Handelsszenario 2020

In Europa regieren "Filialisten"


Köln - Nicht nur in Deutschland haben Filialisten und Fachmärkte an Bedeutung gewonnen und bedrängen die klassischen kleinbetrieblichen Fachhändler. Die europäische Handelslandschaft wird zunehmend von Filialisten geprägt, auch wenn die Handelsstrukturen in den 27 Ländern der EU differieren, wie die BBE Retail Experts jüngst in ihrem Premiumwerk market excellence "Retail in Europe - Strukturen - Entwicklungen - Szenarien 2020" festgestellt haben.

Europaweit hat der Filialisierungsgrad im Fachhandel von 27,3 Prozent in 1995 auf 40,8 Prozent in 2007, sprich um 13,5 Prozentpunkte, zugenommen. Dabei liegt Großbritannien mit einem Filialistenanteil von 67,8 Prozent (Umsatzanteil der Filialisten einschl. der Fachmärkte am Fachhandel) weit vorne, gefolgt von Deutschland (49,5 Prozent), Österreich (48,5 Prozent), Schweden (47,4 Prozent) und Polen (42,8 Prozent). Europaweit konnten Filialkonzepte in den letzten zwölf Jahren am stärksten in Polen an Raum gewinnen, weiß Dr. Susanne Eichholz-Klein, Autorin und Projektleiterin bei den BBE Retail Experts, zu berichten. "Heute werden bereits 42,8 Prozent der Fachhandelsumsätze in Fachmärkten und bei Non-Food-Filialisten realisiert - 1995 waren es nur 7 Prozent", so Dr. Eichholz-Klein. Dieser Strukturwandel ist auch in den anderen osteuropäischen Beitrittsländern, allerdings in weniger konzentrierter Form, zu beobachten.

Fachmärkte und Filialisten sind insgesamt deutlich stärker gewachsen als andere Vertriebsformen; vor allem in Südeuropa und in den Schwellenmärkten von Zentraleuropa wie Polen, Tschechische Republik und Ungarn führte die beträchtliche Expansion der Einzelhändler zu diesem Wachstum. Somit gehören Fachmärkte wie Filialisten europaweit zu den Zukunftskonzepten im Einzelhandel.

Aufgrund der bisherigen Entwicklung zeigt sich ein zweigeteiltes Europa: ein hoch konzentrierter west- und nordeuropäischer Teil ergänzt um Polen und ein mehr kleinbetrieblich aufgestellter Süden und Osten Europas. Für mögliche Expansionsunternehmungen ergeben sich damit die folgenden Ansätze: in weniger entwickelten Ländern mit der Nachfrage wachsen oder in hoch entwickelten Ländern und größerem Potenzial andere Anbieter verdrängen, so lautet ein Fazit der Gemeinschaftsstudie von BBE und IKB mit Unterstützung des HDE.

Anstoß für diese Gemeinschaftsstudie hat unter anderem der HDE Brüssel mit einer Frage nach europäischen Handelsstrukturen und den "europäischen Konsumenten" gegeben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise, aber auch vor der HDE-BAG-Fusion gewinnt das Handelsszenario Europa an Bedeutung. Denn im Rahmen eines prosperierenden Handels in der EU 27 bildet Deutschland zwar mit seiner außerordentlich starken Discountorientierung das Schlusslicht in der Wachstumsbetrachtung und weist über alle Länder der EU den höchsten Reifegrad in der Handelsentwicklung auf. Aber Deutschland ist auch Wachstumsmotor für die europäische Konjunktur und in der Rangliste der Top 15 europäischen Händler werden allein fünf Plätze von deutschen Unternehmungen besetzt.
aus Haustex 03/09 (Handel)