Baumärkte im Internet
(Noch) Keine Konkurrenz für Raumausstatter
Das Internet hat sich längst als hervorragendes Informations- und Kommunikationsmedium etabliert. Zunehmend gewinnt jetzt der kommerzielle Aspekt an Bedeutung. Immer mehr Verbraucher kaufen online ein. Inzwischen werden in Deutschland deutlich zweistellige Milliardenbeträge über das Internet umgesetzt. Droht dem Fachhandel auch hier Konkurrenz von der Großfläche? Denn die Bau- und Heimwerkermärkte, die neben vielen anderen tausend Artikeln auch die Produkte unserer Branche führen, sind alle im Internet präsent. Informieren sie nur oder verkaufen sie auch online? BTH Heimtex hat das untersucht und sich die Webseiten der großen Baumarkt-Betreiber angeschaut, sie auf Funktionalität und kreatives Potenzial geprüft.
Das Internet wird von den Verbrauchern schon lange als Informationsquelle genutzt. Immer häufiger werden die Produkte, über die man sich eben noch am Computer informiert hat, auch gleich online eingekauft. Im Jahr 2008 belief sich der gesamte übers Internet getätigte Umsatz auf 13,6 Mrd. EUR. Tendenz steigend. Erfreulich: Auch wenn der Anteil über das Internet gehandelter Produkte für die Raumausstattung noch eher gering ist, beginnt die Branche aufzuholen und das Medium intensiver zu nutzen. Großhändler wickeln Bestellungen ihrer Abnehmer in geschlossenen Systemen übers Internet ab. Einzelhändler, Bodenleger und Raumausstatter präsentieren sich im Netz mit ihren Produkten und Dienstleistungen.
Auch im Internet konkurrieren Fachhandel und Handwerk mit den Wettbewerbern im stationären Handel: Bau- und Heimwerkermärkte führen neben vielen tausend anderen Artikeln auch solche für die Ausgestaltung und Renovierung des Zuhauses. Daher lohnt es sich, Qualität, Funktionalität, kreatives Potenzial und Bestellmöglichkeiten der einzelnen Anbieterseiten genauer zu betrachten.
Die großen Drei: Viele Produkte nur als Appetitanreger
Der Branchenriese Obi führt unter dem Stichwort "Katalog" das "Küchenstudio" und fünf Bestellsortimente auf. Unter "Holz und Bauen" gelangt man zu zwei Katalogen mit Laminatkollektionen ohne Preisangaben. Parkett, Teppichboden, Tapeten oder Farben - Fehlanzeige. Eine magere Ausbeute.
Versucht man, die Produkte über das allgemeine Suchfeld zu finden, erhält man zwar mehr oder weniger lange Trefferlisten. Mit Ausnahme der Laminatkollektionen handelt es sich aber fast ausschließlich um Verlegetipps. Zudem ist die Relevanz der Treffer teilweise nicht allzu hoch.
Der Verkauf aller Produkte findet in den Obi-Märkten vor Ort statt.
Bei Praktiker hat man ganz auf ein Suchfeld verzichtet. Das Sortiment ist in jene sechs Rubriken unterteilt, die man auch in den Märkten wieder findet. Allerdings gibt es für den Besucher der Webseite keinerlei Produktinformationen, sondern lediglich die einzelnen Warengruppen in jeder Rubrik; unter "Wohnen" etwa Farben, Teppichböden, Gardinen und Tapeten.
Über den Menüpunkt "Werbung & Kataloge" gelangt man zur unvermeidlichen "20 % auf..."-Aktion und immerhin einer Reihe von Katalogen, die auch die Parkett- und Laminatkollektionen vorstellen; allerdings wie bei Obi ohne Preisinformationen oder eine Möglichkeit zur Bestellung.
Toom führt das Stichwort "Sortiment" auf seiner Startseite. Nach zwei Klicks gelangt der User auf die Seite "Wohnen & Gestalten". Das Angebot ist insgesamt umfangreicher als bei Obi oder Praktiker. Allerdings bieten manche Produktgruppen gerade einmal einen Artikel (Tapeten) oder lediglich Zubehör (Laminat). Zu allen Angeboten heißt es: "Nur ein kleiner Ausschnitt aus unserem Sortiment. Weitere Artikel finden Sie in unseren Märkten". Der Weg über die Produktsuche führt zum gleichen Ergebnis und auch hier ist die Relevanz der Suchergebnisse nicht sonderlich hoch.
Immerhin werden bei Toom auch Preise genannt, die allerdings nicht verbindlich sind, da sie sich von Markt zu Markt unterscheiden können.
Das bieten Bauhaus, Hagebau, Hornbach und Globus
Bei Bauhaus wird unter "Angebote" die jeweils aktuelle Werbebeilage gezeigt. Zudem kann man den über 1.000 Seiten starken Gesamtkatalog bequem online durchblättern. Preisangaben fehlen teilweise. Wer sicher gehen will, die gewünschte Ware auch wirklich zu bekommen, kann den 24-Stunden-Bestellservice nutzen und seinen Auftrag direkt an den nächstgelegenen Bauhaus-Markt schicken - per Telefon, Fax oder E-Mail. Drei Tage liegt die Ware dort abholbereit oder kann auf Wunsch nach Hause geliefert werden.
Als einzige der großen Baumarktketten bietet Hagebau einen Online-Shop an - in Kooperation mit dem Versandhaus Otto. Die Abwicklung erfolgt wie bei allen derartigen Systemen über einen Warenkorb. Natürlich sind hier alle Artikel mit einem - verbindlichen - Preis gekennzeichnet. Nach vorheriger Anmeldung und der Eingabe von Kontakt- und Zahlungsinformationen wird der Einkauf abgeschlossen.
Das Angebot ist umfangreich und verständlich kategorisiert: Farben, Tapeten, Bodenbeläge - alles ist vorhanden, einschließlich der zur Verarbeitung benötigten Werkzeuge. Am einfachsten findet der Kunde sein Produkt über das Suchfeld. Die Ergebnisse lassen sich wiederum nach Kategorien, Herstellern/Marken oder Höhe des Preises sortieren.
Bei Hornbach findet man die Produkte über den Menüpunkt "Prospekte". Die Sortierung ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig - so versteckt sich Sonnenschutz im Farben-Prospekt -, aber schließlich findet man doch die aktuellen Angebote.
Nur wenig schneller gelangt man zu dem betreffenden Prospekt über das Suchfeld der Startseite. Zumal die Trefferliste mit bereits seit Monaten veralteter Werbung aufwartet.
Apropos veraltet: Im Trendbereich präsentiert Hornbach die Tapetentrends 2007.
Auf der Webseite der Globus-Baumärkte sucht man lange nach Produktvorstellungen. Erst wer auf die Idee kommt, über den "Marktfinder" den Globus-Baumarkt in seiner Nähe ausfindig zu machen, gelangt so zu einem Online-Prospekt mit aktuellen Angeboten.
Dazu gehören auch Farben und Parkett, wobei die Inhalte mit jedem neuen Prospekt wechseln dürften.
Startseite, Navigation und Interaktion
Die Startseite ...
... einer Homepage ist die Visitenkarte des Betreibers. Sie sollte einladend und übersichtlich gestaltet sein. Anderenfalls kann es passieren, dass sich der User schon hier verabschiedet.
Die Startseiten der Baumärkte sind sehr ähnlich gestaltet. Die Zeit ständig blinkender Werbbanner scheint vorbei. Stattdessen werden ausgewählte Produkte, Serviceleistungen oder Aktionen in einer ruhigen Animation präsentiert. Darüber hinaus führen zusätzlich zu den Navigationsleisten direkte Links zu einzelnen Bereichen der Webseite. Einzige Ausnahme: Die Globus Baumärkte stellen neben den Direktlinks lediglich eine aktuelle Zeitungsbeilage in den Mittelpunkt ihrer Seite.
Das Navigieren und Zurechtfinden ...
... auf Webseiten ist ein wesentliches Kriterium für die Verweildauer des Users. Wer lange suchen muss, bis er das Gewünschte findet, verliert leicht die Geduld.
Generell sind die Webseiten der Baumarktketten einfach zu bedienen. Den Besuchern werden meist mehrere Weg angeboten, Produkte zu finden: Über Links wie "Angebote", "Kataloge" oder "Sortiment" sowie über die direkte Produktsuche.
Wer sich für den Katalog entscheidet, dem wird in der Regel ein Prospekt (oder mehrere) zum bequemen virtuellen Blättern präsentiert. Alternativ lässt er sich als PDF-Datei auf den eigenen Rechner herunterladen.
Service ...
... wird bei allen Baumärkten stark betont. Wobei hier der so genannte Pre-Sales-Service gemeint ist, also die Dienstleistung im Vorfeld des Kaufes. Im Wesentlichen sind es Ideen und Ratschläge, die dem Heimwerker dabei helfen sollen, die Baumarktprodukte richtig ein- oder aufzubauen beziehungsweise kreativ zu nutzen. So finden sich beispielsweise Anleitungen für die Verlegung von Bodenbelägen oder das Streichen von Wänden. Die Kunden können sich auch über umweltfreundliche Produkte, die richtige Farbauswahl für Wohnprodukte oder die Verwendung geeigneter Pinsel informieren.
Darüber hinaus werden Serviceleistungen vorgestellt, die im Baumarkt vor Ort angeboten werden, wie etwa Farbmischservice, Geräteverleih, Lieferservice, Heimwerkerseminare oder sogar eine Wohnraumberatung.
Interaktivität ...
... ist inzwischen für eine gelungenen Internettauftritt unverzichtbar. An Webseiten, auf denen man selbst nichts tun kann, verlieren Besucher schnell ihr Interesse.
Mit Foren beleben viele Baumärkte ihre Webseiten. Sie bieten interessierten Usern die Möglichkeit, sich zu selbst gewählten Themen auszutauschen. So erhält der Heimwerker von Gleichgesinnten Hilfe und Anregungen bei der (Um-)Gestaltung seines Zuhauses. Besucher, die lieber passiv bleiben, können zumindest lesen, was andere zu sagen haben. Es soll allerdings auch Foren geben, bei denen die Beiträge von phantasiebegabten Werbetextern geschrieben werden.
Auch Bewertungen sind beliebt. Obi und Toom lassen ihre TV- und Web-Spots beurteilen oder kommentieren. Praktiker animiert seine Internet-Besucher, online eine eigene Spielanlage zu planen und zu "bauen". Und Bauhaus nutzt den Webauftritt, um die Kunden eine interaktive Besichtigungstour durch eines der Baustofflager machen zu lassen. Bei Hagebau schließlich kann der User eine Bewertung zu bestimmten Produkten vornehmen und mit etwas Glück einen 50-EUR-Gutschein gewinnen.
Nützlicher Nebeneffekt der meisten Mitmach-Angebote: Stets werden auch persönliche Daten abgefragt. So lässt sich einfach eine Kundenkartei aufbauen und ohne viel Aufwand Marktforschung betreiben.
Videos ...
... können die Baumarkt-Webseiten auflockern und interessanter machen. Wobei zwischen Videos mit eindeutig werblichen Inhalten und solchen mit Informationen zu Produkten und deren Verarbeitung unterschieden werden muss. Die Grenzen sind allerdings fließend. Während Obi es bei den TV-Spots belässt, bieten Hornbach, Toom und vor allem Bauhaus informative Online-Workshops an - Letzterer sogar mit passender Materialliste zum Ausdruck.
Online-Verkauf oder nicht? Das ist hier die Frage
Die große Mehrheit der Baumärkte begreift das Internet nicht als Plattform für den unmittelbaren Verkauf. Hagebau ist die Ausnahme: Anfang 2007 hat man sich zur Kooperation mit Otto entschlossen. Zuvor war Konkurrent Obi Partner des Hamburger Versandhauses. Bei Globus heißt es vage, man sei zurzeit in der Vorbereitungsphase für einen Test. Alle anderen nutzen ihre Internetpräsenz nur, um
ihre Sortimente in Kurzform vorzustellen,
ihre Kataloge zu präsentieren,
auf ihre Dienstleistungen hinzuweisen,
ihre Märkte vor Ort zu benennen.
Was den Online-Verkauf betrifft: Er mache wirtschaftlich keinen Sinn, ist von Bauhaus zu hören. Es ist auch die Rede davon, dass sich viele Artikel aufgrund von Größe und Gewicht nicht für diese Verkaufsform eignen. Dem ließe sich entgegen halten: Heute werden von etlichen Anbietern Waschmaschinen, Fernsehgeräte und andere sperrige Güter online verkauft. UPS, Hermes-Versand, DHL und andere Dienste haben ein so feinmaschiges Lager- und Versandnetz gesponnen, dass die Sendung ein, zwei, höchstens drei Tage nach Bestellung beim Empfänger ist.
Ein anderes bekanntes Argument gegen den Online-Verkauf lautet, es fehle dem Käufer das haptische Vergnügen. In der Tat wollen viele Verbraucher zum Beispiel Teppichboden und Gardinen im Original sehen und berühren, bevor sie die Produkte kaufen. Doch es gibt auch jene, die das nicht brauchen. Artikel der Raumausstattung wurden schon in den 70er Jahren von Neckermann und Quelle per Katalog angeboten und verkauft.
Die Gelegenheit nutzen
Daher sollten Fachhandel und Handwerk der Raumausstattungs-Branche die Gelegenheit nutzen, die ihnen die Großflächenanbieter durch ihre Zurückhaltung (noch) bietet. Fachhändler, Raumausstatter, Bodenleger und Maler sind bestens beraten, ihre Produkte und Dienstleistungen im Internet anzubieten und sich so einen Vorteil zu verschaffen.
Aber nur die eigene Leistungspalette zu nennen, um quasi eine Visitenkarte abzugeben, reicht nicht aus. Die Webseite muss ansprechend gestaltet sein, eine einfache und schelle Navigation haben und möglichst interaktive Elemente bieten. Gut gestaltete Internetauftritte von Kollegenbetrieben geben Anregungen. Und in Zeiten des technisch anspruchsvollen "Mitmach-Internets" Web 2.0 sollte man nicht selbst herumexperimentieren, sondern einen Webdesigner beauftragen, der Profi auf diesem Gebiet ist - wie der Händler und Handwerker auf seinem.
Jürgen Bruhn
aus
BTH Heimtex 06/09
(Handel)