Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.

Milas - Südwesttürkische Teppichprovenienz

Milas, oder früher Melas, ist eine Stadt im Südwesten der Türkei in der Nähe von Izmir. Geknüpft werden die soliden Bauernteppiche in Milas und den umgebenen Dörfern. Bekannt sind vor allem die Gebetsteppich dieser Provenienz. Leicht zu erkennen sind sie an der Gebetsnische (Mihrab) mit aufgesetzter Raute. Ein weiteres Merkmal der Milas-Teppiche sind sehr breite Bordüren, die kaum Platz für ein Innenfeld lassen. Typisch für diese Provenienz ist eine Farbgebung aus Erdfarben: Braun, stumpfen Gelb, Beige, Rostrot - die Schussfäden sind ebenfalls rostrot eingefärbt - und gedecktem Violett. Farblich wirken die Teppiche neuerer Produktion, die mit synthetischen Farben gefärbt sind, in den Augen von Kritikern oft etwas zu hart und kalt. Als Material wird ausschließlich Schafwolle eingesetzt, sowohl für den Flor, als auch für das Grundgewebe. Die Knüpfdichten liegen zwischen 100.000 und 150.000 Knoten / m2.

Die Textilproduktion der Region geht nachweislich bis in die Antike - je nach Quelle 3.000 bis 4.000 Jahre - zurück. Die Teppichproduktion in Milas begann hingegen wohl erst im 17. Jahrhundert. Heute wird nur noch in den umliegenden Dörfern geknüpft, nicht mehr in der Stadt Milas selbst.


Adler-Kasak - Begehrter Orientteppich aus dem Kaukasus

Der Adler-Kasak gehört zweifelsohne zu den begehrtesten Teppichen des Kaukasus. Dabei ist der Name irreführend, da sie weder im Kasak-Gebiet hergestellt wurden, noch Adler darstellen. Die Teppiche stammen aus der Region Karabagh, südöstlich der Heimat der Kasaks. Es wird angenommen, dass die Teppichproduktion in Karabagh früher begann, als bei den nördlichen Nachbarn. In Struktur und Musterung ähneln sich beide Provenienzen stark. Die beliebten Adler-Kasak kommen aus dem kleinen Dorf Tschelabi, weshalb sie auch unter der Bezeichnung Tschelaberd gehandelt werden, einer Verballhorung des Ursprungsorts.

Dass es sich in dem Muster nicht um einen Adler handelt, gilt als bewiesen. Der doppelköpfige Adler, der dem Teppich seinen klangvollen Namen gab, war das Wappenzeichen der zaristischen Russlands. Es wäre abwegig anzunehmen, dass gerade das Symbol derer, die die Kaukasusvölker im 19. Jahrhundert eroberten, als Motiv gewählt wurde. Vielmehr lässt sich das Dessin ununterbrochen auf die sogenannten Drachenteppichen des 16. - 18. Jahrhunderts zurückverfolgen und stellt eine stark stilisierte Blüte dar. Die Anzahl der Medaillons richtet sich nach der Größe des Teppichs, kleine Stücke haben nur eines oder ein ganzes und zwei halbe Medaillons.

Heute werden Adler-Kasak vor allem Pakistan und Afghanistan nachgeknüpft.


Meymey - Zentraliranische Teppichprovenienz

Meymey, oder auch Meimeh, ist eine kleine Stadt etwa 100 km nördlich von Isfahan. Herausstechendes Merkmal und leichtes Erkennungszeichen dieser Provenienz ist das Djanglimuster, das auch in den weiteren Dörfern in der Nähe geknüpft wird. Die Teppiche dieser Dörfer unterscheiden sich praktisch nur in den Knüpfdichten, sie liegt in Djocheghan um 150.000 Knoten/m2, in Murtschekord um 350.000 Knoten/m2 und in Chosroabad bei ca. 450.000 Knoten/m2, die Meymey-Teppiche liegen mit 180.000 bis 200.000 Knoten/m2 dazwischen.

Bei dem provenienztypischen Djanglimuster handelt es sich um ein prägnantes sehr geometrisches, florales Dessin, dass von einer ebenfalls streng geometrischen Variante der Herati-Bordüre eingerahmt wird. Das Innenfeld wird geprägt von fast quadratischen, auf die Spitze gestellten stilisierten Blüten und Pflanzen. Das zentrale Medaillon, ebenfalls rhombenförmig, fällt häufig klein aus und passt sich der sehr geordneten Raumaufteilung an. Als Grundfarbe wird meist Rot gewählt, es werden aber auch Meymey mit blauem oder, noch seltener, beigefarbigem Fond geknüpft.


Barghe Mooi - Weinlaubmuster, zum Beispiel im Keschan

Das persische Barghe Mooi Dessin, deutsch auch Weinlaub-Muster, findet seine häufigste Verwendung in Teppichen aus Keschan. Das Muster zeigt recht naturalistisch gezeichnete Weinranken samt Weinlaub, das sich durch das gesamte Innenfeld zieht. Der Fond von Teppichen mit Barghe Mooi-Muster ist meist rotgrundig, es kommen vereinzelnd auch Stücke mit beigefarbenen Fond vor. Seinen Höhepunkt hatte die Verwendung dieses Dessins in den 1970er und 1980er Jahren.
aus Carpet Magazin 02/09 (Teppiche)