Prof. Dr. Helmut Rödl, Creditreform Düsseldorf
"Eigenkapital ist das Wichtigste für ein Unternehmen"
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erhalten mittelständische Unternehmen nur sehr schwer Kredite. Schon ist von einer Kreditklemme die Rede. Wege, wie Unternehmer trotzdem an frisches Kapital gelangen, zeigt Prof. Dr. Helmut Rödl, Mitglied des Gesamtvorstandes des Verbandes der Vereine Creditreform e. V., auf.Änderungen in der Mittelstandsfinanzierung ist das Thema, mit dem Prof. Dr. Helmut Rödl, Mitglied des Gesamtvorstandes des Verbandes der Vereine Creditreform e. V., seit Jahresbeginn durch die Lande reist. "Einschränkungen in der Kreditvergabe sind das große Problem vieler Unternehmen in Zeiten der Krise", ist er überzeugt. Weniger Absatz, Forderungsausfälle und eine geringe Eigenkapitalquote setzten einen Teufelskreis in Bewegung. Aufgrund fehlender Sicherheiten seien Banken immer weniger bereit, Unternehmen Kredite zur Bewältigung der Krise zu gewähren - zumal keiner wisse, wie lange diese Krise dauern mag. Andererseits hätten die Unternehmen laufende Kosten und müssten ihrerseits Lieferantenkredite gewähren, wollen sie das Geschäft aufrecht erhalten. Fällt eine Refinanzierung durch Banken aus, drohe die Insolvenz.
Bei einem für 2009 erwarteten Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes um bis zu 7% gehe es der deutschen Wirtschaft, besonders dem verarbeitenden Gewerbe, so schlecht wie seit 1945 nicht mehr. Bis zu 35.000 Insolvenzen werden im laufenden Jahr erwartet, ein Anstieg um 15%. Im europäischen Vergleich sei das nicht einmal viel. Spanien, Frankreich, Irland und England hätten prozentual weit höhere Ausfälle.
"Seid freundlich zu Eurer Bank"Die Banken sehen auf Unternehmensseite rückläufige Erträge, hohe Ausfallrisiken und oft eben geringes Eigenkapital. Gleichzeitig ist ihr Wille zur Vergabe risikobelasteter Kredite aufgrund schlechter Erfahrungen gesunken. "Die Banken werden ihre Kreditbewertung noch weiter verschärfen", prognostiziert Prof. Rödl. Sicherheiten werden stärker in Augenschein genommen, Kreditzinsen steigen und Kredite werden nicht in gewünschter Höhe oder gleich gar nicht gewährt.
Sich darüber zu ärgern oder Banken beim Kreditersuchen vorzuwerfen, selber Schuld an der Misere zu sein, hält der Experte für undiplomatisch. "Das Bankgespräch muss entemotionalisiert werden", rät er den Unternehmen. "Bringen Sie die Bank auf Ihre Seite. Überzeugen Sie sie, wie Sie einen Kunden überzeugen würden. Und wenn es kneift, nehmen Sie die Bank mit ins Boot."
Offen und transparent sollte der Mittelständler mit seiner Bank umgehen. Auch wenn seit Basel II und anderen Bonitätshürden die klassische Hausbank des Vertrauens kaum noch existiert. "Geben Sie regelmäßig Informationen über die geschäftliche Entwicklung, selbst wenn es schlechte Nachrichten sind und beziehen Sie Ihre Bank zeitnah in strategische Entscheidungen mit ein." Und noch ein Tipp: "Schenken Sie Ihrer Kontoführung mehr Aufmerksamkeit. Das Konto-Scoring hat eine immense Bedeutung für Ihre Kreditlinie." Gemeint ist, das Geschäftskonto nicht ständig am Deckungsminimum zu halten.
Eigenkapitalquote verbessernVier von zehn Unternehmen kommen derzeit schwerer an Kredite. Vor einer drohenden Kreditklemme und damit der Insolvenz schützt letztlich nur eine hohe Eigenkapitalquote. Rechtzeitig und stärker sollte ein Unternehmer sich mit den planerischen Aspekten seiner Unternehmensfinanzierung beschäftigen, rät daher Prof. Rödl. In der gegenwärtigen Situation ist es fast zu spät. Schlechte Ertragsaussichten machen die Chance auf den Aufbau von mehr Eigenkapital zunichte. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.
Die zentrale Fragestellung zur Verbesserung der Lage beginnt mit der Höhe der angepeilten Eigenkapitalquote. In Holland liegt diese Quote für Unternehmen ab 50 Mio. EUR Jahresumsatz bei 30%, in Deutschland sind es nur 7% - deutlich zu wenig.
Nicht vernachlässigt werden darf auch die Einnahmenseite: Natürlich sollte ein Unternehmen sich in Krisenzeiten nicht scheuen, die Bonität sogar alter Bestandskunden zu prüfen und Forderungen systematisch zu bearbeiten. Unerwartete Ausfälle kann sich dieser Tage niemand leisten.
Woher kommt frisches Geld?Zudem empfiehlt Prof. Rödl Offenheit gegenüber alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Unter Berücksichtigung der Kosten für Fremdkapital, der Chancen und Risiken einer solchen Unternehmensstrategie (Equity Story) und nicht zuletzt der Frage "Bleibe ich Herr im Haus?" bieten sich dem Unternehmer eine Reihe von Finanzierungsvarianten: die staatliche KfW-Bank, private Banken und Investoren. Ebenso kann eine stille Beteiligung in Form von Mezzanine-Kapital ins Auge gefasst werden. Hierbei handelt es sich um wirtschaftliche und/oder bilanzielle Kapitalzuführung, ohne dass den Gebern Stimmrechte zugebilligt werden. Anders sieht es aus, wenn eine Beteiligungsgesellschaft außerbörsliches Kapital zuschießt. Solches Risikokapital (Venture Capital) ist oft mit geschäftlicher Einflussnahme verbunden.
Schließlich können aus so genannten KMU-Fonds Darlehen bezogen werden. Das sind regionale Kredite an kleine und mittlere Unternehmen, oft gebunden an bestimmte Investitionsvorhaben und kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
Was der Mittelständler konkret tun kann, um seinen finanzwirtschaftlichen Freiraum zu entwickeln, hat Prof. Rödl mit einfachen Worten in einer Broschüre niedergelegt. Der Ratgeber "So entwickeln Sie Ihr Eigenkapital! Leitfaden für den Mittelstand" ist über den GD Holz erhältlich.
aus
Parkett Magazin 06/09
(Handwerk)