Kritisch betrachtet - Kommentar von Jürgen Früchtenicht
Legaler Holzeinschlag ist nicht automatisch nachhaltig
Die Diskussionen über eine nachhaltige Forstwirtschaft und der weltweite Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag sind inzwischen auch in höchsten politischen Kreisen angekommen. Selbst die Regierungschefs der führenden Weltwirtschaftsnationen haben sich anlässlich des G8-Gipfels in Italien des Themas angenommen und damit die herausragende Bedeutung des Waldes für den Klimaschutz unterstrichen.
Die USA haben mit ihrem Lacey-Act ein erstes Zeichen gesetzt. Die EU wird in allernächster Zukunft mit eigenen Gesetzen, möglicherweise noch restriktiver, folgen. Es wird sich zeigen, welche Maßnahmen andere wesentliche Holzverbraucher wie zum Beispiel China, Japan und Russland ergreifen.
Die Gesetzgeber diskutieren in erster Linie über den legalen Holzeinschlag. Bei einigen der bisher bekannten Gesetzesvorlagen wird es für die Holzwirtschaft sehr schwierig werden, die gestellten Forderungen zu erfüllen. Dies hat nichts mit Unwillen, sondern mit bürokratischem Aufwand und mit einer Verletzung der im Handel zwangsläufig notwendigen Neutralität zu tun. Kein Händler gibt gerne seine Lieferquellen preis. Hat der Gesetzgeber wirklich den ausschließlich legalen Holzeinschlag als Zielvorstellung im Visier? Ich meine, dass es eigentlich eher um den nachhaltigen Holzeinschlag geht. Im Extremfall könnte eine Regierung die vollständige Abholzung des Waldes eines Staates zulassen. Dann würde es sich dabei entsprechend den bisherigen Forderungen der Amerikaner und den voraussichtlichen Forderungen der Europäer um einen legalen und damit nicht zu beanstandenden Einschlag handeln.
Einerseits bedeutet Legalität also nicht zwangsläufig Nachhaltigkeit, aber andererseits kann wohl davon ausgegangen werden, dass nachhaltige Forstwirtschaft eigentlich automatisch legal ist. Die Nachhaltigkeit sollte, damit sie nicht zum Lippenbekenntnis wird, natürlich von unabhängigen Prüfern verifiziert werden.
Mittlerweile sind mit 215 Mio. bzw. 115 Mio. ha beachtliche Waldflächen von beiden weltweit anerkannten forstwirtschaftlichen Zertifizierungssystemen PEFC und FSC unter Kontrolle. Dies sind allerdings nach wie vor nur einige Prozent der gesamten Waldfläche der Welt. Nach Ermittlungen der FAO (Lebensmittel und Landwirtschafts-Organisation der UN) gingen im Zeitraum von 2000 - 2005 jährlich netto ca. 11 Mio. ha Waldfläche verloren. Die größten Verluste sind dabei mit durchschnittlich 3,1 Mio. ha in Brasilien und 1,87 Mio. ha in Indonesien zu beklagen.
Die ersten "Waldvernichter" waren aber nicht die Asiaten, Afrikaner und Südamerikaner. Vor hunderten von Jahren haben sich insbesondere die Europäer und auch die Nordamerikaner diesbezüglich unrühmlich hervorgetan. Die hoch entwickelten westlichen Industriestaaten sollten daher vorsichtig sein, allzu mahnend den Zeigefinger zu erheben.
In vielen öffentlichen Diskussionen wird die Nutzung von Tropenholz grundsätzlich an den Pranger gestellt. Dies ist eine völlig falsche Botschaft an den Verbraucher. Wir müssen auch in Zukunft Tropenhölzer nachfragen. Den Menschen in den tropischen Waldregionen muss deutlich werden, den Regenwald nicht als kurzfristige, sondern als langfristige Erwerbsquelle zu verstehen. Nachhaltige Forstwirtschaft ist dazu die Voraussetzung. Auch diese Menschen streben nach verbesserten Lebensbedingungen und ein wenig Wohlstand. Wenn wir kein Tropenholz mehr kaufen, werden alle Appelle zur Walderhaltung im Interesse des Klimaschutzes nichts helfen. Große Teile des Waldes würden dann nahezu zwangsläufig in Agrarfläche umgewandelt.
Der Holzhandel und die Holz verarbeitende Industrie haben keinerlei Interesse an einer Waldvernichtung. Das Gegenteil ist der Fall. Die Rohstoffzufuhr muss schließlich auch in Zukunft sichergestellt sein. Daher wäre es mehr als wünschenswert, wenn einerseits die zertifizierten Flächen in allernächster Zukunft deutlich ausgeweitet werden würden. Andererseits ist es dringend überfällig, dass die beiden konkurrierenden Zertifizierer FSC und PEFC an einen Tisch kommen und sich gegenseitig anerkennen. Es mag bei beiden unterschiedliche Auffassungen zu Teilaspekten geben. Im Kern geht es jedoch um das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Diese Gemeinsamkeit sollte über allen Gegensätzen stehen. Wenn der Wettbewerb zwischen beiden Zertifizierern aufhört, wird die Unsicherheit, welchem System man nun den Vorzug geben sollte, beseitigt. Die Folge sind größere zertifizierte Waldflächen, eine erhebliche Ausweitung des Angebots an zertifizierten Produkten und eine Reduzierung der Kosten. Im Idealfall sollte es in einigen Jahren keine Holzprodukte mehr geben, die nicht aus nachhaltiger und zertifizierter Forstwirtschaft stammen. Damit wäre allen Marktteilnehmern und letztendlich der gesamten Menschheit gedient, und wir könnten auf die komplizierten Legalitätsnachweise, die der Gesetzgeber möglicherweise in Zukunft einfordern wird, verzichten.
aus
Parkett Magazin 06/09
(Nachhaltigkeit)