Gefahrstoffe bei Estrich-, Parkett und Belagsarbeiten (Fachvortrag von Dr. Klaus Kersting auf der Gemeinschaftstagung Estrich-Parkett-Belag 2009)

Der Mann mit dem explodierenden Oberkörper


Der Gefahrstoffproblematik wird im Fußbodenbau steigende Aufmerksamkeit gewidmet. Seit dem 1. Juni 2007 gilt REACH, eine EG-Verordnung zur Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. Von der Zulassungsbehörde in Helsinki wird nicht allein der chemische Stoff, sondern vor allem seine Verwendung beurteilt. Dr. Klaus Kersting von der Berufsgenossenschaft Bau erläuterte, wo im Fußbodenbau Gefahren lauern.

REACH fordert die Hersteller von Bodenbelagsklebstoffen auf, die Gesundheitsgefahren für ihre Stoffe zu klären, Grenzwerte festzulegen und für jede Anwendung die notwendigen Schutzmaßnahmen zu beschreiben. Parkettklebstoffe nach dem Giscode S1 fallen in den Gefährdungsbereich. Bei ihrer Verwendung müsste laut Berufsgenossenschaft ein umgebungsunabhängiges Atemschutzgerät getragen werden. Weil kein Parkettleger mit einer Sauerstoffflasche auf dem Rücken sein Holz verlegen will, ist es empfehlenswert, Klebstoffalternativen einzusetzen.

Lösemittelkontrollierte Klebstoffe wie S0,5 halten die Grenzwerte ein und können ohne Schutz verarbeitet werden. Aber für die Berufsgenossenschaft und die TRGS 610 gelten sie ebenso wenig als Ersatzstoff für lösemittelhaltige Produkte wie lösemittelfreie PU-Klebstoffe Giscode RU1. Letztere nämlich enthalten Isocyanate. Nur deshalb sind hier keine Schutzvorkehrungen nötig, weil Isocyanate bei einer Sprühanwendung, nicht aber bei der Spachtelverarbeitung Allergien auslösen können.

Grundsätzlich keine Schutzmaßnahmen nötig haben Dispersionsklebstoffe D1. Leider sind diese Kleber auf Kunststoffdispersionsbasis aufgrund ihres Wasseranteils nicht bei allen Parkett- und Holzarten nutzbar. Ebenfalls keinen Verarbeiterschutz erfordern bisher silylmodifizierte MS-Polymerklebstoffe RS10. Sie reagieren mit Wasser und setzen lediglich Methanol unterhalb des Grenzwertes frei. Hier will die Berufsgenossenschaft mit weiteren Luftmessungen und Biomonitoring (Urinprobe) ergründen, ob eine Belastung des Verarbeiters entsteht. Dr. Kersting appelliert an die Verleger: "Wir benötigen noch dringend Baustellen, bei denen SMP- oder PU-Klebstoffe verwendet werden, um Messungen durchzuführen und unsere Datenbasis zu verbessern."

Neue Gefahrstoffsymbole

Auch eine internationale Vereinheitlichung von Gefahrstoffsymbolen ist im Gange. Von 2009 bis 2015 sollen neue Piktogramme weltweit unter der so genannten GHS-Kennzeichnung (global harmonisiertes System) eingeführt werden. Der "Mann mit dem explodierenden Oberkörper" ist eines der neuen Zeichen. Wo es um die Atemwege geht, ersetzt sein Symbol in der roten Raute den bisherigen Totenkopf sowie das Balkenkreuz, die auf orange-gelbem Grund für giftig, reizend und gesundheitsschädlich gestanden haben.

Häufigste Hautkrankheit ist Maurerkrätze

Seit Januar 2005 müssen zementhaltige Produkte in Europa chromatarm sein (26.Änderung der RL 76/769/EWG: Beschränkungsrichtlinie). Dennoch gilt die Maurerkrätze noch immer als häufigste Hautkrankheit in der Bauwirtschaft. Das liegt aber weniger an den Zementprodukten als vielmehr an der Krankenstatistik. Berufskrankheiten werden heute eher anerkannt und auch leichte Fälle gehen in die Daten ein. "Schwere Erkrankungen sind zurückgegangen", sagt Dr. Kersting.

Estrichglättmaschinen im Fokus

Gefahren sieht der Experte vielmehr bei der Nutzung von Estrichglättmaschinen in geschlossenen Räumen. Die Motoren der Einfachflügelglätter oder Doppelflügelglätter erzeugen durch unvollständige Verbrennung giftiges Kohlenmonoxid. Dieses bindet sich im Blut des Verarbeiters schnell an das Hämoglobin und verdrängt den Sauerstoff. Erst nach Stunden zeigen sich Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Antriebslosigkeit. Eine hohe Konzentration von Kohlenmonoxid ist lebensgefährlich oder kann als Spätfolge Sprachstörungen und Nervenleiden hervorrufen.

Niemals, beschwört Dr. Kersting, sollten Estrichglättmaschinen ohne Entlüftung in geschlossenen Räumen genutzt werden. Auch Dieselmotoren sind keine Alternative, da sie Krebs erzeugende Stoffe ausstoßen. Besser ist es, einen Katalysator einzubauen oder den Motor auf Flüssiggas (LPG) oder Elektrobetrieb umzurüsten. Schließlich kann der Anwender mit einem Messgerät um den Hals arbeiten, das bei Grenzwertüberschreitung einen Piepton von sich gibt. Mehr Information zu diesem Thema findet sich unter www.gisbau.de/service/expo/doku/ExpoFluegel.pdf
aus FussbodenTechnik 04/09 (Handwerk)