Leser fragen - Hanfland antwortet
Rückbau aufwendiger als beschrieben - besondere Vergütung gerechtfertigt?
Die Firma Dieter Holschbach GmbH aus 51597 Morsbach schildert folgenden Sachverhalt:
Ein Bauherr schreibt die Durchführung von Bodenbelagarbeiten aus. Es handelt sich um ein Gebäude aus den 70er Jahren, welches kernsaniert wird. Unter der Position 1.001.3 ist wie folgt formuliert: "1.800 m vorhandenen, textilen Bodenbelag (Nadelvlies) aufnehmen und entsorgen. Das Material geht in das Eigentum des Auftragnehmers über. Preis/m...."
Die Firma Holschbach ist Mindestbietende und erhält den Zuschlag zur Durchführung der Arbeiten. Nach der Einrichtung der Baustelle und dem Beginn der Rückbauarbeiten stellt der Auftragnehmer fest, dass das Gebäude so hergestellt ist, dass in den 5 Etagen der Nadelvliesbelag komplett durchgelegt wurde und erst anschließend die Trockenbauwände für die jeweiligen Büros auf den Nadelvliesbelag errichtet wurden. Beim Rückbau entsteht nach Auffassung des Auftragnehmers zusätzlicher Aufwand dadurch, dass der Belag nicht einfach im verklebten Zustand an die aufgehenden Wände ansteht, vielmehr zunächst an den Wänden aufgeschnitten und erst dann zurückgebaut werden kann.
Frage: Erhält der Auftragnehmer hierfür eine besondere Vergütung?
Rechtsanwalt Hanfland antwortet:
1. Gemäß DIN 18365 VOB/C Ziffer 4.2.4 stellt die "Beseitigung alter Beläge und Klebstoffschichten" eine besondere Leistung dar. Es handelt sich also um eine vergütungspflichtige Leistung, welche auch getrennt als eigene Position auszuschreiben ist, vgl. DIN 18299 Abschnitt 04.2. sowie Beckscher VOB-Kommentar DIN 18365 Randziffer 136.
Nach vorstehender, allgemeiner Regelung könnte sich der Auftraggeber auf den Standpunkt stellen, er habe den Rückbau der Bodenbeläge als besondere Leistung ordnungsgemäß ausgeschrieben und der Bieter bekomme keine zusätzliche Vergütung.
2. Öffentliche Auftraggeber haben gemäß § 9 Ziffer 1 VOB/A die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Gemäß § 9 Ziffer 2 VOB/A darf dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden. Für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.
3. Im vorliegenden Fall hat es der Auftraggeber bei Aufstellung der Ausschreibung schlichtweg unterlassen, darauf hinzuweisen, dass die Trennwände der Büros, die Trockenbauarbeiten, erst nach Bodenbelagverlegung ausgeführt wurden und dementsprechend die Bodenbeläge nicht in den einzelnen Räumen, vielmehr geschossweise bzw. bahnenweise verlegt wurden. Bei Aufstellung des Leistungsbeschriebs hätte der Auftraggeber meiner Auffassung nach also darauf hinweisen müssen, dass der aufzunehmende Belag an den aufgehenden Wänden erst eingeschnitten werden muss.
4. Aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Aufstellung der Leistungsbeschreibung erhält der Auftragnehmer also einen zusätzlichen Vergütungsanspruch, den er jedoch vor der Bauausführung gegenüber dem Auftraggeber i. S. v. § 2 Ziffer 6 VOB/B geltend machen muss, vgl. auch Kaulen/Strehle/Kille, Kommentar und Erläuterung zur VOB DIN 18 299, S. 69.
Der Autor: Andreas Hanfland ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Lennestadt.
Kontakt: Rechtsanwälte Hanfland & Partner
Helmut-Kumpf-Straße 5
57368 Lennestadt
Tel.: 02723/6 00 08
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FussbodenTechnik 05/09
(Recht)