TKB: Vortrag von Torsten Grotjohann

Oberflächenbehandelte Linoleumbeläge - Anspruch und Wirklichkeit


Der Sachverständige Torsten Grotjohann ging Anspruch und Wirklichkeit von oberflächenbehandelten Linoleumbelägen auf den Grund. Seit vielen Jahren werden von der Industrie für elastische Bodenbeläge Oberflächenvergütungen angeboten. Während sie bei PVC-Bodenbelägen seit Jahren im Markt eingeführt und etabliert sind, werden mittlerweile auch Synthesekautschuk- und Linoleumbeläge mit entsprechenden Oberflächenvergütungen ausgestattet. Die "TOP 3" der Linoleumhersteller (Armstrong DLW, Forbo Flooring und Tarkett) bieten Linoleum mit Oberflächenvergütung an. Als Begründung für den Einsatz von Oberflächenvergütungen auf Linoleum werden Reinigungs- und Pflegevorteile und eine verbesserte Ökobilanz genannt. Kritiker sehen die Ursache für die Einführung von Oberflächenvergütungen eher im Emissionsverhalten von Linoleum hinsichtlich der erforderlichen Emissionsprüfungen und der Geruchsentwicklung.

Die Vielzahl der am Markt angebotenen Oberflächenvergütungen erscheint zunächst verwirrend. Vor allem Bodenleger haben in der Praxis Probleme, den Endverbraucher auf die unterschiedlichen Eigenschaften der verschiedenen Oberflächenvergütungen hinzuweisen - insbesondere die Vor- und Nachteile zu benennen.

Während sich Armstrong DLW und Tarkett eher auf Polyurethanmaterialien festgelegt haben, bietet Forbo Flooring eine spezielle Oberflächenvergütung mit der Bezeichnung "Topshield" an.

Durch die Oberflächenvergütung werden folgende Probleme aufgeworfen:

größere Wärme-/Hitze-Empfindlichkeit der Oberfläche, z.B. beim thermischen Verfugen
höherer Dampfdiffusionswiderstand des Bodenbelages,
Oberflächenspannungen des Bodenbelages mit entsprechenden Schüsselneigungen in den Nahtkantenbereichen,
geänderte Anforderungen an den Klebstoff und den Untergrund hinsichtlich Einlegezeitpunkt und Saugfähigkeit.

Auf folgende Punkte muss in der Praxis besonders geachtet werden:

bei Verlegung/Klebung und "Planlage" des Linoleums
Nahtkantenabdichtung im Rahmen der thermischen Verfugung
Reinigung und Pflege hinsichtlich der Wertschöpfung/Werterhaltung

Bezüglich der vollflächigen Verklebung von Linoleum ist zunächst darauf hinzuweisen, dass PU-/PUR-Oberflächenvergütungen zu Oberflächenspannungen des Belags führen können. Bei einzelnen Herstellern war zu beobachten, dass die Bodenbeläge an den Rändern bzw. in den Kantenbereichen eine definierte Schüsselneigung zeigen. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass Bodenbeläge nach der Verlegung in den Nahtkantenbereichen schüsseln und so genannte Stippnähte entstehen. Bewährte Klebstoffsysteme waren bisher nicht immer in der Lage, diese Schüsselungen bzw. Nahtkantenerhöhungen zu vermeiden. Folgerichtig führte beides auch zu Problemen beim thermischen Verfugen des Bodenbelages. Hier ist darauf zu achten, dass die Hitze des Schweißgerätes oder des Schweißautomaten nicht in einem so erheblichen Maße auf die Oberflächenvergütung einwirkt, dass Glanzspuren entstehen. In der Praxis treten diese Beeinträchtigungen eher bei PVC-Bodenbelägen auf, da hier eine thermische Verschweißung mit höheren Temperaturen stattfindet.

Außerdem führen Oberflächenvergütungen auch zu einem anderen Reinigungs- und Pflegeverhalten des Bodenbelages, als dies vorher bei herkömmlichen Versiegelungen bzw. Beschichtungen der Fall war. Als irritierend sind hier unterschiedliche Herstelleraussagen hinsichtlich der notwendigen Reinigungs- und Pflegemaßnahmen und der Lebensdauer der Oberflächenvergütung zu bezeichnen.

Bei der Reinigung und Pflege von Linoleum sorgen Oberflächenvergütungen mit Sicherheit für Vorteile, die nachfolgend - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - genannt werden:

- Reduzierung der Reinigungskosten (zeitlich begrenzt?)
- keine Ersteinpflege erforderlich
- erleichterte Pflege (zeitlich begrenzt?)
- verbesserte Öko-Bilanz (unter Berücksichtigung der Lebensdauer der Oberflächenvergütung);
- Schutz bei Transport und Verlegung.

Reinigungs- und Pflegeprobleme, die in der Praxis bei oberflächenvergüteten Linoleum-Belägen auftreten, sind nach Einschätzung von Grotjohann weniger auf die Qualität der Oberflächenvergütung zurückzuführen, auch wenn es hier unterschiedliche Lino-Rezepturen und Schwankungen zwischen den einzelnen Chargen gibt. Die Probleme in der Praxis entstehen eher aufgrund von Werbeaussagen, welche bei dem Endverbraucher eine andere Erwartung auslösen, als sie dann in der Praxis tatsächlich eingehalten werden kann.

Es ist davon auszugehen, dass Oberflächenvergütungen den Pflegeaufwand des Bodenbelages reduzieren können, solange die Oberflächenvergütungen funktionstauglich vorliegen. Eine Reduzierung des Reinigungsaufwandes darf jedoch in jedem Fall in Frage gestellt werden, da - unabhängig von einer Oberflächenvergütung - vorbeugende Maßnahmen zur Reduzierung des Schmutzeintrags immer erforderlich sind und eingetragener Schmutz in jedem Fall durch Reinigungsmaßnahmen entfernt werden muss.

Ein besonders kritischer Punkt ist hierbei die Aussage, dass auf unterschiedliche Oberflächenvergütungen eine lebenslange Gewährleistung gegeben wird. Beim Endverbraucher und beim Bodenleger wird der Eindruck erweckt, dass eine Oberflächenvergütung ein "Leben lang" hält. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Nutzungen in der Praxis, der unterschiedlichen Reinigungs- und Pflegemaßnahmen und insbesondere der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten kann eine pauschal gegebene "lebenslange" Haltbarkeit der Oberflächenvergütung durchaus zu berechtigten Beanstandungen führen. In der Praxis liegen häufig Reinigungs- und Pflegeanweisungen von Herstellern vor, die nicht absolut genau und produktspezifisch die notwendigen Reinigungs- und Pflegemaßnahmen für den jeweiligen Fall darstellen und erläutern.

Fazit: Oberflächenvergütungen auf elastischen Bodenbelägen - insbesondere auf Linoleum - müssen kein Nachteil sein. Es darf der Industrie unterstellt werden, dass Oberflächenvergütungen eher eine Weiterentwicklung der Produkte darstellen. Oberflächenvergütungen verändern jedoch die technischen Eigenschaften der Linoleum-Bodenbeläge und die sollten durch die Industrie auch an den Verarbeiter weitergegeben werden. Notwendig ist in jedem Fall eine Reduzierung der Oberflächenspannung durch die Oberflächenvergütung, so dass eine Planlage des Bodenbelages gegeben ist. Durch Werbeaussagen zu Reinigungs- und Pflegemaßnahmen darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass etwas "Unkaputtbares" verkauft wird, weil es sonst in der Praxis zwangsläufig zu Beanstandungen kommt.


Der Autor

Torsten Grotjohann ist von der Handwerkskammer zu Köln öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Bodenlegergewerbe und das Raumausstatterhandwerk.

Kontakt:
iff - Institut für Fußbodenbau
Torsten Grotjohann
Löhrstr. 131
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Tel.: 0261/915290
Fax: 0261/37134
aus FussbodenTechnik 03/08 (Handwerk)