Magnesiaestriche als Architekturelement

Estrich als fertiger Bodenbelag

Magnesiaestriche als Industrieestriche sind hoch beanspruchbar entsprechend DIN 18560, Teil 7. Sie haben sich im Industriebau auf Flächen von vielen Mio. qm unterschiedlichster Nutzung bewährt. Gleichzeitig erlebt der Magnesiaestrich als fertiger Bodenbelag eine Renaissance und wird gezielt als Architekturelelement eingesetzt. Walter Böhl, Leiter des Arbeitskreises Magnesiaestriche im Bundesverband Estrich und Belag (BEB), stellt diesen besonderen Estrich in allen seinen Facetten vor.

Magnesiaestrich wurde neben seinem Haupteinsatzgebiet als Industrieboden schon immer als Architektur- und Gestaltungselement in Lofts, Schulen und Museen eingesetzt. Gegenüber so genannten "Designestrichen" aus zementärer Spachtelmasse, zeichnen sie sich durch ihre im Industriebau seit Jahrzehnten bewährte hohe mechanische Beanspruchbarkeit aus.

Dennoch gab es eine Zeit, in der Estriche als Bodenbelag nicht mehr gefragt waren: Mit Aufkommen industriell hergestellter Textil-Bodenbeläge Anfang der 1950er Jahre verschwanden Estriche als Bodenbelag schlagartig vom Markt. Damit fand eine Entwicklung ihr Ende, die mit der Produktion von Linoleumbelägen (Walton in England, 1860, Kunststoffbelägen (Mipolam seit 1936) und kurz darauf PVC (Buna) eingesetzt hatte.

Magnesiaestriche als Steinholzestriche wurden bis 1950 mit einem hohen, heute kaum mehr nachvollziehbaren und bezahlbaren, handwerklichen Standard angeboten. Gegen die Perfektion eines industriell hergestellten Bodenbelags hatten sie keine Chance.

In der heutigen Zeit sind Estriche als Bodenbelag wieder gefragt. Vielleicht ist es eine Reaktion auf die Architektur unserer Zeit mit ihren perfekten und makellosen Materialen, wenn heute wieder nach Bodenbelägen gesucht wird, denen man ansieht, dass sie von Menschen hergestellt wurden.

Eigenschaften - Magnesiaestriche sind hoch beanspruchbar

Wer sich für einen Magnesiaestrich interessiert, sollte sich zunächst mit den Eigenschaften auseinandersetzen. Magnesiaestriche als Industrieestriche sind hoch beanspruchbar entsprechend DIN 18560, Teil 7. Sie haben sich im Industriebau auf Flächen von vielen Mio. qm unterschiedlichster Nutzung bewährt. Die Tauglichkeit für schweren Flurförderzeugbetrieb mit harter Bereifung ist selbstverständlich.

Eine gewisse Unregelmäßigkeit ist bei diesem Estrich gewünscht. Mineralisch gebundene Estriche sind durch mehr oder weniger stark ausgeprägte Unregelmäßigkeiten in ihrem Erscheinungsbild charakterisiert. Ein Zuviel aber auch ein Zuwenig oder eine andere Gestalt der Unregelmäßigkeiten, als die, die sich der Bauherr vorgestellt hat, können jedoch leicht zu Ärger führen.

Nachstehend soll versucht werden, eine Systematik in die möglichen Unregelmäßigkeiten und ihre Ursachen zu bringen. Dies ist allerdings nicht ganz einfach und mit Worten und Bildern nur sehr unzulänglich zu beschreiben. Es ist deshalb dringend erforderlich, dass der Bauherr ein entsprechendes Referenzobjekt besichtigt. Dies kann auch nicht durch Probeverlegungen vor Ort ersetzt werden, da zu deren Beurteilung nicht die erforderliche Zeitspanne zur Trocknung vorhanden ist. Jede Verlegung erfolgt unter anderen Rahmenbedingungen, deshalb ist eine absolute Gleichheit zu Referenzobjekten nicht zu gewährleisten. Ein "Kauf nach Muster" ist nicht möglich.

Man kann in materialbedingte, umgebungsbedingte und verarbeitungsbedingte Unregelmäßigkeiten unterscheiden.

Materialbedingte Unregelmäßigkeiten

Als Bauherr muss man sich unbedingt mit den materialbedingten Unregelmäßigkeiten des Magnesiaestrichs auseinander setzen. Es werden Bindemittel verwendet, die aus natürlichem Gestein gewonnen werden. Auch die Zuschläge wie Quarzsand, sind natürlichen Ursprungs mit unvermeidbaren Unterschieden zwischen einzelnen Lieferungen. Diese Unregelmäßigkeiten werden innerhalb eines Projekts durch die Verwendung einer Charge minimiert. Spätere Erweiterungen können etwas anders aussehen. Dies gilt auch für Muster, Musterverlegungen und Referenzobjekte. Die Herstellung einer genau definierten Farbe ist nicht möglich. Dies ist allerdings in der Regel kein Materialproblem, sondern auf Vorgänge zurückzuführen, die der Estrichleger nicht beeinflussen kann.

Umgebungsbedingte Unregelmäßigkeiten:
Unter umgebungsbedingten Unregelmäßigkeiten versteht man alle auf bauphysikalische Vorgänge (Temperatur im Untergrund, Feuchtigkeit des Untergrundes, Raumlufttemperatur, Raumluftfeuchtigkeit, Luftbewegung usw.) zurückzuführende Reaktionen des Bindemittels. Der Estrichleger kann auf diese Umstände nur hinweisen und ggf. Bedenken anmelden. Die Herstellung von günstigen Umgebungsbedingungen kann nur der Bauherr bewirken.

Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung müssen auf der gesamten Fläche so gleichmäßig wie möglich sein. Unterschiedliche Bedingungen können zu Farbunregelmäßigkeiten, aber in Folge von unterschiedlich schnell ablaufenden Erstarrungsreaktionen auch zu Unregelmäßigkeiten bei der Oberflächenbearbeitung führen. Zu geringe Luftbewegung verzögert die Trocknung und begünstigt das Wachsen von Ausblühungskristallen. Optimal wären 20 C und < 60 % rel. Luftfeuchtigkeit. 10 C sollten nicht unterschritten, 80 % rel. Luftfeuchtigkeit nicht überschritten werden.

Verarbeitungsbedingte Unregelmäßigkeiten:
Auf die verarbeitungsbedingten Unregelmäßigkeiten hat der Estrichleger direkten Einfluss. Gegenüber dem Industriebaustandard müssen besondere Maßnahmen und eine sehr erhöhte Sorgfalt berücksichtigt werden. Bei komplizierter Raumgeometrie und Störungen der Fläche z. B. durch Bodendosen vervielfacht sich der Aufwand, was häufig unterschätzt wird.

Trotz erhöhter Sorgfalt und der Anwendung besonderer Verarbeitungstechniken sind verarbeitungsbedingte Unregelmäßigkeiten nicht ganz zu vermeiden. Die Estrichoberflächen werden in der Regel maschinell geglättet. Bedingt durch die Maschinengeometrie werden Ränder und Ecken durch die Maschine nicht erreicht und können nur von Hand bearbeitet werden. Dadurch entstehen Verdichtungsunterschiede, die sich in Farbe und Struktur deutlich abzeichnen. Bei der nachträglichen Oberflächenbearbeitung können diese Bereiche nachgearbeitet werden. Diese Unterschiede bleiben jedoch sichtbar und dürfen nicht als Mangel gesehen werden.

Das zwangsläufig überlappende Bearbeiten der Fläche mit der Glättmaschine bewirkt Verdichtungsgradunterschiede, die sich abzeichnen. Stärker verdichtete Oberflächenbereiche trocknen langsamer aus und bleiben so länger dunkel. Unter den Glättwerkzeugen entstehen Mikrograte (Propellerspuren). Diese können bei der Nachbearbeitung der Oberfläche gemindert werden, bleiben jedoch in geringem Umfang sichtbar. Bei der Oberflächenglättung kommt es unvermeidbar zu minimalen Wellen, die normalerweise nicht stören. Im Steiflicht können sie jedoch sichtbar werden.

Langes Ausblühen und wasserempfindlich

Alle Estriche, die im Verbund auf einen neuen Betonboden verlegt werden, blühen wegen der Feuchtigkeit im Beton verhältnismäßig lang aus, bis der Beton fast seine Ausgleichsfeuchte erreicht hat. Dies gilt besonders für dunkel eingefärbte Böden. Bei "weiß" eingefärbten fällt es kaum auf. Zum Fertigstellungs- bzw. Abnahmetermin wird sich der Endzustand nicht einstellen. Der Einsatz von sichtbaren Verbundestrichen bei Neubauten im optisch höherwertigen Bereich ist deshalb problematisch. Bei Altbauten besteht das Problem in der Regel nicht, da der Beton ausgetrocknet ist, beziehungsweise seine Ausgleichsfeuchte erreicht hat.

Magnesiaestriche sind nicht geeignet für lange Wassereinwirkung. Dies wird bei den hier betrachteten Bereichen auch selten vorkommen. Mit grundlegenden Problemen ist also sicher nicht zu rechnen.

Es ist jedoch auch bei kürzerer Wassereinwirkung mit Verfärbungen und Wasserrändern usw. zu rechnen. Die Nutzer müssen dies wissen und beachten, sonst kann ein kaum mehr zu entfernender Wasserrand unter einer Topfpflanze Anlass zu einem Streit geben.

Was ist beim Einbau zu beachten?

Ist der Magnesiaestrich erst eingebaut, muss man Schutzmaßnahmen ergreifen. Das bereits über die Trocknung und das Raumklima Gesagte gilt auch nach der Verlegung bis zur Fertigstellung der Oberflächenbehandlung bzw. bis zur Inbetriebnahme. Abdeckungen dürfen nicht verwendet werden - auch nicht mit offenporigen Materialien. Bei akuter Verschmutzungsgefahr müssen Abdeckungen sofort nach Gebrauch wieder entfernt werden. Verschmutzungen durch Flüssigkeiten, Mörtel usw. sind zu vermeiden.

Oberflächenbehandlung:
Für eine sach- und fachgerechte Oberflächenbehandlung wird die Estrichoberfläche nach ausreichender Trocknung mit speziellen Schleifwerkzeugen (Diamatpads Körnung 60) geschliffen. Dabei werden Verschmutzungen beseitigt und Bearbeitungsspuren gemindert. In Ausnahmefällen, bei starker Verschmutzung durch den Ausbaubetrieb, kann eine Nassreinigung mit den gleichen Werkzeugen oder schwarzen Pads erforderlich werden.

Imprägnierung:
Bei allen Farben mit Ausnahme von weiß ist eine Imprägnierung auf der Basis pflanzlicher, verharzender Öle (Leinöl, Safloröl) zu empfehlen. Dieses Material dringt im Gegensatz zu Wachsen und Kunstharz tief in den Porenraum ein und wirkt farbvertiefend. Dadurch kommt die Farbwirkung des Materials überhaupt erst richtig zur Geltung. Weiße Böden behandelt man mit Emulsionswachsen. Kunstharzimprägnierungen sind mit bestimmten Materialien möglich. Gegenüber Öl dringen Kunstharze weniger oder nicht ein. Dadurch ist der farbvertiefende Effekt geringer oder nicht vorhanden und die Oberfläche besteht aus einem "Lackfilm". Dies kann in bestimmten Fällen gewünscht sein, hat aber auch die bekannten Nachteile einer Kunstharzoberfläche.

Im Bereich der Ränder kann das Imprägniermaterial geringfügig lasierend pigmentiert werden, um die bearbeitungsbedingten Ungleichmäßigkeiten an den Rändern zu dämpfen. Falls erforderlich, kann eine mit Öl imprägnierte Oberfläche mit einem Emulsionswachs behandelt werden. Durch Bohnern erzeugt man Glanz. Weiße Böden dürfen nicht durch Öle imprägniert werden, da diese eine gelbliche Eigenfarbe haben. Hier sind Emulsionswachse zu empfehlen.

Verlegung auf schwimmenden Estrichen:
Wegen der erfahrungsgemäß geringsten Verformung ist konventioneller Calciumsulfatestrich für die Verlegung auf schwimmenden Estrichen zu empfehlen. Der Magnesiaestrich sollte so dünn wie möglich ausgeführt werden. Da auf schwimmenden Estrichen kein Toleranzausgleich erforderlich ist, sind < 8 bis 10 mm ausreichend.

Vom Planer muss die Fugenplanung unter Beachtung der einschlägigen Regeln und unter Respekt vor allzu großen Einzelflächen durchgeführt und vom Estrichleger sorgfältig umgesetzt werden. Dabei müssen sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass hier kein Bodenbelag vorhanden ist, der feine Risse des schwimmenden Estrichs überbrücken kann. Hier wird jeder Riss sichtbar und jede Reparaturstelle optisch betont.

Die Randstreifen sollten in der Dicke etwas überdimensioniert werden, da der Randstreifen im Oberflächenbereich durch die Bearbeitung des Magnesiaestrichs etwas zusammengedrückt wird. Die Randstreifen müssen dicht und in den Ecken scharfkantig ausgeführt werden. Insbesondere wenn keine Sockelleisten angebracht werden und die Randfuge sichtbar bleibt.

Magnesiaestriche mit selbstverlaufender Oberfläche:
Für Magnesiaestriche mit selbstverlaufender Oberfläche sind alle Regeln und handwerkliche Erfahrungen anzuwenden, die auch von anderen selbstverlaufenden mineralischen Systemen bekannt sind. So sind passgenaue Anschlüsse eigentlich nicht herzustellen und Luftblasen sind nicht ganz zu vermeiden. Gegenüber zementären, selbstverlaufenden Designböden ist die mechanische Festigkeit jedoch sehr hoch und durchaus "industrietauglich".

Der Autor: Walter Böhl ist Obmann des BEB-Arbeitskreises Magnesiaestriche. Als Unternehmer verfügt er über jahrzehntelange Erfahrungen mit diesen Spezialestrichen.


BEB Hinweisblatt - Bewertung der Optik von Magnesiaestrichen mit sichtbarer, direkt genutzter Oberfläche

Das BEB Hinweisblatt "Bewertung der Optik von Magnesiaestrichen mit sichtbarer, direkt genutzter Oberfläche" ist im März 2009 erschienen. Es ist das erste Hinweisblatt, das sich dem Thema der Bewertung der Optik eines Estrichs befasst.

Der Arbeitskreis Magnesiaestriche hat lange gezögert bis er sich zur Veröffentlichung entschloss. Erste Vorschläge wurden bereits 2004 gemacht. In den letzten Jahren ist das Thema jedoch immer aktueller geworden, da immer öfter Estriche als Architekturelement eingesetzt werden. Auch an die Optik von Industrieestrichen werden immer höhere Ansprüche gestellt. Es war deshalb nötig, ein geordnetes Verfahren zur optischen Bewertung zu beschreiben.

Dies gilt nicht nur für Magnesiaestriche, sondern für alle Systeme. Der Arbeitskreis Magnesiaestrich hat das Blatt deshalb zunächst so gestaltet, dass es für alle mineralisch gebundenen Estriche eingesetzt werden kann. Da andere Arbeitskreise eigene, materialspezifische Hinweisblätter erarbeiten wollen, wurde es zum Schluss wieder auf den Magnesiaestrich reduziert. Hinweise für zementgebundene Industrieböden und Betonböden sowie Zementestriche sind in Vorbereitung.

Das Hinweisblatt soll bewirken, dass sich Planer, Estrichleger und Kunden vor der Ausführung gemeinsam darüber klar werden, was zu erwarten ist, beziehungsweise was geschuldet wird. Dazu werden drei Bereiche unterschieden:

1. Bereiche mit ausschließlich funktionalen Anforderungen. Dabei wird die Optik nicht bewertet.

2. Bereiche mit überwiegend funktionalen Anforderungen, in der Regel der normale Industriebau. Dabei wird die Optik mit maximal 10 % bewertet.

3. Bereiche mit überwiegend optischen Anforderungen. Hier ist der Estrich vorrangig gestalterisches Architekturelement.
aus FussbodenTechnik 05/09 (Estrich)