Ursprungsland
Nepal - Mao statt Monarchie?
Nach 240 Jahren als Königreich und zwölf Jahren blutigem Bürgerkrieg ist Nepal seit dem Jahresende 2007 offiziell eine Republik. Ruhe und Ordnung herrschen im schmalen Himalaya-Staat aber deshalb noch lange nicht - was auch den Teppichhandel nach wie beeinträchtigt.
Es war 2001 ein Medienereignis: Der nepalesische König Birendra wurde mitsamt seiner Familie beim Abendessen im Königspalast vom Kronprinzen Dipendra erschossen. Auf dem nepalesischen Thron saß seitdem mit Gyanendra, dem Bruder Birendras, ein Mann, der einen harten Kurs vor allem gegen die maoistischen Rebellen verfolgte, die schon damals rund die Hälfte des Staatsgebiets kontrollierten: Als oberster Armeechef setzte Gyanendra allein auf eine militärische Konfliktlösung und beschnitt stetig den ohnehin geringen Spielraum von Parlament und Premierminister. Im Frühjahr 2005 rief der König den Notstand aus, was die Lage im Lande weiter anspannte.
Unterschiedliche Interessen
Im Frühjahr 2006 eskalierte die Lage: Die Wut der Bevölkerung über das Vorgehen des Königs verstärkte sich; Streiks und Demonstrationen legten das Land nahezu lahm. Innen- und auch außenpolitisch so unter Druck geraten, musste Gyanendra der Wiedereinsetzung des Parlaments und seiner faktischen Entmachtung zustimmen.
Auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie ist dies aber nur ein Anfang: Scharf geführte politische Auseinandersetzungen zwischen Maoisten, Royalisten und zahlreichen anderen Parteien, wilde Streiks, Korruption und Einschüchterungen sind allgegenwärtig und führen immer wieder zum partiellen Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Besonders Teile der ehemaligen maoistischen Kämpfer agieren nach wie vor mit kriminellen Methoden und schrecken auch vor Entführungen und sogar Mord nicht zurück.
Im November 2007 waren es vor allem die Maoisten, die die eigentlich geplanten Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung verhinderten, indem sie die sofortige Abschaffung der Monarchie und ein geändertes Wahlrecht zur Vorbedingung erklärten. Überraschend einigten sich Maoisten und die anderen Parteien am Jahresende 2007 doch noch auf einen formellen Beschluss zur Abschaffung der Monarchie.Die Wahl fand im April 2008 statt. Der knappe Sieg der Maoisten sorgte für eine wieder etwas entspanntere Situation im Land.
Schwierige Teppichproduktion
Keine Frage: Diese unsichere politischen Situation wirkt sich natürlich auch auf die Produktion von Teppichen aus. Von diesem wichtigen Wirtschaftszweig Nepals leben zahlreiche Bewohner des Landes direkt oder indirekt.
Größtes Hindernis im Himalaya-Staat ist die nach wie vor heikle Transportfrage. Denn die "Lebensader" des Landes, die Straße von der Hauptstadt Kathmandu nach Indien und weiter zum Hafen Kalkutta, führt durch die maoistische Hochburg des Tarai-Gebiets. Hier kam es in der Vergangenheit oft zu längeren Blockaden und bewaffneten Überfällen. Sind über diese Straße keine Teppichtransporte möglich, so bleibt nur die Ausfuhr per Flugzeug. Das ist teurer und die Kapazitäten sind begrenzt.
Erschwerend kommt hinzu, dass an manchen Tagen eine geordnete Knüpfarbeit schon allein dadurch unmöglich wird, dass brennende Barrikaden den Weg zur Arbeit komplett versperren, Ausgangssperren gelten, Schutzgelderpressungen zur (zumindest vorübergehenden) Betriebsschließung führen oder der ständige Treibstoffmangel den Warenfluss stocken lässt.
Durch den Einfluss der Maoisten und gewerkschaftliche Aktivitäten gelten für die Teppichherstellung offizielle Lohnuntergrenzen. Die gestiegenen Lohnkosten haben vor allem gewohnte Absatz- und Vertriebsstrukturen von bisher extrem preisgünstiger nepalesischer Teppich-Massenartikel, wie Container- bzw. Stock-Ware, kräftig durcheinanderwirbelt. Viele langjährig in diesem Bereich tätige Produzenten vor Ort können oder wollen ihre Knüpfer unter diesen geänderten Vorzeichen nicht mehr beschäftigen. Die Preise stiegen zum Teil dramatisch an - bis zu 25%.
Die Probleme, die durch diese Situation entstanden sind, liegen aber eher bei Importeuren, die ihre Waren bisher mit "äußerst spitzem Bleistift" kalkuliert und beschafft haben, weniger die Teppich-Importeure die nachhaltiger arbeiten. Wer auf langfristige Zusammenarbeit mit nepalesischen Partnern vor Ort gesetzt hat und auch auskömmliche Preise bezahlt hat, findet sich besser mit der aktuellen Situation zurecht. Ein wichtiger Vorteil für Einkäufer aus den Euro-Ländern ist der schwache Dollar. Die gestiegenen Kosten in Nepal werden durch den sinkenden Dollarkurs abgefedert. Da sich aber auch das Verhältnis Dollar / Rupie für die Manufakturen negativ entwickelt, ist eine Entwicklung zum Euro hin zu beobachten.
Die Abnehmer gezielt bestellter und produzierter Orderware leiden schon seit Jahren unter den labilen Verhältnissen. Mit wechselnden Ansprechpartnern, längeren Lieferfristen oder oft unklaren Geldflüssen gilt es zu kämpfen - und was die nahe Zukunft bringt, lässt sich derzeit kaum verlässlich voraussagen.
Obwohl die Marktbedeutung, ebenso wie die gesamten Produktionszahlen der Nepalteppiche, in den vergangenen Jahren insgesamt zurückgegangen ist, bleibt die ehemalige Monarchie, jetzt und in der Zukunft, ein zentraler Faktor des internationalen Teppichhandels. Denn weltweit existiert kein Land, das in diesem Bereich so flexibel auf die Anforderungen des globalen Marktes reagieren und damit schnell aktuelle Muster, Trends und Dessinierungen aufgreifen und in hoher Qualität nach Kundenwunsch umsetzen kann. Diesen guten Ruf hatte sich Nepal schon in der Vergangenheit erworben, verteidigt ihn derzeit trotz unübersehbarer Turbulenzen und wird ihn deshalb wohl auch in die Zukunft hinein retten.
aus
Carpet Magazin 03/08
(Teppiche)