche deutliche Absenkungen der Fußbodenkonstruktion und eine permanente Geruchsbelästigung fest. Das Öffnen der Fußbodenkonstruktion ergab, dass die pflanzliche Ausgleichschüttung vollständig durchfeuchtet, regelrecht zermatscht und verklumpt war. Die gutachterliche Überprüfung ging den Ursachen auf den Grund.

Schadensbild - Abgesenkte Konstruktion und Gestank

In Abstimmung mit dem Generalbauunternehmer wurden der Fertigteilestrich und die Feinsteinzeugfliesen komplett entfernt. Die Behauptungen des Bauherrn bestätigten sich: Die Holzweichfaserplatte war deutlich durchfeuchtet. Die darunter liegende pflanzliche Schüttung war fühlbar feucht, matschähnlich verklumpt und wies in erheblichem Ausmaße Gewebefetzen eines Schimmelpilzes auf. Die nähere Überprüfung der stark stinkenden Schicht sorgte für unerwartete Überraschungen: In der Dämmstoffschüttung befanden sich lebende Maden und kleine Käfer. Überall in den Randbereichen an den Wänden und in den Übergangsbereichen zu angrenzenden Zimmern fanden sich stecknadelkopfgroße lebende, teils auch tote Käfer.

Der Sachverständige empfahl, die gesamte Fertigteilestrichkonstruktion einschließlich sämtlicher Substanzen der Ausgleichsschüttung vollflächig zu entfernen. Dieser Rückbau ergab, dass die Dämmstoffschüttung unmittelbar auf der Betonkellergeschossdecke ohne Feuchtigkeitsschutz aufgebracht worden war. Das Feuchtigkeitspotential der Fußbodenkonstruktion war enorm: Elektrische Feuchtigkeitsmessungen und Darr-Prüfungen gaben Aufschluss über die einzelnen Bestandteile. Die laut Hersteller bei etwa 8 % ausgleichsfeuchte Schüttung erreichte Feuchtigkeitsgehalte bis 50 %. Die Holzweichfaserplatte ergab einen erhöhten Feuchtigkeitsgehalt von ca. 22 % und die Fertigteilestrichelemente einen Wert bis 2,8 %.

Ein Raumtoxikologe überprüfte Proben der Ausgleichsschüttung und der Holzfaserplatten hinsichtlich Bakterien, Schimmelpilzen und Insekten und insbesondere auch im Hinblick auf eine Gesundheitsgefährdung. Die Untersuchung ergab, dass die stark durchfeuchtete Dämmstoffschüttung des Flures eine Vielzahl von Schimmelpilzen, Bakterien, Schmetterlingslarven und Diebeskäfern/Schimmelkäfern enthielt, die sich überwiegend von pflanzlichem Substrat ernähren.

Zusätzlich überprüfte der Sachverständige in den angrenzenden Räumen (Wohn-, Ess- und Gästezimmer) die Holzbalkendecke mit der Seekiefer-Dielenkonstruktion, da dort auch die pflanzliche Schüttung eingesetzt worden war. Glücklicherweise wiesen die Massivdielen, die dortige Ausgleichschüttung und die Holzbalken keine erhöhten Feuchtigkeitsgehalte und insbesondere auch keine Bakterien, Schimmelpilze und Insekten auf. Da sämtliche wasserführenden Rohre im Erdgeschoss dicht waren, kamen diese nicht als Ursache für die Feuchtigkeit in Betracht.

Ursache - Feucht gewordene Schüttung

Das Absacken der Fertigteilestrichkonstruktion war eindeutig auf die feuchte Ausgleichsschüttung zurückzuführen. Sie war zudem Nährboden für Schimmelpilze, Bakterien und Käfer, die eine Geruchsbelästigung und eine Gesundheitsgefährdung für die Bewohner bedeutete. Auslöser dieser Feuchtigkeitsansammlung war aufsteigende Feuchte aus der Betonkellergeschossdecke, die zum Zeitpunkt des Aufbringens der Fertigteilestrichkonstruktion erhöhte Feuchtigkeitswerte aufwies. Aufsteigende Feuchtigkeit aus jungen Geschossdecken ist in Fachkreisen bekannt, so dass es als allgemein anerkannte Regel des Fachs gilt, vor dem Aufbau einer Fußbodenkonstruktion auf solchen Geschossdecken einen Feuchtigkeitsschutz aufzubringen; wie dies z.B. auch in der Kommentierung zur DIN 18356 "Parkettarbeiten" beschrieben ist.

Außerdem beschreibt der Hersteller der pflanzlichen Ausgleichsschüttung in seinen Verarbeitungsrichtlinien, dass "frische Rohbaudecken" vor dem Aufbringen der Ausgleichsschüttung mit einer Feuchtigkeitssperre abzudichten sind. Dieses hat der Auftragnehmer der Fertigteilestrichkonstruktion missachtet. Da auf der Trockenestrichoberfläche eine Reaktionsharzgrundierung und eine relativ dichte Feinsteinzeugfliese verlegt und die wandangrenzenden Randfugen elastisch verfugt und somit abgedichtet wurden, konnte sich die Feuchtigkeit aus der Betongeschossdecke in der pflanzlichen Schüttung ansammeln. Anders war es unter den Massivdielen auf der Holzbalkenkonstruktion. Dort waren Fugen zwischen den Dielen und Randfugen vorhanden, so dass diese Konstruktion dauerhaft be- und hinterlüftet war und die Feuchtigkeit an die Raumluft abgegeben wurde.

Der Sachverständige empfahl, in den Schadensbereichen (Flur/Diele, Küche und Bad) die gesamte Fußbodenkonstruktion bis zur Betondecke vollflächig zu entfernen. Danach mussten die Betondecke und die angrenzenden Bauteile intensiv mechanisch gereinigt und zwangsgetrocknet werden. In Abstimmung mit einem Baubiologen, der eine Vor-Ort-Besichtigung durchführte, wurden sämtliche mit der Ausgleichsschüttung "in Berührung gekommene" Bereiche mit einer 5-prozentigen Wasserstoffperoxydlösung besprüht, wonach keinerlei Bakterien und Schimmelpilze mehr festgestellt wurden. Erst danach konnte mit dem Neuaufbau der Fußbodenkonstruktion begonnen werden - selbstverständlich in Verbindung mit einem Feuchtigkeitsschutz auf der Betonkellerdecke.

Verantwortlichkeit - Fertigteilestrichleger haftet

Der Verleger der Fertigteilestrichkonstruktion hat gegen die Verlege- und Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers der pflanzlichen Ausgleichsschüttung verstoßen. Außerdem hat er die allgemein anerkannten Regeln des Fachs im Hinblick auf einen wirksamen Feuchtigkeitsschutz auf der jungen und auch zu feuchten Betongeschossdecke missachtet. Damit ist er voll und ganz verantwortlich für den vollständigen Rückbau der vorhandenen Fertigteilestrichkonstruktion. Hinzu kommen die Kosten für Maßnahmen gegen den Schimmelpilz- und Bakterienbefall sowie der neuen Trockenestrichkonstruktion.

Vorgenannter Schadensfall hat eindrucksvoll gezeigt, dass es insbesondere bei der heutigen schnellen Bauweise nach Überzeugung des Sachverständigen erforderlich ist, einen Feuchtigkeitsschutz anzuordnen. Nur so können darüber herzustellende Fußbodenkonstruktionen - seien es pflanzliche Bauhilfsstoffe, Holzwerkstoffe, gipshaltige Werkstoffe und Klebstoffe - vor Feuchtigkeit geschützt werden.

Der Fall zeigt, dass ohne nennenswerten Zeitaufwand und Kosten durch eine Folienlage oder Abdichtungsebene immense Sanierungskosten hätten vermieden werden können.

Der Autor: Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.

IFF-Fußboden-Gutachter
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aus FussbodenTechnik 01/08 (Handwerk)