Aktuelle Entscheidung aus dem Vergaberecht

Wie kann man eine öffentliche Ausschreibung "kippen"?


Sachverhalt:
Im Rahmen der Erstellung eines Neubaus schreibt der Auftraggeber das Gewerk Bodenbeläge aus. Bei drei Leistungsverzeichnispositionen sind zwei Teppichböden eines bestimmten Herstellers als Leitfabrikat aufgeführt, deren gesamten technischen Merkmale gefordert werden. Ein Bieter möchte ein Konkurrenzprodukt anbieten. Aufgrund der geforderten technischen Merkmale der Leitfabrikate ist ihm dies nicht möglich. Der Bieter rügt daher noch vor Angebotsabgabe, dass die Ausschreibung nicht produktneutral erfolgte. Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, dass jeder Bieter die Möglichkeit habe, gleichwertige Produkte anzubieten. Das Leitprodukt wurde aus Gründen der Umsetzung eines stimmigen gestalterischen Gesamtkonzeptes gewählt und diese Entscheidung des Auftraggebers sei nur ganz begrenzt überprüfbar. Der Bieter leitet daraufhin ein so genanntes Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Arnsberg ein.

Entscheidung:
Die Vergabekammer Arnsberg (Beschluss vom 25.05.2009 VK 8/09) hebt die Entscheidung auf. Eine Vorgabe von Leitfabrikaten ist gemäß §9 Nr. 10 VOB/A nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Vorschriften nicht möglich ist. Wenn ein Auftraggeber ein bestimmtes Produkt benennt, muss er dies eingehend, ggf. hinsichtlich sämtlicher technisch relevanter Teile begründen und dokumentieren, z. B. auf der Basis eines Gesamtkonzeptes, bautechnische Gutachten, etc. Die ordnungsgemäße Betätigung des Ermessens, also die Darlegung, warum gerade dieses Leitprodukt gewählt wurde, muss erkennbar und nachvollziehbar sein. Eine solche eingehende sachliche Begründung war in dem vorliegenden Fall nicht erfolgt.

Hinweis für den Bodenleger:
Es ist immer wieder festzustellen, dass Auftraggeber Leitfabrikate ausschreiben und hierbei auch die Ausschreibungsempfehlungen des Herstellers und sämtliche technischen Daten übernehmen. Die Entscheidung zeigt, dass die Zulässigkeit der Ausschreibung von Leitfabrikaten der Ausnahmefall ist. Eine sachliche Begründung, warum gerade nur ein Bodenbelag mit seinen gesamten technischen Merkmalen die Bedürfnisse des Auftraggebers erfüllt, dürfte schwer zu begründen sein. Sofern man feststellt, dass in einer Ausschreibung ein Leitfabrikat ausgeschrieben wird und man sich hierdurch in Anbietung eines Konkurrenzproduktes gehindert sieht, sollte man sofort nach Feststellung des Verstoßes den Auftraggeber anschreiben und zur Korrektur seiner Ausschreibung auffordern. Dies muss unbedingt vor Angebotsabgabe erfolgen. Sollte der Auftraggeber hierauf nicht kurzfristig reagieren, sollten man sich möglichst schnell an seinen Rechtsbeistand wenden, damit die Erfolgsaussichten des weiteren Vorgehens besprochen werden können. Im Vergaberecht muss grundsätzlich schnell gehandelt werden.
aus FussbodenTechnik 05/09 (Recht)