Expertenrunde des ZV Parkett und Fußbodentechnik und des Bundesverbandes Estrich und Belag

Estrichleger aufgepasst: neue Zemente, neue Probleme

Für die Estrichherstellung wurde bisher überwiegend der Portlandzement CEM I eingesetzt. Mit diesem klassischen Zement, der 95 % Portlandzementklinker und bis zu 5 % Nebenbestandteile enthält, haben Estrichleger jahrzehntelang gute Erfahrungen gemacht. Nachteile dieser Zementart sind der hohe Energieaufwand und die freigesetzten CO2-Mengen bei der Herstellung. Deshalb wird dieser Zement nach und nach vom Markt genommen. Ersatzprodukt zur Estrichherstellung ist ein Portlandkompositzement, der bis zu 35 % Nebenbestandteile enthalten kann. D.h., diese Zemente enthalten bis zu 30 % weniger Portlandzement. Estrichleger und das bodenlegende Gewerbe müssen sich unbedingt auf die neuen Gegebenheiten einstellen, um Schäden zu vermeiden.

Die Herstellung von Zement ist sehr energieaufwändig. Außerdem entstehen in zweifacher Hinsicht erhebliche Mengen an Kohlendioxid (CO2): Zuerst beim Erzeugen der benötigten Brenntemperaturen und zweitens beim Brennen, also dem thermischen Spalten, des Kalksteins (CaCO3) zum Calciumoxid (CaO).

Um Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, hat die Zementindustrie in den letzten Jahren Herstellung und Zusammensetzung der Zemente geändert, in dem statt der Portlandzemente (CEM I-Zemente) mit Klinkeranteilen von mindestens 95 %, mehr und mehr Portlandkompositzemente (CEM II-Zemente) und Hochofenzemente (CEM III-Zemente) hergestellt werden, bei denen der Klinkeranteil deutlich reduziert werden kann.

Zementestriche der neuen Generation

Die Portlandzemente (CEM I), so ist die Prognose, werden sukzessive vom Markt genommen. Unter dieser Prämisse müssen jetzt auch Portlandkompositzemente, die als CEM II-B-Zement bis zu 35% Zusatzstoffe enthalten können, für die Estrichherstellung eingesetzt werden.

Diese, vor allem auch politisch gewollte Umstellung hat zu Unruhe bei den Estrichlegern und nachfolgenden Gewerken geführt, weil es bei der Estrichherstellung und auch nach dem Einbau zu Problemen gekommen ist. Inzwischen sehen sich Zementindustrie und Verbände veranlasst, gemeinsam praktikable Lösungen für eine mangelfreie Estrichherstellung zu erarbeiten.

Aus der Praxis wird von Estrichlegern bei der Umstellung von CEM I- auf CEM II-Zement über Probleme berichtet, z.B. unzureichende Oberflächenfestigkeit, Hohlstellenbildung und Austrocknung. Der Bundesverband Estrich und Belag (BEB), des Vereins deutscher Zementwerke (VdZ) und die Bundesfachgruppe Estrich und Belag im Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) haben hierauf mit einer gemeinsamen Erklärung reagiert:

"Die Estrichherstellung ist ein komplexer Prozess, auf den die Auswahl geeigneter Ausgangsstoffe und die Rahmenbedingungen auf der Baustelle wie Transport, Lagerung, Mischen, Fördern und Verlegen am Einbauort einen wesentlichen Einfluss haben. Die Anforderungen an die Schonung der Ressourcen, an die Verringerung des Energieeinsatzes und an den Klimaschutz sowie steigende Energiepreise stellen die Industrie vor erhebliche Herausforderungen. Zementhersteller stellen sich diesen Herausforderungen, indem sie ihre Herstellprozesse im Hinblick auf Rohstoff- und Energieeinsatz in den vergangenen Jahrzehnten fortlaufend optimiert haben.

Portlandkompositzementen (CEM II) und Hochofenzementen (CEM III) kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Diese Zemente erfordern zur Herstellung einen verringerten Energieeinsatz und führen damit zu einem verringerten CO2-Ausstoß bei der Zementherstellung und durch ihren Einsatz bei der Herstellung von Estrichen auch zu einer Verringerung der Umweltbelastung. Untersuchungen in den zurückliegenden Jahren und praktische Erfahrungen bestätigen die grundsätzliche Eignung von Portlandkompositzementen. Die Laboruntersuchungen wurden im Auftrag des VdZ in verschiedenen Einrichtungen durchgeführt. Dabei konnte kein signifikanter Einfluss auf die Güte des Estrichs festgestellt werden."

Weil diese Erklärung natürlich die bestehenden Probleme nicht löst, wollen Zementindustrie und Vertreter der Zusatzmittelhersteller gemeinsam mit dem BEB zusätzlich einen Leitfaden für die Herstellung zementgebundener Estriche erarbeiten. Dieser Leitfaden wird neben den einzelnen Ausgangsstoffen auch die Herstellung, den Einbau und die Baustellenbedingungen berücksichtigen.

Worauf die Verarbeiter bis zum Vorliegen des Leitfadens besonders achten müssen, hat der Sachverständige Heinz-Dieter Altmann in einem Referat zusammengestellt. Grundsätzlich gilt seine Empfehlung, bei Wechsel der Ausgangsstoffe für die Estrichherstellung entsprechende Eignungsprüfungen als Erstprüfungen nach DIN EN 13813 "Estrichmörtel und Estrichmassen; Eigenschaften und Anforderungen" (Stand 1/2003) durchzuführen. Soweit erforderlich, sind dann zur Verbesserung der Estrichqualität folgende Maßnahmen möglich:

- Auswahl eines anderen Zementes (Zementart, Zementhersteller, Zementfestigkeitsklasse)
- Auswahl eines anderen Estrichzusatzmittels (Zusatzmittelart, Zusatzmittelhersteller, Zusatzmittelsortierung)
- Auswahl geeigneter Gesteinskörnungen (z.B. möglichst nahe der Sieblinie B8)
- Änderung des Zementgehaltes (Anm.: Eine deutliche Erhöhung des Zementgehaltes kann zu einem stärkeren Schwinden führen)
- Verlängerung der Nachbehandlung und der Sperrfristen (Anm.: Eine längere Nachbehandlung, z.B. 7 - 10 Tage, führt zu höherer Oberflächenfestigkeit, eine Verlängerung der Dauer bis zur Freigabe der Begehbarkeit kann Frühschäden in Form von Rissbildungen und wundgelaufener Estrichoberflächen reduzieren).

Die genannten Maßnahmen können einzeln oder kombiniert ausgeführt werden.

Mit Nachdruck weist Altmann darauf hin, dass der Estrichleger für die Qualität des von ihm hergestellten Estrichs verantwortlich ist. Er sollte deshalb Zemente ohne Angaben der Hauptbestandteile nicht einsetzen. Hauptbestandteile von Zementen sind Portlandzementklinker (K), Hüttensand (S), natürliches Puzzolan (P), kieselsäurereiche Flugasche (V), gebrannter Ölschiefer (T) und Kalkstein (L). Siehe hierzu die Tabelle "Zementarten mit ihren Hauptbestandteilen und Bezeichnungen". Die Hauptbestandteile eines Portlandkompositzementes CEM II sind aus der Benennung zu entnehmen.

Für die Estrichherstellung haben sich die Kalkstein- und Ölschieferkompositzemente bewährt. Kritisch für die Herstellung von Zementestrichen sind hingegen Zemente, die Flugaschen enthalten, und auch Zemente der Klasse CEM II B-M, weil hier nicht nur der Klinkeranteil niedrig ist, sondern auch gleichzeitig unterschiedliche Zusatzstoffe eingesetzt werden dürfen.

Der BEB hat das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) beauftragt, Untersuchungen an unterschiedlichen Zementen, die über die Mitgliedsbetriebe oder im freien Handel beschafft werden, unter praxisrelevanten Bedingungen durchzuführen, um Informationen zur Festigkeitsentwicklung, zum Verformungsverhalten und zur Oberflächenfestigkeit der Kompositzemente im Vergleich mit Portlandzementen zu bekommen. Ein Abschlussbericht wird zwar erst Anfang 2009 erwartet, aber über erste Ergebnisse wird anlässlich des Internationalen Sachverständigentreffen des BEB am 7. und 8.11.2008 in Schweinfurt berichtet werden.

Bestimmung des Feuchtegehalts der neuen Zementestriche

Für die Messung des Feuchtegehalts von Zementestrichen auf der Baustelle ist das CM-Verfahren anerkannter Stand der Technik. Mit Erfahrung und Sorgfalt angewandt, liefert die CM-Messung aussagefähige Werte. Eine zusätzliche Darrprüfung wird vom Parkett- und Bodenleger nur in Ausnahmefällen vorgenommen. Im Kommentar zur DIN 18365, Bodenbelagsarbeiten, heißt es, dass dem CM-Wert 2 CM-% ca. 3,5 Gew.-% entsprechen. Norbert Strehle nennt aus seiner Praxis 3,0 bis 3,3 %. Jetzt hat der Sachverständige und Innungsobermeister bei der Erstellung mehrerer Gutachten festgestellt, dass die Abweichungen von den Darr-Prozenten zu den CM-Prozenten nicht mehr den geläufigen Werten entsprechen.

Hintergrund: Die Feuchtewerte werden bei der CM-Messung in CM-Prozenten angegeben, bei der Darrprobe in Gewichtsprozenten. Beide Werte weichen voreinander ab. Das liegt daran, dass mit dem CM-Verfahren durch die Reaktion des Calciumcarbids mit dem im Baustoff enthaltenen Wasser nur das freie Kapillarwasser im Porenraum erfasst wird, während bei der Darrprobe bei 105 C auch das in den Zuschlagstoffen enthaltene Wasser und das teilgebundene Wasser mit erfasst wird. Bislang galt die Beziehung "2 CM-% entsprechen ca. 3,5 Gew.-%".

"So war es bei den bisherigen Zementestrichen, problemlos über lange Jahre, aber jetzt gibt es Abweichungen, für die ich keine schlüssigen Erklärungen habe", berichtet Strehle von Estrichfeuchtemessungen in jüngster Zeit bei drei Bauvorhaben. Durchgeführt wurden dort CM-Messungen, zusätzlich hat Strehle die zur gutachterlichen Beurteilung notwendigen Darrproben gezogen. Er stellte dabei fest, dass die Abweichung von CM-% zu Gew.-%nicht mehr den geläufigen Werten entspricht. Die Feuchtewerte der Darr-Proben waren deutlich höher. Gründe könnten nach seiner Einschätzung in der Zusammensetzung des Estrichs liegen, hervorgerufen durch den Einsatz eines anderen Zements. Nur, sicher sei das nicht, und deshalb müsse hier durch umfassende Untersuchungen Klarheit geschaffen werden. Sachverständige aus dem Publikum bestätigten seine Erkenntnisse und ergänzten, dass die Abweichungen nicht immer in die gleiche Richtung gingen. Strehles Fazit ist eindeutig: "Die CM-Messung allein reicht nicht immer aus."

Eine Aussage, die zu lebhaften Diskussionen führte. Einer der vielen anwesenden Sachverständigen kam zu einer noch deutlicheren Einschätzung: "Der Parkettleger ermittelt einen CM-Wert von unter 2 %. Das Parkett wird verlegt. Es kommt zum Schaden. Der Feuchtewert war tatsächlich höher, der Parkettleger konnte aber nicht wissen, dass ein CEM II-Zement für den Estrich eingesetzt worden war. Er war auch nicht verpflichtet, eine Darrprobe zu nehmen. Damit schweben wir in einem luftleeren Raum, wissen nicht, ob der Estrich belegereif ist oder nicht."

Trotz der offensichtlichen Ungereimtheiten sollte auf die CM-Messung nicht verzichtet werden, unterstrich Strehle zum Schluss seiner Ausführungen. Auch Obermeister Wilhelm Nürnberger empfahl seinen Kollegen, weiterhin CM-Messungen durchzuführen und dabei die Probe aus dem unteren Drittel des Estrichs zu ziehen, "denn das bietet uns schon ein gutes Maß an Sicherheit."


CEM II-Zemente
Für die Estrichherstellung werden seit etwa 10 Jahren auch CEM II/A-LL-Zemente mit gutem Erfolg eingesetzt. Die Tendenz bei der Zementindustrie geht aber in Richtung Hüttensandzemente (CEM II/B - S). CEM I-Zemente werden aufgrund des hohen Energieaufwandes für die Herstellung nach und nach nicht mehr angeboten. CEM II-Zemente enthalten gegenüber den bisherigen Zementen bis zu 35 % mehr Zuschlagstoffe, wodurch der Energieaufwand in der Produktion und der CO2-Ausstoß verringert werden. Gleichzeitig haben sich aber auch die Produkteigenschaften geändert. Wieweit neue Eigenschaften die Estrichherstellung und Feuchtemessung beeinflussen, ist noch nicht abschließend geklärt. Berichtet wird über schadhafte Estriche und nicht schlüssige Feuchtemessungen. Zementindustrie, Verbände und Sachverständige sind dabei, für das Handwerk einen Leitfaden zur Herstellung und Beurteilung von CEM II-Estrichen zu erarbeiten.
aus FussbodenTechnik 05/08 (Handwerk)