Kleiner Fehler - großer Schaden
Kellenschläge unter Linoleum - hinnehmbares Schadensbild?
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Linoleumbelag auf einem gespachtelten Hohlboden, in dem sich deutliche Kellenschläge abzeichnen.
In einem Bürogebäude ist die Verlegung von Linoleumbahnen (2,5 mm dick, 2 m breit) auf einem Calciumsulfatfließestrich-Hohlboden nach dem Grundieren und Spachteln Anfang 2009 durchgeführt worden. Nachdem der Innenausbau fertig gestellt war, wurde der Linobelag gefegt und im Anschluss mit klarem Wasser gereinigt (Bauschlussreinigung). Vor der Abnahme wurde der Linoleumbelag, der üblicherweise keine Einpflege erfordert, einer Wischpflege unterzogen. Die Fläche lag nahezu hochglänzend vor. Bei der Abnahme der Bodenbelagarbeiten durch den Bauherrn wurden Unebenheiten in der Oberfläche des Belages und Unebenheiten an den Revisionsöffnungen im Hohlboden gerügt.
Schadensbild: Deutliche Kellenschläge in der Spachtelmasse
Der Sachverständige führte eine visuelle Überprüfung des Linoleumbelages durch. Insbesondere in den Räumen mit Fenstern konnten im Gegenlicht deutliche halbkreisförmige Unebenheiten festgestellt werden. Diese Unebenheiten bezeichnet man als Kellenschläge, die bei der Verarbeitung der Spachtelmasse auf dem Calciumsulfatfließestrich entstanden sind und sich am Belag abzeichnen. Diese optische Beeinträchtigung zeigte sich in unterschiedlicher Intensität im gesamten Bauvorhaben verteilt, in einigen Räumen hingegen gar nicht.
Zur Beurteilung der Kellenschläge hat der Sachverständige die dem Stand der Technik entsprechenden Beurteilungskriterien angelegt. Dazu gehört der Leitfaden "Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden" und der Punkt 3.2 "Maßtoleranzen" der DIN 18365 "Bodenbelagarbeiten". Dort heißt es jeweils gleich lautend: "Bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten in Oberflächen von Bauteilen sind zulässig, wenn diese die Grenzwerte nach DIN 18202 nicht überschreiten."
Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien hat der Sachverständige dann die jeweils über kurze Strecken vorliegenden Unebenheiten mit einem 30 cm langen Metalllineal und Messkeilen sowie einer Fühlerlehre (1/10-mm-Teilung) unter Berücksichtigung der DIN18202 "Toleranzen im Hochbau" Tabelle 3 Zeile 3 (Bodenbeläge) überprüft. Als Grenzwerte der Ebenheitsabweichungen bei Messpunktabständen bis 10 cm ist eine Ebenheitsabweichung von 2 mm, bei einem Messpunktabstand bis etwa 75 cm ist eine Ebenheitsabweichung von 3 mm zulässig. Ein Bodenbelag mit diesen Abweichungen stellt keinen Mangel dar.
Viele Ebenheitsmessungen ergaben selbst in bewusst herausgesuchten Teilflächen mit deutlichen Erhöhungen und/oder deutlichen Vertiefungen Stichmaße von deutlich < 0,5 mm auf Messstrecken zwischen 10 und 20 cm. Überwiegend lagen die Unebenheiten zwischen 0,1 und 0,2 mm.
Auch mehrfach durchgeführte Überprüfungen der Ebenheit mit einem 1 m langen und einem 3m langen Richtscheit (zulässige Ebenheitsabweichung bei 1 m 4 mm und bei 3 m 8 mm) zeigten in keinem Flächenbereich eine Überschreitung der Ebenheitsabweichungen. Es wurden ausschließlich Stichmaße bis 1 mm ermittelt.
Bei den ebenfalls gerügten Revisionsöffnungen wurden zur Materialtrennschiene hin Anspachtelungen durchgeführt. Auch hier wurde bei einer überprüften Strecke von 30 cm die zulässige Ebenheitsabweichung von 2 mm nicht überschritten.
Sachverständige Beurteilung: Unebenheiten sind von der Norm gedeckt
Als ständiger Leser von "Kleiner Fehler - großer Schaden" werden Sie gemerkt haben, dass es die Einteilung in "Schaden", "Ursache" und "Verantwortlichkeit" in diesem Fall nicht gibt, da rein rechtlich kein "Schaden" vorliegt.
In seinem Gutachten hat der Sachverständige den Leitfaden über hinzunehmende Unregelmäßigkeiten und die DIN 18365 mit Hinweis auf die DIN 18202 erläutert. Für viele Gewerke wird hier ausgesagt, dass als störend einzustufende Unebenheiten in Bauteiloberflächen zulässig sind, wenn diese innerhalb der zulässigen Ebenheitsabweichungen der DIN 18202 liegen. Selbst auf der kürzesten Messstrecke, d.h. bei Messstrecken bis 10 cm lagen die Werte noch um 50 % unterhalb der zulässigen Ebenheitsabweichung von 2 mm.
Selbst wenn der Bauherr "erhöhte Ebenheitsanforderungen" nach Zeile 4 der DIN 18202 vereinbart hätte, wären die Toleranzen eingehalten worden: Bei Messstrecken von 10 cm darf das Stichmaß 1 mm und bis 75 cm 2 mm betragen. Die vom Bauherrn zunächst angestrebte Verweigerung der Abnahme der Bodenbelagarbeiten war somit nicht mehr haltbar. Aufgrund der Einschätzung des Sachverständigen wurde im Rahmen der Schlussbesprechung die Abnahme erteilt.
Fazit: Kellenschläge lassen sich durch Rakeln vermeiden
Der Sachverständige hat es sich allerdings nicht nehmen lassen, seine persönliche Meinung zu äußern: Auch wenn die vorliegenden Kellenschläge innerhalb der Toleranz lagen, dürfen sie nicht zur Regel werden. Gerade die große Anzahl und die teilweise großflächige optische Beeinträchtigung weisen auf handwerkliche Probleme hin, die eigentlich nicht auftreten dürfen - und ein Stück weit auch dem Vertrauen in die verlegenden Gewerke schaden.
Ein intensives Schleifen der Spachtelung beim Erkennen solcher Kellenschläge oder auch eine Spachtelung im "Rakel-Verfahren" wäre dringend anzuraten gewesen. Auf diese Weise hätte man sich die Zeitverzögerungen der Bauabnahme und somit auch der Bezahlung der Leistung sparen können.
Der Autor: Fußboden-Gutachter Helmut Becker, öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge
Professor-Lübeck-Straße 8
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FussbodenTechnik 03/09
(Handwerk)