Dr. Thomas Brokamp, Direktor Division Fastening, Bona Deutschland
Die Neue Welt der Parkett-Klebstoffe
1994, beim Erscheinen der ersten TRGS 610, waren sich alle in der Branche einig: Der Lösemittel-Parkettklebstoff muss und wird verschwinden. Es wurde viel geredet, Forschungspläne aufgestellt, neue Produkte geschaffen, dann ausprobiert und teilweise wieder vom Markt genommen. Lange herrschte der Eindruck vor, es würde sich nicht viel ändern. Doch dann kam mit den Silan-basierten Klebstoffen der "Durchbruch"; und heute sieht es endlich so aus, als ob sich der Lösemittelklebstoff dem Ende seiner Lebensspanne zuneigt.Als 1994 die erste TRGS 610 veröffentlich wurde, wurde der Markt der Parkettklebstoff von so genannten "Lösemittelklebstoffen" dominiert. Wasserbasierte Dispersionsklebstoffe hatten einen Marktanteil von ca. 15%, reaktive Klebstoffe, die damals auf Basis von Epoxidharzen und 2K-PUR neu auf dem Markt waren, von weniger als 5%. Neue Systeme, die danach auf dem Markt gebracht wurden, konnten sich teilweise - zumindest in einer Nische - durchsetzen, z.B, wasserarme Dispersionsklebstoffe, "harte" 1K-PUR (Polyurethan) Klebstoffe. 1999 war dann für die weitere Entwicklung ein sehr wichtiges Jahr: Vier neue Technologien wurden von verschiedenen Herstellern in Europa eingeführt:
- Silan-Modifizierte Parkettklebstoffe
- Weiche 1K-PUR-Klebstoffe (zunächst mit Lösemittelanteilen im Bereich 5 bis 10%)
- "Neue" Pulverklebstoffe
- 2K-Dispersionsklebstoffe
Aus technischer Sicht war dabei insbesondere das Erscheinen der extrem harten Pulverklebstoffe neben den extrem weichen 1K-PUR-Klebstoffen interessant. Zwei Konzepte zum Kleben von Parkett, die nicht unterschiedlicher sein konnten. Auf der einen Seite wurde das Parkett quasi "eingemauert", auf der anderen Seite "an die ganz lange Leine" gelegt. Das beide Konzepte hinreichend oft funktionier(t)en, zeigt auch eine gewisse Gutmütigkeit des lebenden Werkstoffes Holz - wenn alle anderen Parameter stimmen. Für die weitere Entwicklung war jedoch entscheidend, dass die "weichen" Klebstoffe - durch die Brille der Anforderungen der DIN 281 betrachtet - eigentlich kläglich hätten versagen sollen, in der Praxis aber (hinreichend) gut funktionierten. Letztendlich hat die Analyse dieses Verhaltens zu einem besseren Verständnis der Parkettklebung geführt, die dann zu weiter verbesserten Produkten ("harte" oder "schubfeste" Silan-Modifizierte-Parkettklebstoffe) und der heutigen Marktverteilung bei den Parkettklebstoffen geführt hat. Bild 1 zeigt für Mitteleuropa geschätzte Marktanteile der einzelnen Technologien in den letzten 7 Jahren.
Das Jahr 2002 kann man dabei in guter Näherung auch als repräsentativ für die 8 Jahre davor angesehen werden. Der Trend der letzten Jahre ist leicht zu erkennen: Was die gelösten Klebstoffe verloren haben, haben die Reaktiven gewonnen. Die vorliegenden Zahlen aus 2009 sprechen dafür, dass sich dieser Trend eher noch weiter beschleunigt hat, inzwischen ist sogar der Anteil an 2K-PUR-Klebstoffen größer als der der gelösten Klebstoffe.
Seit 2006 liegen für die einzelnen reaktiven Klebstofftypen auch getrennte Zahlen vor, die also auch die Anteile von 1K-PUR, 2K-PUR und der Silan-Modifizierten Parkettklebstoffe (SMP) zeigen.
Mit diesen Zahlen sieht man, dass der "eigentliche" Ersatz der gelösten Parkettklebstoffe durch die Silan-modifizierten Produkte erfolgt ist. Diese waren seit Ende 2007 im verkauften Volumen tatsächlich bedeutender als die gelösten Klebstoffe. Interessant ist auch, dass die 1K-PUR-Klebstoffe bei dieser Verdrängung seit ca. 3 Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, ihr Marktanteil stagnierte in 2007 sogar, während die Menge der 2K-PUR-Klebstoffe in der ganzen Zeit deutlich zugenommen hat.
Die Gründe für die z.Z. größer werdende Dominanz der Silane sind vielschichtig. Wesentlich scheint zu sein, dass einige Hersteller von 1K-PUR-Klebstoffen nach wie vor auf Systeme mit geringer Festigkeit und hoher Elastizität setzen, was speziell bei massiven Parkettarten immer mal wieder zu Problemen führt. Damit erklärt sich auch, wieso es bei den Silanen einen Trend zu höheren G-Modulen und höhere Festigkeiten gibt (Abb.3). Insgesamt liegt gerade Massivparkett damit deutlich ruhiger, es gibt weniger Schüsselungen oder Fugen. Ferner lassen sich fast alle PUR-Klebstoffe von Fertigparkettoberflächen (und auch den Händen) vergleichsweise nur schwer entfernen, Silane dagegen leicht. Ein weiteres Problem der PUR-Klebstoffe ist die kommende Kennzeichnung bei MDI basierten Systemen mit dem R40-Satz: Verdacht auf krebserzeugende Wirkung. Zwar liegen von der Gisbau inzwischen eine Reihe an Analysen vor, die unter den Bedingungen der Parkettverlegung keine Gefahr für den Verarbeiter - der Verbraucher ist nach bestimmungsgemäßer Verarbeitung des Produktes sowieso nicht gefährdet - sehen. Eine - mit Sicherheit eher emotional geführte - Diskussion mit einem "aufgebrachten Endverbraucher" dürfte den meisten Parkettlegern jedoch sehr schwer fallen und kaum zu bestehen sein.
Viel Entwicklungspotenzial bei den Silanen Während die "alten" Technologien, also Dispersionklebstoffe, gelöste und die 2K-PUR-Klebstoffe, sich heute nur noch wenig verändern, gibt es bei den Silan basierten Klebstoffen noch sehr viel Entwicklungspotenzial. Aktuelle Themen sind die Festigkeit und der G-Modul, aber auch über "Weichmacher" - insbesondere wenn der Klebstoff scheinbar ohne sie auskommt - wird nach wie vor geredet. Bei dem letzten Punkt ist darauf hinzuweisen, dass er nicht klar definiert ist. Die meisten der so genannten "weichmacherfreien" Produkte enthalten anstelle der klassischen Phthalate (eingesetzt werden die kennzeichnungsfreien Produkte DINP oder DIDP) andere flüssige organische Materialen, z.B. Polypropylenglykole, flüssige Kunstharze oder auch natürliche oder modifizierte Öle. Beim jetzigen Stand der Technik ließe sich ein "reines" Silansystem aufgrund der sehr hohen Viskosität kaum verarbeiten und hätte auch noch einen Preis, der mehr als ca. doppelt so hoch wäre wie heute. Ein weiteres Thema ist Methanol, eine Substanz die fast alle Silan-Modifizierten-Klebstoffe während des Abbindens in geringen Mengen freisetzen. Auch hier hat die Gisbau Untersuchungen vorgenommen, die bislang zeigen, dass der Verarbeiter davon nicht beeinflusst wird; der normal vorhandene Gehalt an Methanol im Blut des Verarbeiters ändert sich nicht. Dies hat auch dazu geführt, dass die Gisbau die Silanklebstoffe (Giscode RS 10, Verlegewerkstoffe, methoxysilanhaltig) neben den Dispersionsklebstoffen als Ersatzstoffe für die gelösten Klebstoffe anerkennt. Grundsätzlich können die Silane auch mit Ethanol ("trinkbarer Alkohol") hergestellt werden, was jedoch bislang nur sehr selten gemacht wird. Ein Grund dafür ist, dass sich dann die Menge an flüchtiger (ausdampfender) Substanz um ca. 40% erhöht.
Die heute gültige EN 14293 unterscheidet bei den Scherprüfungen nach "harte" und "weiche" Klebstoffe, eine Unterscheidung nach plastisch oder elastisch wird (noch) nicht vorgenommen. Die alternativ zur Scherprüfung mögliche Haftzugprüfung differenziert nicht zwischen den verschiedenen Klebstoffsorten, einige am Markt befindende Produkte fallen tatsächlich aus dem "Raster der Scherprüfungen" heraus (siehe Abb.3). Die Gleitung liegt unter 2, damit wäre der Klebstoff als "hart" zu klassifizieren, aber dort erfüllt er nicht die minimalen Scherfestigkeiten). Sie können ihre Eignung nur über die Haftzugprüfung belegen. Bei der anstehenden Überarbeitung der EN14293 wird dies sicherlich ein Arbeitspunkt sein.
Fazit: Ist die "neue Welt" der Parkettklebstoffe eine "Schöne Neue Welt" mit verborgenen Problemen? Dies kommt immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Wichtig ist, dass es nun tatsächlich gelungen ist, die vom Verbraucher akzeptierte Alternative zum gelösten Klebstoff zu haben und einsetzen zu können. Die Summe der durch die Entwicklung in den letzten 9 Jahren nicht frei gesetzten Lösemittel beläuft sich auf ca. 10.000 Tonnen. Ein wichtiges Ziel ist damit erreicht.
aus
Parkett Magazin 01/10
(Klebstoffe)