Berufsverbände arbeiten an der Ausbildung von morgen
"Noch haben wir die Chance, selber etwas zu gestalten"
Noch vor wenigen Jahren waren sich die am Boden tätigen Berufsverbände häufig gegenseitig ein Dorn im Auge. Heute sitzen Parkett-, Boden- und Estrichleger sowie Raumausstatter und Maler regelmäßig an einem Tisch. Was sie treibt, ist die langfristige Ankündigung der Politik, die Zahl der 348 Ausbildungsberufe auf rund 50 zu reduzieren. Da es beim politik-nahen Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Überlegungen zur Bildung von so genannten Berufsfamilien gibt, beraten die betroffenen Verbände des Innenausbaus gemeinsam mit dem ZDH, wie die "Ausbildung von morgen" aussehen könnte.
"Es ist noch nichts entschieden." "Das ist doch völlig verfrüht, darüber zu berichten." "Wir haben doch Stillschweigen vereinbart." Als FussbodenTechnik bei Verbandsvertretern anfragte, ob man über den aktuellen Stand zur angedachten Berufsfamilienbildung bei der Ausbauberufen informieren könnte, da gab es Mahner, Bedenkenträger und Total-Verweigerer, glücklicherweise aber auch das Gegenteil: Die Verbände der Estrichleger, Parkettleger und Bodenleger gaben Auskunft. Aber es sei ganz deutlich gesagt: Der Beitrag ist eine Momentaufnahme. Dennoch kann es nicht schaden, zu wissen, worüber sich die Verbände der Ausbaugewerke Gedanken machen und von welcher Motivation sie getrieben werden.
Ankündigung: Aus 348 sollen 50 Berufe werden
Hintergrund der gemeinsamen Verbandstreffen der Parkettleger, Bodenleger, Estrichleger, Raumausstatter und Maler ist die Ankündigung von Bundesbildungsminsterin Annette Schavan, die Zahl der Berufe langfristig von 348 auf rund 50 reduzieren zu wollen. Um nicht irgendwann vor vollendeten Tatsachen zu stehen, haben sich die Verbände für eine gemeinsame Gestaltung zusammen gefunden. Da der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) unter der Federführung von Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser schon sehr weit in das Thema Entwicklung von Berufsfamilien eingestiegen war, sind die Berufsverbände in die Diskussion mit eingestiegen.
Neben den Bestrebungen der Politik gibt es noch einen weiteren Vorschlag zur Gestaltung der Ausbauberufe von der Handelsseite. Dort ist man auf die Idee gekommen, dass man eigentlich nur noch zwei Berufe braucht: Eine Montagekraft im Innenausbau und den Fenster-, Tür- und Tormonteur. Die Montagefachkraft im Innenausbau vereinigt die bereits genannten Gewerke plus Elektro-, Gas- und Wasserinstallateur, Trockenbauer, Putz und Fliese. Der zweite Beruf soll als Baumonteur Fenster, Tore, Garagen und Küchen einbauen. Das soll reichen.
Es braucht nicht viel Phantasie, um zu vermuten, dass die Handwerksverbände mit diesem Vorschlag ganz und gar nicht einverstanden sind. FussbodenTechnik fragte bei Karsten Krause, Vorstandsmitglied im Zentralverband Parkett und Fussbodentechnik nach, wie der aktuelle Stand ist.
FussbodenTechnik: Herr Krause, welche Argumente sprechen gegen eine neue Handwerksorganisation mit künftig nur noch zwei Berufen?
Karsten Krause: Da fallen mir spontan die Ausbildungsinhalte ein. Schließlich sind das alles dreijährige Ausbildungsberufe. Selbst wenn ich einmal davon ausgehe, dass 30% der Ausbildungsinhalte wie zum Beispiel Sozialkunde bei allen gleich sind, dann bleiben immer noch rund 2 Jahre fachspezifischen Unterrichts. Wenn wir jetzt 10 Berufe zu einem machen, dann müssten die Lehrlinge ja 20 Jahre lernen. Das ist natürlich übertrieben, aber in 3 Jahren kann es nicht mehr gehen. Wir würden alles in Frage stellen, was wir bisher an erprobten und sinnvollen Ausbildungsstrukturen haben.
Das zweite Argument ist die Sicherheitsrelvanz. Einzelne Berufsbilder sind damals mit der Begründung der Sicherheitsrelevanz in der Anlage A der Handwerksordnung geblieben, andere nicht, obwohl auch dort mit Gefahrstoffen gearbeitet wird. Da diese ja immer noch mit gefährlichen Stoffen arbeiten, müsste das eigentlich immer noch gelten.
Und drittens: Wir verlieren ansonsten ein Stück weit unsere Spezialisierung. Wenn man sich mit Handwerkern aus anderen Ländern unterhält, dann schwärmen die vom deutschen Handwerk. Deutsche Wertarbeit und "made in Germany" kommt doch nicht von ungefähr.
FT: Was motiviert Sie, an dem Modell der Berufsfamilien mitzuwirken?
Krause: Eigentlich gilt der Grundsatz, dass man sich Verwandte nicht aussuchen kann, aber hier bei den Berufsverbänden war bzw. ist es so. Im ersten Schritt waren die Berufsverbände aufgerufen, sich zu erklären. Die Überlegung war, dass es besser ist nach vorne zu preschen und die Zukunft mitzugestalten. Man kann sich ja nicht allen Änderungen und Bestrebungen, Dinge zu verändern und neu zu strukturieren, widersetzen. Mit der Begründung "Früher war alles besser" kommen wir nicht weiter. Das wird ganz sicher nichts.
FT: Die Berufsverbände sprechen mit dem ZDH. Wie weit sind denn deren Überlegungen?
Krause: Es war erkennbar, dass die Vorüberlegungen des ZDH schon viel weiter waren, als wir das vermutet hatten. Gleichzeitig hatte man dort aber angekündigt, dass man sich so lange auf einen Beobachterstatus zurückzieht, bis die Politik dieses Thema wieder anpackt.
FT: Welche Punkte sind dem ZDH denn wichtig?
Krause: Für den ZDH ist beispielsweise das Thema der europäischen Harmonisierung sehr wichtig. Sie befürworten eine Struktur, die das Wechseln von einem in den anderen Beruf durch eine modulare Struktur möglich macht, so wie es in anderen Ländern möglich ist.
FT: Und wie könnte das mit den Modulen im Einzelnen funktionieren?
Krause: Ein beauftragtes Institut in Köln hat die Ausbildungsverordnungen und Ausbildungsrahmenpläne der Maler, Raumausstatter, Parkettleger, Bodenleger und Estrichleger verglichen. Es sollte festgestellt werden, wo es Überschneidungen gibt. Die Ausbildungsinhalte, die alle machen, könnten als Grundmodul bei allen Berufen gleich sein. Darüber kämen dann Kernmodule, die jeden Beruf spezifisch auszeichnen. Und oben drauf Spezialmodule für eine besondere Qualifizierung.
FT: Können Sie ein Beispiel nennen?
Krause: Wenn wir jetzt einen Parkettleger-Auszubildenden einstellen, könnte der nach Absolvieren des Grundmoduls immer noch entscheiden, doch Raumausstattung zu machen. Bei den Raumausstattern orientiert er sich dann Richtung Polstern, Gardine oder Fußboden. Oben drauf könnte er dann noch ein Spezialmodul erwerben und sich der Restauration von antiken Polstermöbeln widmen.
FT: Was sind denn Ihre Erwartungen?
Krause: Meine Erwartung ist, dass wir durch Agieren Schlimmeres verhindern können. Da ist mir noch die Novellierung der Handwerksordnung in warnender Erinnerung, als vor wenigen Jahren der Parkettleger ohne Not herabgestuft wurde. Deswegen denke ich: Wir können das Heft des Handelns nur in der Hand behalten, wenn wir dabei sind. Entscheidend ist, dass wir die bekannten Berufsbilder nicht aufgeben wollen. Wir wollen uns nur in der Berufsfamilie "verbandeln", ohne die Eigenständigkeit der jeweiligen Berufe aufzugeben.
FT: Was wäre denn Ihr Wunsch? Das alles so bleibt, wie es jetzt ist?
Krause: Das würde ich so nicht sagen. Erste Priorität hat für mich, dass Parkett- und Bodenleger zu einem Beruf verschmolzen werden - mit einer anschließenden gemeinsamen Meisterprüfungsordnung. Meine persönliche zweite Priorität wäre schon, einen fußbodenverarbeitenden Beruf zu kreieren, der von unten bis oben den Boden als Ganzes abbildet. Das wäre für den gesamten Bauablauf, für Planer und Entscheider ein großer Vorteil, wenn dahinter nur ein Beruf stände. Im Moment gibt es ja unheimlich viele Schnittstellen die im Sinne des Auftraggebers noch viel besser koordiniert werden müssten. Nicht ohne Grund gilt die Schnittstellenkoordination ja auch im Bereich der Fußbodenheizung für alle beteiligten Gewerke.
FT: Was wäre aus Ihrer Sicht eine optimale Lösung mit Blick auf die Berufsbilder? Was wäre eine schlechte Lösung?
Krause: Meine Idealvorstellung wäre ein Fußbodenberuf, der den gesamten Fußbodenbau abdeckt. Das ist meine persönliche Meinung, welche aber nicht unbedingt den uneingeschränkten Beifall aller Amtsträger im Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik finden mag. Wenn der Weg über die Berufsfamilie führt, wäre das für mich ein zufrieden stellendes Ergebnis.
Der GAU wäre, wenn wir uns nicht rühren und bewegen und uns in der Konsequenz durch eine Novellierung und eine Reduzierung als Anhängsel eines anderen Berufes bzw. Verbandes wieder finden - oder in diesem Montageberuf.
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Bertram Abert, ZDB: "Die eine Berufsfamilie gibt es bei den Estrichlegern schon"
In der Tat gibt es von der Politik durchaus unterschiedliche Signale. Man spricht auf der einen Seite ganz konkret davon, die Zahl der Berufe zu reduzieren (kaufmännische Berufe), auf der anderen Seite ist von weiteren Streichungen aus der Anlage A der HWO die Rede und auch von der Zurücknahme von Änderungen der letzten HWO. Die Aktionen der Politik sind schwer zu verstehen und noch schwerer zu begreifen. Zur Zeit ist man vor Überraschungen nicht sicher.
Seit ca. zwei Jahren laufen bereits Gespräche über die Berufsausbildung unserer Gewerke, die sich mit Bodenbelägen beschäftigen. In den Gesprächen wird auch das Thema "Berufsfamilie" diskutiert. Die Bildung von Berufsfamilien ist eine Empfehlung des Innovationskreises berufliche Bildung, die künftig bei der Neuordnung von Berufen eine Rolle spielen soll. Dabei geht es vordergründig um das Erfassen von gleichen Ausbildungsinhalten nahestehender Berufe für eine auch künftig optimale Beschulung in den einzelnen Gewerken. In die zur Zeit laufenden internen Gespräche des Handwerks sind sowohl die Maler, die Raumausstatter, die Parkett-, die Boden-, die Estrichleger sowie die Fliesenleger als auch das Betonwerksteinhandwerk involviert.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, dass es nicht um die Zusammenfassung von Berufen bzw. Gewerken geht, sondern nur um die Erfassung gemeinsamer Lerninhalte in Bezug auf eine mögliche gemeinsame Beschulung. Zielsetzung sind erste handwerksinterne Überlegungen zu möglichen Berufsfamilien. Klarzustellen ist an dieser Stelle auch, dass wir als Estrichlegerhandwerk schon seit Jahrzehnten im Rahmen der Stufenausbildung der Bauwirtschaft mit der gewerkeübergreifenden Grundbildung im ersten Ausbildungsjahr de facto in eine (andere) Berufsfamilie eingebunden sind. Wir werden also ganz genau prüfen, ob wir eine bestehende gut funktionierende Familie verlassen, um eine neue zu gründen bzw. in Richtung welcher Gewerke wir unsere Familie erweitern.
Ebenfalls hat sich die Umlagefinanzierung der Ausbildung in der Bauwirtschaft seit vielen Jahren bewährt und man kann sagen, dass die aktuellen Forderungen der Politik speziell im Estrichlegerhandwerk bereits seit vielen Jahren umgesetzt werden.
Ein großes Manko sind die aktuellen Lehrlingszahlen. Diese sind gerade beim Estrichlegerhandwerk auch auf Grund des erst vor kurzem geschaffenen Berufes der Bodenleger sehr stark rückläufig. Deshalb wird es sicherlich bald Probleme geben für eine optimale Ausbildung in der Berufsschule.
Die Politik ist immer für Überraschungen gut, wie man nicht nur nach der letzten Entscheidung der HWO-Novellierung gesehen hat. Deshalb aber die etablierte und seit Jahren bewährte Stufenausbildung in der Bauwirtschaft speziell für das Estrichlegerhandwerk aus dem Ausbildungsverbund des Baugewerbes herauslösen zu wollen, halte ich nicht für zielführend. Die Überlegungen im Estrichlegerhandwerk sind aber keineswegs so weit, dass eine Entscheidung zum Thema Berufsfamilie getroffen werden kann bzw. zur Zeit auch nicht getroffen werden muss. Die Brisanz dieser Thematik ist uns in der Bundesfachgruppe und im ZDB durchaus bewusst und gerade deshalb wird es mit den entsprechenden Experten auch weitere Gespräche geben.
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Heinz Schmitt, BEB: "Innovative Unternehmen bieten längst Parkett-, Estrich- und Belagarbeiten gemeinsam an"
Aus meiner Sicht stellt sich der derzeitige Stand der Beratungen und der Diskussionen zur Berufsfamilie im Handwerk wie folgt dar:
1. Die Politik schickt sich an, erneut Vorgaben zu geben, ähnlich wie sie es bei der Novellierung der Handwerksordnung getan haben.
2. Das Handwerk - und hier auch das Estrich- und Belaggewerbe - hat noch die Chance, im Vorfeld der politischen Entscheidungsfindung in seinem Sinn zu agieren.
3. Die verbandlichen Rahmenbedingungen im Bodenbau sind seit über einem Jahrzehnt geprägt durch eine gewerkeübergreifende Zusammenarbeit insbesondere zwischen Estrich-, Parkett- und Bodenlegern. Andere - auch geringer im Bodenbau tätige Gewerke - waren an der gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit weniger interessiert.
4. Folglich hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit der Berufe Estrich-, Parkett- und Bodenleger auch in der Berufsfamilie "Farbe, Boden, Raum, Fassade" widergespiegelt.
5. Die innovativen Unternehmen in unserer Branche haben diese Entwicklung durch ihr diversifiziertes Produktangebot d.h., in vielen Fällen Estrich-, Parkett- und Belagausführungen schon lange vorweggenommen.
6. Sinnvoll wäre aus unserer Sicht demzufolge im Grunde genommen die Bildung einer Berufsfamilie: Estrich, Fliese, Parkett und Bodenbelag. Nur dies werden die bauausführenden Handwerksbetriebe und die Fußboden-Branche als sinnig ansehen und dementsprechend akzeptieren.
7. Heute aus verbändepolitischer Räson anders zu verfahren, widerspricht der Marktentwicklung und letztlich dem Willen der Basis.
8. Vollkommen unsinnig wäre es, die Berufe des Estrichlegers (derzeit rund 170 Auszubildende) und des Bodenlegers (derzeit rund 630 Auszubildende) in verschiedene Berufsfamilien zu trennen. Unsere Kompetenz von Oberkante Rohdecke bis Oberkante Belag muss sich in ein und derselben Berufsfamilie wiederfinden.
aus
FussbodenTechnik 01/09
(Handwerk)