Kleiner Fehler - Großer Schaden
Knarrgeräusche dank eigenwilliger Spanplattenkonstruktion
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Teppichboden auf einer Spanplattenkonstruktion, der beim Begehen für deutliche Knarrgeräusche sorgt.
Ein Bodenleger erhielt den Auftrag, in einem umgebauten Wohnhaus textile Bodenbeläge auf Holzspanplatten in mehreren Wohneinheiten zu verlegen. Die Konstruktion bestand aus angeblich schwimmend verlegten Holzspanplatten, deren Plattenstöße der Bodenleger zunächst verspachteln musste.
Bereits drei bis vier Monate nach der ersten Heizperiode im Bauvorhaben wurde die Teppichverlegung gerügt: Beim Begehen wurden deutliche Knarrgeräusche des Untergrundes festgestellt. Seitens des Architekturbüros machte man den Bodenleger mit der Behauptung einer "falschen Spachtelung" für die Knarrgeräusche verantwortlich. Im Rahmen der gerichtlichen Beweissicherung ist dann der Sachverständige mit einer gutachterlichen Überprüfung im Bauvorhaben beauftragt worden.
Schaden: Deutliche Knarrgeräusche
Der Sachverständige erhielt den Auftrag, in jeder Wohnung des Bauvorhabens die Bodenkonstruktion zu begehen und das Ausmaß der Knarrgeräusche festzuhalten. In der Wohnung mit den deutlichsten akustischen Beeinträchtigungen sollten genauere Prüfmaßnahmen durchgeführt werden.
In allen Wohnungen wurden erhebliche Holzknarrgeräusche erkannt, die der Sachverständige in einigen Fällen als Geräuschbelästigung bewertete. Teilweise waren die Durchbiegungen der Holzspanplatten sogar optisch erkennbar. In der für die Prüfmaßnahmen ausgewählten Wohnung des Dachgeschosses bestätigten sich beim Begehen der Fußbodenfläche in Flur, Wohnzimmer und zwei Schlafräumen die besonders deutlichen Knarr- und Knistergeräusche. Diese waren eindeutig als holzspezifisch zu erkennen. Zusätzlich zeichneten sich die Stöße der Holzspanplatten an einigen Stellen in dem Teppichboden deutlich ab.
Im Schlafzimmer wurde ein großflächiges wandangrenzendes Teilstück des Teppichbodens (ca. 2 m breit) vom Untergrund abgelöst. Hierbei kam heraus, dass der Teppichboden in diesem Bereich unmittelbar auf die Spanplatte geklebt worden war. Nur in einzelnen Teilflächen war das Verspachteln der Holzspanplattenstöße großflächig erfolgt.
Die nähere Betrachtung des abgespachtelten Holzspanplattenstoßes zeigte keine Rissbildung innerhalb der Spachtelmasse. Auch hier konnte man beim Belasten der freigelegten Holzspanplattenfläche Knarrgeräusche feststellen, die von den Plattenstößen ausgingen.
Um die Befestigungsart der Spanplatten zu ermitteln, wurde der Bodenbelagsklebstoff abgeschabt. Zum Vorschein kam eine Nagelung in gleichmäßigen Abständen von rund 25 cm rechts und links der Plattenstöße. Zusätzlich gab es eine geradlinig verlaufende Nagelung in Abständen von 80 cm. Genau dort lag die Holzspanplatte zwar fest auf, angrenzend wurde jedoch ein hohler Klang festgestellt.
Für detaillierte Aussagen musste die Holzspanplattenkonstruktion geöffnet werden: Erkennbar war, dass die Holzspanplatten unmittelbar auf den Balken befestigt worden waren. Die Nut- und Federkonstruktion an den Plattenstößen befand sich nicht immer auf den Balken. Zwischen den Holzspanplatten und den Balken war ein 5 cm breiter und 1,5 mm dicker weicher Polyethylenschaumstreifen angeordnet worden. Zwischen den Balken lag eine 80 mm dicke Mineralfaserdämmschicht, die auf einem aus Fichtenbrettern bestehenden Einschub angeordnet war. Im Prüfbereich betrug der lichte Balkenabstand, d.h. der Freiraum zwischen den 12 cm breiten Balken, zwischen 70 und 75 cm.
Die nähere Betrachtung der Befestigung auf den Balken ergab eindeutig, dass die in regelmäßigen Abständen von 25 cm durchgeführte Befestigung mit 90 mm langen und 3 mm dicken Nägeln (Drahtnägeln) durchgeführt wurde. Eine fachgerechte Verschraubung gab es nicht. Messungen des Raumklimas, gravimetrische Feuchtigkeitsbestimmungen an Proben der Holzspanplatten, der Fichte-Einschubbretter und der Fichte-Balken ergaben eine insgesamt trockene Fußbodenkonstruktion. Allerdings konnte von einer fachgerechten schwimmenden Fertigteilestrichkonstruktion keine Rede sein.
Ursache: Zu große Balkenabstände und Nagelung der Holzspanplatten
Der Sachverständige klammerte bei seiner Beurteilung aus, ob eine schwimmende Fertigteilestrichkonstruktion, die insbesondere in schalltechnischer Hinsicht von Bedeutung ist, eingebaut wurde. Ebenso würdigte er die Abstimmungen zwischen dem Verarbeiter der Holzspanplatten und dem Architekten nicht.
Entscheidend für die Beurteilung des Schadensfalles ist, dass die im Bauvorhaben hergestellte Holzspanplattenunterkonstruktion in Bezug auf die Befestigung auf den Balken nicht sach- und fachgerecht war. Es entspricht nicht dem Stand der Technik, Holzspanplatten, die als Lastverteilungsschicht unter Belägen dienen, zu nageln. Sie müssen grundsätzlich mit Schrauben befestigt werden. Ein Nageln der Holzspanplatten zur Balkenlage hingehend wäre nur dann zulässig gewesen, wenn die Holzspanplatten als "Blindboden" eingesetzt worden wären. Dann hätten die Holzspanplatten selbst für die Aufnahme einer nachfolgenden schwimmenden Fußbodenkonstruktion gedient.
Da die im Bauvorhaben auf der Balkenlage verlegten Holzspanplatten jedoch unmittelbar für die Aufnahme eines Bodenbelages genutzt wurden, war die durchgeführte Nagelung der Holzspanplatten falsch. Zusätzlich ist der gemessene mittlere lichte Abstand zwischen den Balken bzw. die Stützweite von 70 bis 75 cm bei den im Bauvorhaben verlegten 22 mm dicken Holzspanplatten bei unmittelbarer Nutzung als Fußboden zu groß. Unter Berücksichtigung der üblicherweise im Bauvorhaben in Wohnräumen zu erwartenden Verkehrslasten von 1,5 kN/m wäre es unbedingt erforderlich gewesen, den Balkenabstand auf maximal 40 cm zu begrenzen.
Dem Stand der Technik entsprechend und in Anlehnung an die nicht mehr gültige DIN EN 68771 beträgt die Stützweite bei diesen Verkehrslasten 36 cm. Aufgrund der unmittelbaren Frequentierung der Holzspanplatten und dem Teppichboden kam es zu erheblichen Durchbiegungen, die zu Bewegungen und Knarrgeräuschen im Bereich der Nagelung führten.
Verantwortlichkeit: Bodenleger ist unschuldig
Der Bodenleger muss nur die Oberfläche des ihm zur Verfügung stehenden Verlegeuntergrundes prüfen. Aus diesem Grunde genügt bei Holzspanplatten eine "Sichtprüfung". Er konnte nicht feststellen, ob und inwieweit die Holzspanplatten ordnungsgemäß befestigt waren. Auch konnte er nicht erkennen, dass keine dem Stand der Technik entsprechend schwimmende Spanplattenkonstruktion hergestellt worden war.
Der Entscheidungsträger für die Beauftragung der Bodenbelagsverlegung auf der Oberfläche der Holzspanplatten ist somit nach sachverständiger Ansicht hauptverantwortlich für die entstandenen Schäden. Im Innenverhältnis ist zu klären, wer für den Balkenabstand verantwortlich ist. Außerdem, inwieweit dem Auftragnehmer für die Verlegung der Holzspanplatten bekannt war, dass unmittelbar auf der Oberfläche der Holzspanplatten ein Bodenbelag verklebt wird.
War dies dem Verarbeiter der Holzspanplattenarbeiten bekannt, so hätte er im Hinblick auf die Balkenabstände Bedenken anmelden müssen. Außerdem wäre er verpflichtet gewesen, die Holzspanplatten ordnungsgemäß zu verschrauben. War er jedoch nur für die Herstellung einer Blindbodenkonstruktion beauftragt, so liegt die Verantwortlichkeit eindeutig auf Planerseite.
Der Autor: Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
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FussbodenTechnik 04/09
(Handwerk)