Laminatböden im Blickpunkt
Mythen, Irritationen und ein Generationswechsel mit Hindernissen
Domotex und Laminatböden - keine andere Messe ist mit dem Belagsegment so eng verbunden, auch wenn sich die Reihen der Aussteller in diesem Jahr stark gelichtet hatten. Als das junge Produkt 1991 in Hannover seinen weltweiten Siegeszug startete, verkörperte ein einziger Hersteller die "Branche": Das schwedische Unternehmen Perstorp Flooring, besser bekannt unter seiner Marke Pergo.
von Ulrich BaumertViele erinnern sich noch an den beispiellosen Höhenflug der Schweden; Pergo war damals so etwas wie der Gattungsbegriff für Laminatboden. Managementfehler und die Konzentration auf andere Märkte ließen es Ende der 90er zumindest in Deutschland still um das Unternehmen werden. Bis März 2007 sollte es dauern, dass der Name Pergo wieder für Schlagzeilen sorgte. Die Übernahme durch Pfleiderer für stattliche 300 Mio. EUR ließ Großes erwarten. Indes, wer geglaubt hatte, dass es nun mit Riesenschritten voran gehen würde, sah sich getäuscht.
Ein erstes Signal zum Aufbruch gab es dann endlich mit der Anpassung der Personalstruktur im September 2008. Die Schlüsselposition als CEO für die kompletten Laminatboden-Aktivitäten bei Pfleiderer wurde Ralf Eisermann übertragen. Der 46-Jährige ist einer der erfahrensten Manager der Laminatbranche, hat sowohl bei Classen wie bei Sonae / Tarkett richtungweisende Produktionskonzepte für Laminatböden umgesetzt, was ihm branchenweit hohe Reputation einbrachte. Bei Pfleiderer berichtet er direkt an Konzernchef Hans H. Overdiek.
Pergo weltweit auf Kurs zu bringen, ist eine enorme Herausforderung - besondere Schwierigkeiten gibt es in Deutschland, wo der Absatz inzwischen 180.000 qm kaum übersteigen dürfte. Zugegeben: 450 bewilligte und angemeldete Patente sowie 300 eingetragene Warenzeichen sprechen für sich. Die Produkte besitzen herausragende Qualität, vielleicht sind es sogar die besten der Welt.
Doch bei aller Wertschätzung der Marke und ihrem exzellenten Klang: Vieles bei Pergo wurde zum Mythos verklärt.
Anfang der 90er Jahre hatten die Schweden als Hersteller von Hochdruck-Schichtpressstoff eine Alleinstellung am Markt. In Deutschland erfolgte der Vertrieb exklusiv über ein halbes Dutzend Großhändler, denen die Produkte buchstäblich aus der Hand gerissen wurden. Von aktivem Verkauf konnte nicht die Rede sein; es war ein Verteilungsprozess bei exorbitanten Gewinnspannen. Diese geradezu paradiesischen Zustände wird es nie wieder geben.
Andere Produzenten haben längst nachgezogen und eigene Stärken entwickelt. Dennoch hat Pergo Chancen für eine Renaissance. Sofern man Durchhaltevermögen besitzt und bereit ist, zu investieren. Das scheint der Fall zu sein, denn: "Nicht kleckern, sondern klotzen" lautet das Gebot der Stunde. In Berlin soll noch in der ersten Jahreshälfte ein Kompetenzzentrum eröffnet werden, dem schnellstmöglich ein Produktionsstandort in Zentraleuropa folgen muss, um aus eigener Fertigung Alternativen zu den hochpreisigen Spezialitäten zu bieten. Und spätestens 2011, also 20 Jahre nach der Domotex-Premiere, sollte in Hannover wieder einmal Flagge gezeigt werden - als offizieller Aussteller mit einem adäquaten Messestand.
Auch Tarkett lebt mit einem Mythos: Als "Weltweit die Nr. 1 in Holzfußböden", bezeichnete sich der Hersteller einstmals; eine Aussage, die sich auf Parkett bezog. Noch Mitte der 90er Jahre wetteiferte das Unternehmen am deutschen Markt in Augenhöhe mit Hamberger (Marke Haro), um sich dann Schritt für Schritt in die Bedeutungslosigkeit zu verabschieden. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war eine endlose Kette von Fehlentscheidungen im Top-Management.
Im Jahr 2000 signalisierte Tarkett seine Ambitionen auf dem Sektor Laminatboden. In Kooperation mit Egger wurde die Produktionsgesellschaft ETS gegründet. Unerklärlicherweise hat es Tarkett nie verstanden, dieses Geschäftsfeld zu kultivieren und als bedeutender Anbieter wahrgenommen zu werden.
2006 folgte ein weiterer Versuch,sich in diesem Segment zu profilieren: Im saarländischen Eiweiler wurde der "Agepan Tarkett Laminate Park" errichtet, ein Joint Venture zur Laminatbodenproduktion mit dem portugiesischen Holzwerkstoffproduzenten Sonae Indstria. Bedauerlicherweise blieb es bis zum heutigen Tag selbst Brancheninsidern verborgen, welche Produkte dort produziert werden. Dabei ist die vollstufige Fertigungseinheit ein technisches Schmuckkästchen und wartet darauf, als solches wahrgenommen zu werden.
Immerhin hat sich Tarkett unlängst bei Parkett und Laminat personell mit Profis verstärkt und eine neue Strategie für Parkett verabschiedet. Als bevorzugte Zielgruppe wurde inzwischen der Holzhandel ausgemacht, vor allem auch deshalb, weil sich der neue Vertriebsleiter Albert Waibel in diesem Metier bestens auskennt. Zwischen 200 und 250 "gute Einzelhändler" und zehn bis zwölf Großhändler sollen akquiriert werden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass man Tarkett, zumindest punktuell, auf dieser Vertriebsschiene wahrnehmen wird. Laminat soll als nächstes in Angriff genommen werden - für 2010 kündigte Tarkett-Zentraleuropa-Geschäftsführer Ivo Schintz eine umfassende Erneuerung der Kollektion an.
Sie beherrschen fast jede Technologie und sind unbestrittene Kostenführer, also Laminatbodenhersteller mit der wirtschaftlichsten Produktion: die "Kronos". In diesem Jahr waren die zum Konglomerat der österreichischen Industriellenfamilie Kaindl zählenden Firmen auf den Leitmessen zwar nur spärlich, aber überaus effizient vertreten.
Gewissermaßen als Platzhirsch präsentierte sich Kronoflooring in Hannover. Der Messestand des im ostdeutschen Lampertswalde ansässigen Unternehmens wurde an Größe von keinem Branchenteilnehmer übertroffen. Dazu trumpfte der Anbieter mit bemerkenswerten Neuheiten auf, beispielsweise Laminatböden, deren Dekor im indirekten Tiefdruck hergestellt wird. Ein Novum: Mit Geschäftsführer Harald Pichler trat sogar ein Entscheider vor die Fachpresse. Nicht auszudenken, wenn sich das Unternehmen seit jeher von dieser Seite präsentiert hätte.
Auch der Messestand von Witex gehörte zu den Glanzlichtern der Domotex. Das Unternehmen setzte nicht nur auf dem Boden gestalterische Akzente, sondern ganz nebenbei auch an der Wand - mit Tapeten aus der "Esprit"-Kollektion von AS Création. Die Ostwestfalen sprühten nur so vor neuen Ideen, sorgten aber auch für Irritationen. Noch vor einem Jahr ließen sich die Augustdorfer als Lieferant eines Spezialbodens für das Porsche-Museum in Zuffenhausen feiern: 4.000 qm à 400 EUR. Aber: In der Branche wird kolportiert, dass das Prestige-Projekt massive Probleme bereitet. Statt "Ruhm und Ehre" stehe jede Menge Ärger ins Haus... Von Witex gab es dazu auf Anfrage leider bislang keinen Kommentar.
Das Unternehmen Meisterwerke Schulte hatte sich das Sommerloch 2008 ausgesucht, um firmeninterne Turbulenzen beizulegen. Was Branchenkenner wussten: Der schon vor einigen Jahren eingeleitete Generationswechsel vollzog sich alles andere als reibungslos. Juniorchefin Anja Schulte und ihr Ehemann haben sich inzwischen aus dem operativen Geschäft zurückgezogen.
Im Sommer hatte sich Anja Schulte aus privaten Gründen eine Auszeit genommen, war aber Geschäftsführerin geblieben. "Operative Verantwortung für ein Produktionsunternehmen in diesen Zeiten ist mehr als eine Vollzeitaufgabe. Die letzten Monate haben gezeigt, dass ich das nicht leisten kann. Da ist es nur konsequent, sich aus der Geschäftsführung zurückzuziehen. Meine Prioritäten setze ich vorerst im privaten Bereich", begründete die 34jährige Mutter ihren Schritt. Solch eine offene Kommunikation würde man sich auch von anderen Firmen wünschen.
Ihr Bruder Guido Schulte, bisher technischer Leiter, und Ludger Schindler, langjähriger Vertriebsleiter der Meisterwerke, der als EPLF-Präsident hohes Ansehen genießt, wurden Anfang Februar zu Geschäftsführern berufen. Mehrheitseigner Johannes Schulte hätte keine bessere Wahl treffen können. Mit Geschick und Weitsicht hat der Vollblutunternehmer sein Lebenswerk auf eine erfolgreiche Zukunft ausgerichtet.
Für 2009 fühlt sich der sauerländische Hersteller gut gerüstet. Auch die junge, 2002 entstandene Marke Schulte Räume soll, allen Unkenrufen zum Trotz, weiterhin Bestand haben. "Unsere Entwickler haben für die Domotex 2010 einige Überraschungen in der Pipeline", betont Ludger Schindler. Gerüchte, wonach Schulte Räume nach dem Ausstieg der Gründerin keine Zukunft mehr habe, weist Schindler zurück: "Wir investieren weiter in die Marke, die von Anfang an Teamwork war. Dass Anja Schulte die weitere Entwicklung jetzt aus der Perspektive einer Gesellschafterin begleiten wird, kann die Entwicklung des Labels nicht bremsen. Wir haben mehr Ideen in petto als je zuvor."
aus
BTH Heimtex 02/09
(Bodenbeläge)