Eine Untersuchung von Ralf Eisermann

Die Laminatbodenstandorte in Europa


Der Laminatfußboden hat seinen industriellen Anfang in den 80er Jahren in Europa gefunden. Verschiedene Hersteller hatten sich eher weniger erfolgreich an der Beschichtung von Holzwerkstoffplatten als Fußbodenpaneel versucht, bis die Kombination Pergo als Hersteller und Ikea als Vertriebskanal Ende der 80er Anfang der 90er Jahre den Durchbruch schaffte. Seitdem hat dieses Produkt eine wohl einmalige Entwicklung vollzogen. Permanente Verbesserungen im Design, den Gebrauchseigenschaften, der Installation und in der Fertigung haben dies begründet. Experten schätzen heute die weltweite Produktion auf über 900 Mio qm und sehen einen hochdynamischen Markt.

Grund genug für die Leser des ParkettMagazins eine Übersicht der europäischen Standorte zu entwickeln, um diese etwas näher zu beleuchten. Aus diesem Grund wurden die Hersteller gebeten, Auskunft über ihre Standorte zu geben. Wo dies nicht ausreichte, haben wir Experten befragt, eigene Recherchen angestellt und damit ergänzt. Die daraus entstandene Übersicht kann daher keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit und Vollständigkeit erheben, vielmehr zeigt sie im Wesentlichen die Stärke der europäischen Hersteller auf und dient somit als Richtschnur und Überblick. Weiterhin haben wir mehrere Standorte eines Herstellers oder einer Unternehmensgruppe - wo sinnvoll - gebündelt.

Für die Teilnahme der Hersteller möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken. Sollten Ergänzungen in der Redaktion eingehen, werden diese gerne beim nächsten Mal berücksichtigt.

Tabellarische Übersicht

- Die einzelnen Angaben beruhen auf der Beantwortung eines Fragebogen, der an die Hersteller gegangen ist.
- Um die Darstellung übersichtlich zu halten, haben wir bei Herstellern mit weniger als 2 Mio. qm Kapazität einen Cut gemacht.
- Ein Feld mit einem Punkt steht für "keine Herstellerangabe", ein leeres Feld steht für fehlende Information.
- Alle Angaben der Hersteller wurden übernommen (in schwarz). Selbst wenn unsere Experten manches Detail anders sahen, blieb die erteilte Herstellerangabe bestehen.
- Die fehlenden Werte haben wir - wo möglich - über Expertenbefragung ergänzt (in blau). Als Experten dienten Branchenfachleute mit jahrelangen erstklassigen Erfahrungen in der Laminatindustrie. Somit waren Überkreuzprüfungen möglich.
- Am Anfang hatten wir noch mehr Kennzahlen abgebildet. Die Tabelle wurde immer komplexer und unübersichtlicher, so haben wir uns zum Schluss für ein Mehr an Klarheit durch Weglassen entschieden.
- Die kleineren Hersteller wurden genauestens untersucht und dann in einem Block zusammen gefasst.
- Als ein Extra sind die türkischen Standorte mit in die Untersuchung gekommen. Wer sich diese Zahlen anschaut, wird sehen warum.
- Mit in die Untersuchung ein ging auch die Zuordung der Locking-Lizenzen. Alleine dies ist ein abendfüllendes Thema, wir beschränken uns auf die einfache Angabe des Hauptlizenzgebers. Dies hat produktionstechnisch nicht unbedingt etwas mit der eingesetzten Profilausführung zu tun, zeigt aber, wer wo Zuhause ist.

Natürlich ist die Auslastung immer eine wesentliche Frage. Viele Hersteller haben uns hier sehr offen informiert. Erkennbar ist für 2007 eine klare Unterlast vom Standpunkt der Vollproduktion aus betrachtet. Dies spiegelt sich dann auch in den entsprechenden Schichtmodellen wieder.

Ebenso war uns wichtig, zu sehen, wer auf welche Oberflächenausführung setzt. Die Melaminbeschichtung über Kurztaktpressen oder Contibeschichtung hat als Standard in den letzten Jahren mit der Lackiertechnik und mit Kaschierfolien Alternativen gefunden. HPL taucht nur noch als Spezialnische auf. Die Elektrostrahlhärtung haben wir, weil lange etabliert, wie Melamin betrachtet.

Das Alter der Anlagen je Standort ist ein Mittelwert aus allen Anlagen. Die Betrachtung bezieht sich auf 2007 als vollständiges Jahr . Somit konnten die Entwicklungen aus 2008 bei Redaktionsschluss nicht berücksichtigt werden.

Beurteilung

Im Prinzip soll die Übersicht als Arbeitsgrundlage dienen, aus der sich jeder Zahlen und Fakten ableiten kann. So können wir ablesen, dass sich 152 Fertigungslinien in Europa befinden. Diese Anlagen verfügen über eine Gesamtkapazität von mehr als 909 Mio. qm Laminat.

607 Mio. qm Laminat wurden in 2007 produziert, was 2/3 der Kapazität bzw. der Auslastung entspricht. Von Vollproduktion kann somit nach boomenden Jahren nicht mehr gesprochen werden. Für die Beschichtung außerhalb des Melaminstandards gibt es für Lackbeschichtung 3 Anlagen, die ca. 50 Mio. qm Kapazität haben und für Folienbeschichtung sind 6 Anlagen im Markt, die zusammen sicherlich auch für nochmals 50 Mio. qm Kapazität stehen. In wieweit diese Anlagen tatsächlich ausgefahren wurden, ist nicht bekannt. Sicherlich kann man aber diesen beiden - für Laminat eher neuen Techniken - um die 8% Marktanteil in qm zutrauen. Dies ist auf den ersten Blick ein erstaunlicher Wert, allerdings ist die Mehrheit dieser Anlagen schlank im Layout und für reine Massenproduktion ausgelegt. Das rückt es in ein realistisches Licht.

Wir fanden insgesamt 58 Industriestandorte inkl. 14 kleinere Newcomer. Deutschland ist mit brutto ca. 400 Mio. qm das Land mit der höchsten Kapazität. Das ist sicherlich nicht überraschend, wie auch Belgien mit 98 Mio. qm an zweiter Stelle liegt. Besonders zu beachten ist die Türkei mit 67 Mio. qm Kapazität an dritter Stelle. Die Türkei hat sich hierdurch still und leise zur feinen Nr. 3 in Europa entwickelt, denn im Mittel weist sie auch noch die modernste Anlagentechnik auf. Mit einem Durchschnittsalter von nur gut 4 Jahren liegt sie klar vorne. Da tut sich also eine neue Kraft auf.

Der Trend in Sachen Ausführung und Ausstattung des Produktes geht eindeutig in Richtung "Vollanbieter". Daher ist es nur logisch, dass Unternehmen mit mehreren Standorten nicht alles an jedem Standort fertigen. So genannte Einstandortunternehmen vereinen umgekehrt alles unter einem Dach. Als Ausnahme hierbei kann man sicherlich die Fa. Faus sehen, die ihren Fokus weiter auf Fliesen/Spezialitäten setzt.

Fazit

Europa ist und bleibt das Zentrum der Laminatfußbodenfertigung, denn neue Standorte in Osteuropa oder der Türkei sind dazu gekommen und stärken dieses Bild. Eine gewisse "Veralterung" der Anlagen in Westeuropa ist sicherlich erkennbar. Allerdings macht hier der satte Markt große Investitionen nicht mehr wirklich nötig.

Allein 9 der insgesamt 59 Standorte haben schon heute ein gemitteltes Anlagenalter von gleich oder höher 10 Jahre. Das ist nicht wenig, wenn man sieht, was für gewaltige Sprünge in der Anlagentechnik in dieser Zeit stattgefunden haben. So hat sich alleine die Vorschubgeschwindigkeit mehr als verdoppelt.

Beeindruckend ist nochmals die Bruttokapazität von 909 Mio qm, schätzen doch Experten den weltweiten Absatz von Laminat auf die gleiche Größenordnung. Europa könnte somit den aktuellen Weltbedarf in der Theorie abdecken. Auch ein schönes Zahlenspiel, wie sich sicherlich noch viele andere Interpretationen aus unserer Tabelle ableiten lassen.
aus Parkett Magazin 01/09 (Bodenbeläge)