Zuwachs bei Massivdielen hält an
Vom groben Brett zum Designbelag
Die Geschichte der massiven Holzdiele reicht bis zurück in die Steinzeit. Aber erst mit Sägemethoden, die keinen menschlichen Krafteinsatz mehr erforderten, konnten Holzbretter in ausreichender Menge für eine Verlegung am Boden geschnitten werden. Erst teuer, dann billig, jetzt wieder teuer - so lässt sich, wirtschaftlich gesehen, die Entwicklung der Diele im Laufe der Jahrhunderte beschreiben. Der Begriff Diele war ursprünglich die Bezeichnung für einen Raum. Das kann ein Hausflur, Vorraum oder Vorzimmer sein oder der größte Raum in einem niederdeutschen Bürgerhaus. Die Diele war gleichzeitig Wohnplatz, Werkstatt und Verkaufsstelle. Weil dieser Raum oft mit einem Holzbelag aus langen Brettern ausgestattet war, übertrug man den Begriff Diele auf diese Art von Böden.
Doch schon lange davor nutzte der Mensch bearbeitetes Holz als Fußboden. "Was als Steinzeit bezeichnet wird, war eigentlich eine Holzzeit. Denn wer Stein schneiden konnte, konnte auch Holz schneiden", sagt Dieter Humm, stellv. Bundesfachgruppenleiter der Restauratoren im ZVPF. Die 6000 Jahre alten Pfahlbauten am Bodensee belegen, dass ihre Bewohner Bretter für den Wohnraum mit Steinäxten behauen und verlegt haben.
Auch in der Antike (800 v.Chr.-600 n.Chr.) wurden Bretter für die Bodenverlegung verwendet, trotz dominierender Steinböden im Mittelmeerraum. Im mehrgeschossigen Bau griffen die alten Römer zur Bretterdielung. Das geschah ebenso im waldreichen Nordeuropa jenseits der Alpen, etwa in Burgen des frühen Mittelalters. Dabei wurden die Bretter direkt auf die Deckenbalken genagelt, bildeten zugleich die tragende Platte und die Oberfläche des Fußbodens. So erfüllte der Dielenboden eine statische Funktion, indem er die Decke als Verbundfläche stabilisierte.
Erst teuer, dann billigDie frühen Dielenbretter waren uneinheitlich in der Breite und besaßen eine konische Form, nämlich nicht besäumt, sondern so, wie der Baum gewachsen war. Gesägt wurden sie per Hand aus der Mitte eines Stammes, um ein Verziehen zu vermeiden. Diese so genannten Herzbretter konnten Breiten bis zu 1.000 mm erreichen. Zwar wurde weiches Nadelholz verwendet, meist Kiefer, Lärche oder Fichte und Tanne, doch der Kraftaufwand beim Sägen machte das Produkt teuer.
In den Epochen der Romanik (1000-1200) und Gotik (1140-1500) machte die Holzbearbeitung große Fortschritte. Es entwickelten sich Techniken wie Nuten, Verleimen, Graten und Verzapfen. Zimmermann und Schreiner wurden eigenständige Berufe. Mit Wasserkraft betriebene Mühlen konnten nun Gattersägen antreiben.Die erste Sägemühle Deutschlands stand um 1322 in Augsburg.
Die Spezialisierung führte dazu, dass in der späten Gotik Baumaterial gezielt hergestellt und geliefert werden konnte. Dielen wurden billiger und nun auch aus Laubholz gefertigt. In der Renaissance (1300-1600) wandelten sich Dielenböden zu immer feineren Holzfußböden. Der Begriff Parkett kommt auf. Damit wurden im Gegensatz zu Dielen kleinformatige Holzelemente bezeichnet. Die konnten kunstvoll verlegt werden, weil der Oberboden mit der Einführung eines Blindbodens keine statische Funktion mehr erfüllen musste. Hatte man dekorative Raumgestaltung bis dahin nur an Decke und Wand betrieben, so wurde der Holzfußboden nun mit reichen geometrischen Mustern und Intarsien zu einem Spiegelbild der Deckenkunst. Friese entstanden, mehrere Holzarten wurden für einen Boden verarbeitet.
Ein Massenprodukt für Land und LeuteDie Diele folgte dem Wandel zum Schmuckboden nicht. Je leichter sie hergestellt werden konnte, desto mehr wurde sie zu einem einfachen Baumaterial. Die Kolonialisierung brachte überseeische Hölzer nach Europa. Auf dem Rückweg aus Amerika transportierten Atlantikschiffe Pitch Pine und Douglasie als billige Balasthölzer in ihren Frachträumen. Damit schaffte die Diele als Massenprodukt den Einzug in bürgerliche und ländliche Häuser.
Industrielle Holzverarbeitung führte ab etwa 1850 dazu, dass die Bretter dünner wurden und zudem einheitlich bemessen und längsseitig für die Nut-Feder-Verlegung gespundet werden konnten. Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts verlegte man solche Langriemen direkt auf der Balkenlage. Stoßfugen mussten in der Mitte eines Deckenbalkens angelegt werden. Erst mit dem Estrich als Lastverteilungsfläche schlug die Stunde des Klebeparketts.
Lag die Konfektionslänge von Massivdielen einst bei knapp 2.000 mm, so bestimmen heute Marketingstrategen, was als Diele verkauft wird. Längen bis 5.000 mm sind Standard, was darüber liegt, gilt als Sondermaß. Die Verlegung wurde optimiert. Genagelt werden Dielen schräg durch die Feder auf schallentkoppelte Lagerhölzer, auf Estrich oder Trockenestrich geklebt oder schwimmend mit Metallclips auf Unterlagsmatten verlegt. Mehrschichtig aufgebaute Dielen, richtig bezeichnet als Landhausdielen, gibt es auch mit Klickverbindung.
Zurück zum Ursprung - trendy und teuerDie Diele hat in den vergangenen zwei Jahren eine wahre Wiedergeburt erlebt. Sie ist "in", sie ist "chic", und gerade mit künstlich gealterten Oberflächen bringen sie eine besondere Atmosphäre in den modernen Wohnraum oder in das Objekt. Wurmlöcher, Äste, sägeraue Oberflächen - nichts ist zu grob, um den Traum vom abgenutzten Dielenboden zu verwirklichen. Das spiegelt sich auch in der Oberflächenbeschichtung. Zwar wird nicht mehr auf Ochsenblut und Bohnerwachs zurückgegriffen, aber auch der pflegeleichte Klarlack hat seine Zeit gehabt. Er passt nicht zu einem "gebraucht" wirkenden Boden. Nun kommen Öl und Öl-Wachs-Kombinationen aus den Labors, die immer bessere Eigenschaften bei immer natürlicherem Aussehen bieten.
So ist die Diele zu einem Trendboden avanciert, nicht mehr billig, sondern hochwertig. Sie verleiht dem Raum Größe und ist dank enger Toleranzen und Normen ein ausgereiftes Produkt. Doch große Hölzer entwickeln große Kräfte - dieser Lehrsatz hat Bestand. Bei aller industriellen Vorarbeit bleibt die Diele daher ein Produkt für den Fachmann. Wer Massivdielen verlegt, muss sich mit dem Werkstoff Holz auskennen.
aus
Parkett Magazin 01/10
(Bodenbeläge)