Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.

Afschar

Die Afscharen sind ein Turkvolk dessen Unterstämme verteilt über die Türkei, den Kaukasus und den Iran leben. Aus Sicht des Teppichs am bedeutendsten und auch am größten ist die Gruppierung im südöstlichen Iran, in der Gegend von Kerman. Geknüpft werden sowohl Nomaden- als auch Dorfteppiche. Die Knüpfungen geniessen einen guten Ruf, auch wenn sie in den letzten Jahren eher etwas grober geworden sind. Traditionell sind die Teppiche mit einem Woll-Grundgewebe geknüpft, in jüngerer Zeit sind aber vermehrt Stücke auf den Markt gekommen, die auf Baumwolle geknüpft sind. Wenn auch früher Afschar mit einem Schuss produziert wurden, sind heute 2-Schussteppiche üblich. Gern sind die Schüsse pink bis rot-orange eingefärbt.

Von den Knüpfstühlen der Afscharen kommen Teppiche mit einer großen Mustervielfalt. Wenn sich überhaupt pauschal etwas zum Erscheinungsbild dieser Provenienz sagen lässt, dann dass die Teppiche im Verhältnis zur Länge gern breiter sind als Stücke anderer Provenienzen. Wie häufig bei Bauern und Nomadenteppichen sind die Muster eher geometrisch und stilisiert. Gern werden Botehs in die Muster eingearbeitet und Kenner von Teppichen aus Kerman entdecken Musteranleihen - vor allem in der Art, wie Blüten umgesetzt werden - aus dieser Nachbarstadt. Wenn es ein für Afschar typisches Muster gibt, dann ein Vasenmotiv mit zwei stilisierten Vasen mit Blumenstrauß an der Ober- und Unterseite des Medaillons.

Belutsch

Die Belutsch-Teppiche kommen aus dem Nordwest-Afghanistan und dem Khorasan-Gebiet im Ostiran. Geknüpft werden sie von den dort nomadisch und halbnomadisch lebenden Völkern - den namensgebenden Belutchen und von ihnen kulturell beeinflussten Stämmen. Die Belutchen besiedeln ausserdem noch westliche Teile Pakistans, hier werden jedoch keine Teppiche geknüpft.

Typische Belutsch-Teppiche sind auch von Laien recht leicht auszumachen. Die praktisch ausschliesslich kleinformatigen Stücke weisen eine sehr dunkle Kolorierung auf. Es überwiegen dunkle Brauntöne, dunkelblau mit orangeroten Akzenten. Sehr viele Beltusch sind mit dem Gebetsnischenmuster, dem Mirhab, geknüpft. Die Innenfelder sind häuft allover gemustert.

Geknüpft wird häufig mit dem asymmetrischen Knoten. Das Grundgewebe besteht wie der Flor aus reiner Wolle und weist gewöhnlich zwei Schüsse nach jeder Knotenreihe auf. Typisch für diese Provenienz sind ausgeprägte Kelimkanten an beiden Enden des Teppichs, die zum Teil sehr aufwändig in verschiedenen Flachwebtechniken gestaltet sind. Neben dem großen Ausstoß von Knüpfteppichen, ist die Provenienz bekannt für seine große Flachwebteppich-Produktion.

Mogul-Teppiche

Die Zeit der Mogul-Kaiser war bedeutend für die Entwicklung der Teppichproduktion in Indien, auch wenn natürlich davon auszugehen ist, dass die Inder schon vorher Teppiche geknüpft haben. Die Herrschaftszeit der Moguldynastie begann 1526 mit dem Sieg von Babur (1483 - 1530) in der Schlacht von Panipat. Hauptstadt wurde Agra.

In der Regierungszeit von Akbar, dem Enkel Baburs, erreichte die Teppichproduktion des Mogulreiches seine erste Blüte. Um 1600 installierte er in großem Stil Teppichwerkstätten zum Beispiel in Agra und Lahore. Viele Knüpfer kamen aus dem persischen Isfahan, ihr Knüpfstil war dem der persischen Vorbilder nachempfunden. Schnell entwickelte sich in an den Knüpfstühlen ein eigener Stil, die Motive waren weniger stilisiert und wirkten viel naturalistischer. Nach Europa gelangten die Teppiche erst durch Portugiesen, dann durch englische Handelsunternehmen wie der Britsh East India Company. Heute sind nur noch wenige Teppiche - meist in Museen und Privatsammlungen - aus dieser Zeit erhalten.

Die Dynastie der Mogule endete 1858, Indien wurde britische Kolonie. Der Norden des Landes, also dort wo Akbar vor über 400 Jahren Knüpfereien für seine Palastteppiche aufbaute, ist heute eine der produktivsten Knüpfregionen der Welt.

Chrom-Farben

Als Chrom-Farben wird eine große Gruppe synthetischer Farbstoffe bezeichnet. Entwickelt wurden sie schon Ende des 19. Jahrhunderts, ihre massive Verwendung als Färbemittel für Teppichfasern begann aber erst im 20. Jahrhundert mit dem starken Anstieg der Teppichproduktion. Der Großteil aller heute produzierten Teppiche wird mit Chromfarben gefärbt.

Im Vergleich mit Naturfarbstoffen haben die Chrom-Farben viele Eigenschaften, die sowohl positiv, als auch negativ angesehen werden können. Fakt ist, dass Chromfarben bei der richtigen Anwendung wesentlich farbechter sind, also resistenter gegen die UV-Strahlung im Sonnenlicht und auch beim Waschen eine hohe Farbbeständigkeit aufweist. Die Teppiche behalten für viele Jahre die Farbintensität, mit der sie hergestellt wurden, auch ist der Warenausfall sehr gleichmäßig.
aus Carpet Magazin 03/09 (Teppiche)