Häbers Bettenstube

Liebenswerter Wäsche-Basar in Berlin

Berlin-Charlottenburg - Hier auf dem "Kiez" liegt das Wäschefachgeschäft Bettenstube Häber Wand an Wand mit einem Karstadt-Kaufhaus. Nicht schlecht positioniert, möchte man meinen. Dabei profitiert der nach außen hin anziehend aufgemachte Laden aber eher von der im Wohnviertel noch relativ intakten Infrastruktur aus Handel, Gewerbe, Gastronomie. In Sichtweite zieht ein Wochenmarkt Besucher an; so kann die Bettenstube vom Kundenstrom auf der Straße partizipieren.

Dass die Adresse "Pestalozzistraße 29" über einige Frühjahrswochen nun besonders stark frequentiert war, lag an einem TV-Bericht. Der Sender rbb hatte in einer seiner Abendschauen auf dem Sendeplatz, wo regelmäßig kleine originelle Berliner Geschäfte vorgestellt werden, Häbers Bettenstube ins Bild gesetzt und offensichtlich viele Fernsehzuschauer darauf neugierig gemacht: Zugunsten des Umsatzes - und das war gut so...

Die neugierig Gewordenen kamen wie die Stammkunden zum Stöbern in den schlauchartig ins Gebäude-Innere reichenden Laden, der - was Warenfülle anbelangt - nicht nur in Berlin seinesgleichen sucht. Jegliche Wäschesortimente liegen - teils in Stapeln - sprichwörtlich griffbereit verstaut in Regalen und davor auf Boards, Tischen, Simsen beidseitig an den Wänden. Die 60 qm durchaus gemütliche Ladenfläche ist so kaum mehr zu erahnen. Dazwischen gibt es Seifen, Düfte, Kerzen, Kosmetiktäschchen, Dosen und anderes mehr als Beisortimente, die nicht nur vom Geruch her ein wenig orientalisches Flair verbreiten. Sogar der Ladentisch ist vielschichtig mit Haustextilien und einschlägigen Accessoires belegt und stellt so eine Deko-Fläche an sich dar. Tisch- und Bettwäsche, Geschirr- und Küchenhandtücher, Frotteewäsche einschließlich Bade- und Morgenmäntel, Wolldecken, Bettüberwürfe, Daunendecken, Gobelin-Kissen und bestickte Kissenbezüge wie auch andere niedliche Kleinigkeiten - alles in allem ein umfangreiches Angebot textiler Produkte, das sich auf den ersten Blick als liebenswertes Chaos darstellt. Ein Unikat ist der Laden allemal.

Auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich bei dem Angebot in der Mehrzahl um Qualitätserzeugnisse auch namhafter europäischer Hersteller handelt; aus Deutschland auch unter Betonung "aus den neuen Bundesländern", aus Italien und Frankreich. Offenkundig wird genauso, dass die Bettenstube-Inhaber Hella (63) und Igor Häber (44) als Mutter-Sohn-Unternehmen dieses auch innerhalb der einzelnen Warengruppen breit sortierte Angebot absolut beherrschen. Aus Passion; sie sind mit Leidenschaft dabei und leben gewissermaßen ihr Textileinzelhandelsgeschäft, "wo die Leute noch traditionell Wäsche kaufen, beispielsweise bei Bettwäsche noch viel Weißes oder gewebte Muster, und wo man anstatt Reißverschluss auch Knopfverschlüsse akzeptiert."

Die Bettenstube gibt es seit 15 Jahren, seit acht Jahren am Standort Berlin-Charlottenburg. Hella Häber, die Handel von der Pike auf gelernt hat, gründete das Geschäft nach Übersiedelung aus Frankfurt/Oder. "Ich bin hier mit Leib und Seele bei der Sache", sagt sie. Mit Leidenschaft dabei ist auch Sohn Igor, der in "Wanderjahren" sich an Kunst- und Philosophiestudium versuchte und bei Inneneinrichtern u. a. in Venedig und Paris sozusagen (Branchen)Staub gewischt hat. Er ist bekennender Textil-Freak mit besonderem Interesse für Stylistik. Sein Bekenntnis: "learning by doing." Er könne "Schöngeistigkeit beim Einkauf der Ware ausleben als Motivation für den Job im Laden", was man den einzelnen Sortimenten durchaus ansieht.

Bei Bettwäsche wird das Hauptgeschäft mit Artikeln in Weiß gemacht, auch mit glänzenden Damasten, klassisch gewebten Karos oder romantisch anmutenden Konfektionsvarianten. Die Lieferanten müssen in der Lage sein, Sonderkonfektionen anzubieten. Etwas Besonderes müsse die Ware schon darstellen, wie zum Beispiel Leinenbettwäsche aus der Oberlausitz oder auch Garnituren aus russischem Leinen, die unter dem Label "just linen" vertrieben werden. Leinen ist in der Bettenstube überhaupt ein großes, nach außen hin extra beworbenes Thema. In reichlicher Auswahl sind Tischdecken, Servietten, Handtücher, Kissenhüllen und vieles mehr zu finden; Geschirrtücher inklusive, die hier in verschiedensten Qualitäten in wahrhaftig riesiger Auswahl zur Verfügung stehen.

Leinen spielt auch beim Frottierangebot eine besondere Rolle. Wie klassische Baumwollartikel finden im brandenburgischen Spremberg gefertigtes Leinenfrottier des US-amerikanischen Anbieters Delpex und das neue Leinen-Handtuchsortiment Liné der Leinenweberei Hoffmann aus Neukirch/Oberlausitz kontinuierlich Zuspruch.

Tischwäsche - als Fachhandelssortiment im Allgemeinen stark rückläufig - erlebt in der Bettenstube Häber dauerhaft eine Renaissance. Zwei Dinge werden als Gründe genannt: Zum einen müsse intensiv beraten werden, und zum anderen genügend Auswahl gegeben sein. So wird das Angebot klassischer Artikel belebt von farbintensiven Tischdecken mit mediterranem Flair in Form von Jacquards in Damast und Leinen. Um Kundenwünsche nach Sondermaßen zu erfüllen, werden z.B. auch Leinen-Mangeltücher umfunktioniert.

Als besonders konsumig erweisen sich Decken im Allgemeinen und Wolldecken im Besonderen. Artikel des einheimischen Anbieters Forster Webwaren bilden die Basis, auf der das breite Deckensortiment aufbaut: Von bezogenen Wolldecken über mongolisches Kaschmir, feine verspielte Strickdecken aus Frankreich bis hin zu Tagesdecken bzw. Bettüberwürfen international tätiger Anbieter.

Wenn ein Sortiment Accessoires hervorgehoben zu werden verdient, dann sind das Kissen. Das Angebot dürfte kaum zu toppen sein: Kissenhüllen - auch gefüllt - aus Baumwolle, Leinen, Oberlausitzer Bauerndamast, in Patchwork, mit Gobelinstoffen oder bestickt; nichts, was es nicht gibt. Die karierten Maiglöckchen würde man anfertigen lassen.

Um die Firmierung "Bettenstube" zu rechtfertigen - das direkte Bettwarenangebot im Laden beschränkt sich auf Federkissen und Daunendecken. Stammkunden vertrauen auf die Kompetenz von Hella Häber und Sohn Igor und kaufen auf Bestellung Lattenroste und Matratzen nach Beratung anhand Katalog. Fey & Co. wird von den Häbers als Lieferant favorisiert. "Wie früher sucht man bei uns die nach Kundenmeinung ordentliche Federkernmatratze. Der Trend zu Schaumstoffen hat bei uns nicht stattgefunden", heißt es, "bei uns ist auch bei Bettwaren so manches anders als anderswo."

Was offensichtlich auch für die in erster Linie kundenbezogene Firmenphilosophie gilt. "Wir sind bemüht, jeglichen Kundenwunsch zu erfüllen und das in ordentlicher Produktqualität. Bei uns gibt es aber auch in Sachen Preise kaum Reduzierungen, kaum Rabatte und schon gar nicht Rabattaktionen. Unsere Praxis: Wenn jemand nach Beratung ein Qualitätsprodukt auswählt und nicht auf einen roten Preis aus ist, dann kann es sein, dass er mit einem Geschenk belohnt wird. Unsere Kunden wissen, dass wir bei allem eine normale, ehrliche Kalkulation machen. Beispiel gefällig? Rote Preise an Kopfkissen nebenan bei Karstadt entsprechen immer den schwarzen Preisen bei uns."
aus Haustex 08/09 (Handel)