Strukturwandel
Wettbewerb zwischen den Handelsformaten
Köln - Die deutsche Handelslandschaft hat sich seit Ende der 1990er-Jahre mit zunehmender Geschwindigkeit verschoben: vom traditionellen Fachhandel, von den Outlets des Lebensmitteleinzelhandels und den Kauf-/Warenhäusern in Stadtteilzentren hin zu den Autostandorten der großen Systemanbieter, der Fachmärkte, Discounter sowie SB-Warenhäuser/Verbrauchermärkte. Immer weniger kleinen Anbietern stehen immer mehr große Systemanbieter gegenüber - und diese sind an ein notwendiges minimales Einzugsgebiet gebunden.
Der Fachhandel im weitesten Sinne "leidet" an der Übermacht der preisaggressiven Großflächen, in dessen Richtung sich die Nachfrage verlagert hat. Der deutliche Anstieg der Ausgaben für Miete, Energie und sonstige Verwendungszwecke wie beispielsweise für Gesundheits- und Körperpflege oder Dienstleistungen hat dazu geführt, dass nur noch 30 Prozent der privaten Ausgaben auf den Einzelhandel entfallen.
Besonders seit der Jahrtausendwende musste der Einzelhandel äußerst enttäuschende Jahresabschlüsse hinnehmen. Die anhaltende Konjunkturkrise, steigende Arbeitslosenzahlen sowie die Auswirkungen des 11. September 2001 wurden deutlich spürbar. 2002 hat sich die Situation mit einem nominalen Minus von 1,8 Prozent geradezu zugespitzt. Zeitgleich haben sich die Strukturen verschoben, in der letzten Dekade deutlich massiver als jemals zuvor - ein Indiz für zunehmende Innovationsgeschwindigkeit und Aggressivität im Wettbewerb.
Zu den Gewinnern der Krise zählen auf kleiner Basis aber mit dreistelligen Wachstumsraten E-Commerce, mit deutlichem Abstand gefolgt von den Fachmärkten, Fachdiscountern, den Lebensmitteldiscountern und den sonstigen Betriebsformen, zu denen primär Nichthändler zählen. Verlierer sind der Facheinzelhandel (nicht filialisiert), Kauf- und Warenhäuser, Supermärkte sowie die traditionellen Lebensmittelgeschäfte.
Dieses ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die deutschen Konsumenten aufgrund tatsächlich oder vermeintlich leerer Geldbeutel und verstärktem Vorsorgesparen einen immer geringer werdenden Teil der Konsumausgaben im Einzelhandel verwenden. Zudem agieren sie ausgesprochen preissensibel - und das gilt für die deutschen Verbraucher stärker als für alle anderen in Europa und USA. Dadurch konnten preisaggressive Verkaufsformen in den letzten Jahren starke Umsatzzuwächse realisieren und dies auf Kosten anderer Formate.
Allerdings kommen noch andere Faktoren hinzu: Die Discounter gelten in Deutschland mittlerweile, forciert durch die Euro-Einführung 2002, als chic - frei nach dem Motto: "Wer zu früh kauft, den bestraft das Sonderangebot." Andererseits macht sich eine vorsichtige Gegenbewegung bemerkbar - Premiummarken erleben einen vorsichtigen Aufschwung; Convenience und Erlebnis stehen ebenfalls hoch im Kurs. Eine detaillierte Analyse der Handelsbetriebsformen bezogen auf den Einzelhandelsumsatz im engeren Sinne bestätigt diese Tendenzen: Traditionelle Formate verlieren.
Dagegen gewinnen die stärker preisorientierten Handelsformate, sprich die Fachmärkte: Mit einem Umsatzanteil von 6,7 Prozent in 1995 auf einen Anteil von 18,4 Prozent in 2007 verdoppeln sie ihre Marktbedeutung; die Lebensmitteldiscounter erzielen ein Plus um 5,7 Prozentpunkte von 8,3 Prozent 1995 auf 14,0 Prozent 2007. Nicht Struktur bestimmend aber wachstumsintensiv ist E-Commerce.
Fazit: Der Wettbewerb innerhalb der einzelnen Handelsformate hat insbesondere seit der Jahrtausendwende an Schärfe gewonnen. Die traditionellen Handelsformate zählen zu den Verlierern des Strukturwandels, wohingegen die preisaggressiveren Formate ihre Marktbedeutung ausbauen können. Bedrängt wird der Handel aber auch durch Nichthändler, die das Handelsgeschäft für sich entdeckt haben. Diese sind zwar nicht strukturbestimmend, realisieren aber höhere Wachstumsraten als die klassischen Handelsformate selbst.
aus
Haustex 03/09
(Handel)