Kleiner Fehler - Großer Schaden
Farbunterschiede durch vertauschte Teppichbodenbahnen
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Farbunterschiede durch vertauschte Teppichbodenbahnen.
Ein Bodenleger erhielt den Auftrag, in einem großen Industrieobjekt 700 qm Schlingenbahnenware in einem Bürotrakt auf dem dort vorhandenen Hohlboden mit einer Calciumsulfatfließestrichoberfläche zu verlegen. Nach dem Anschleifen und Grundieren des Estrichs sowie einer vollflächigen Spachtelung wurde die Klebung der Teppichbodenbahnen durchgeführt. Da die 4 m breiten und 18 m langen Bahnen aus Platzgründen nicht ins 2. Obergeschoss transportiert werden konnten, längte man den Belag passend ab und halbierte ihn in der Breite auf 2m. Auf diese Weise funktionierte der Transport über die Treppenhäuser und Aufzüge. Nach Beendigung der Teppichbodenverlegung reklamierte der Bauherr Farbdifferenzen in einzelnen Büroräumen. Besonders im Großraumbüro gab es auffällige Farbunterschiede und Farbabweichungen.
Da man sich im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Farbabweichungen vor Abnahme des Gebäudes nicht im Klaren war, wurde der Sachverständige mit einer gutachterlichen Überprüfung beauftragt.
Schadensbild: Bahnen weisen Hell-Dunkel-Unterschiede auf
Eine erste visuelle Beurteilung des verlegten Teppichbodens in den ersten Büroräumen ergab, dass die als Stand der Technik zu bezeichnende BEB-Kommentierung zur DIN 18365 "Bodenbelagarbeiten" und die allgemein anerkannten Regeln der Technik/des Fachs bei der Verlegung beachtet worden sind. Weitere Prüfmaßnahmen ungefähr in der Mitte des Großraumbüros ergaben jedoch deutliche Hell-Dunkel-Unterschiede bzw. deutliche Farbdifferenzen zwischen aneinandergrenzenden, etwa 2 m breiten Bodenbelagbahnen. In einigen kleineren Büroräumen waren ebenfalls geringe Farbdifferenzen festzustellen. Die Farbdifferenzen wurden mit Hilfe eines Graumaßstabes beurteilt.
Verwendet wurde der neunstufige Graumaßstab. Neben den Echtheitszahlen 1 bis 4 kann man dort auch noch die jeweiligen Zwischenstufen wie 2/3, 3/4, 4/5 usw. ablesen. Liegt die Echtheitszahl 5 vor, dann bestehen keine Farbabweichungen. Um eine Aussage machen zu können, wird der Graumaßstab auf die Nahtkante aufgelegt und solange verschoben, bis der tatsächlich vorliegende Farbtonunterschied ermittelt ist. Die Echtheitszahlen 5, 4/5 und 4 stellen fabrikationsbedingte und daher unvermeidbare Farbtonunterschiede dar, wobei es dann ab Stufe 3/4, 3, 2/3 usw. dem Sachverständigen obliegt, eine Wertminderung oder eine Neuverlegung des Teppichbodens vorzuschlagen.
Bei den einzelnen kleinflächigen Büroräumen waren insgesamt keine auffälligen Farbabweichungen erkennbar. Die Stoßbereiche der getrennten 4 m breiten Bahnen waren so dicht mit Kniespannern und Klammern aneinander gestoßen, dass man sie erstmal suchen musste. Dagegen zeigten angesetzte Streifen/Teilstücke der Teppichbodenbahnen in Randbereichen geringe Farbabweichungen. Diese konnten den Echtheitszahlen 4/5 und 4 zugeordnet und somit als fabrikationsbedingte und unvermeidbare Farbtonabweichungen bezeichnet werden. Die Kontrollen der Florrichtung/Verlegerichtung des Belages und der Nahtkanten ergaben eine dem Stand der Technik entsprechende Verlegung der Bahnen in den einzelnen Büroräumen.
Die ersten Bahnen im Großraumbüro wiesen eher geringe unbedeutende Farbdifferenzen etwa im Bereich der Echtheitszahl 4/5 auf. Dies änderte sich schlagartig in der Mitte des Großraumbüros. Die dort verlegten 2 m breiten Teilstücke zeigten deutliche Farbabweichungen mit auffälligen Hell-Dunkel-Unterschieden zu den angrenzenden Bodenbelagbahnen. Die Bewertung mit dem Graumaßstab ergab bedenkliche Farbabweichungen der Echtheitszahl 3, teilweise sogar 2/3.
Ursache: Vertauschen der linken und rechten Hälften der Teppichbodenbahnen
Der Verleger gab an, dass produktionsbedingte Probleme bei der Bodenbelagsherstellung für die auffälligen Farbdifferenzen verantwortlich waren. Diese Behauptung konnte sich nicht bestätigen. Weitere Prüfungsmaßnahmen ergaben, dass die Verlegerichtung der betroffenen textilen Bodenbelagsbahnen richtungsgleich war. Beide Teilstücke wiesen Breiten von nur 1,70 m auf. Bei einer vollständigen Produktionsbreite von 4 m waren die Teilstücke also gekürzt worden. Beide Bodenbelagbahnen wiesen untereinander im Bereich des Trennschnitts genauso Farbabweichungen auf wie zu den angrenzenden Bodenbelagsbahnen.
Eine Kontrolle im wandangrenzenden Kopfbereich an den Bodenbelagsnähten ergab, dass an der Rückseite des Teppichbodens die Kennzeichnung der Produktionskante fehlte. Diese Kennzeichnung war jedoch im Bereich der Trennschnitte in der Mitte der Belagsbahnen vorhanden. Damit war für den Sachverständigen klar nachvollziehbar, dass die getrennten Bodenbelagsbahnen beim Transport verwechselt wurden. Es hätte die linke Produktionskante einer Teppichbodenbahn mit einem Nahtschnitt an die rechte Produktionskante der angrenzenden Bodenbelagbahn angesetzt werden müssen (vgl. Grafik). Stattdessen wurde zur angrenzenden gleichfarbig vorliegenden Fläche die Nahtkante im Bereich des Trennschnitts (Bahnenmitte) hergestellt.
Beim Transport sind somit die linken und rechten Hälften der Teppichbodenbahn vertauscht worden, so dass daraus zwangsläufig die festgestellten deutlichen Farbabweichungen resultieren. Dies erstaunt nicht, da in der Praxis tatsächlich häufig festzustellen ist, dass Teppichbodenbahnen von einer zur anderen Seite ein Farbgefälle aufweisen.
Verantwortlichkeit: Verlegefehler des Bodenlegers
Da das an den Empfangsbereich angrenzende Großraumbüro auch von Kunden frequentiert wird und somit die optischen Anforderungen an das Gesamtbild höher einzustufen sind, als in den angrenzenden abgeschlossenen Büroräumen hat der Sachverständige in seinem Gutachten vorgeschlagen, eine vollständige Neuverlegung in dem Großraumbüro durchzuführen, da keine original chargengleiche Ware mehr vorhanden war.
Die Verantwortlichkeit für den Austausch des Teppichbodens in dem Großraumbüro liegt ganz klar beim Bodenleger, da eindeutig ein Verlegefehler vorliegt. Nahezu sämtliche Verlegeanleitungen von Belagsherstellern (mit geringen Ausnahmen) als auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik/des Fachs beschreiben, dass textile Bodenbelagsbahnen neben einer richtungsgleichen Verlegung mit einem fachgerechten Nahtschnitt an der Produktionskante zu verlegen sind.
Bei genauer Kennzeichnung der Bahnen hätte das Vertauschen der geteilten Bodenbelagbahnen leicht vermieden werden können. Die aus "Bequemlichkeit" vorgenommene Verkleinerung der Gesamtbreite der ehemals 4m breiten Bodenbelagsbahnen hat für eine nicht hinzunehmende Farbabweichung im Bauvorhaben gesorgt, die erhebliche Kosten nach sich zieht.
In den Räumen und Teilflächenbereichen, wo nur geringe Farbunterschiede mit den Echtheitszahlen 4 und 4/5 festgestellt wurden, hat der Sachverständige diese als materialspezifisch/produktionstechnisch unvermeidbar bezeichnet und somit diese Flächen als mangelfrei eingestuft.
Der AutorHelmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.
IFF-Fußboden-Gutachter Helmut Becker
Professor-Lübeck-Straße 8
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FussbodenTechnik 03/08
(Handwerk)