Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.

5/32 Indische Knüpfeinstellung

Die Knotendichten von Orientteppichen werden in vielen Provenienzen durch ein Zahlenpaar angegeben. Üblicherweise ist die erste Zahl die Knotenzahl in Schuss- und die zweite Zahl die Knotenzahl in Kettrichtung. Diese Angaben beziehen sich dann auf einen quadratischen Teppichausschnitt. Bei den Längenmaßen kann es sich je nach Provenienz oder Herkunftsland um Zoll (Indien, Pakistan), Fuß (China), Dezimeter (Marokko) oder auch einheimische Maße handeln.

In Indien gibt es in den verschiedenen Provenienzen unterschiedliche Systeme zur Angabe der Knüpfdichten. In Kaschmir, Amritsar, Agra und Jaipur werden die Knoten in Schuss- und Kettrichtung pro Zoll gezählt. Anders ist es in Bhadohi: Hier wird die Knüpfdichte zwar auch als Zahlenpaar x/y angegeben und auch hier stehen die Angaben für Knoten in Schuss- und Kettrichtung. Kompliziert wird es jedoch bei der Längeneinheit, auf die sich die Angaben beziehen. Denn es handelt sich nicht um die in Indien sonst üblichen Zoll, sondern auf ein in Bhadohi übliches Maß, das in Schuss- und Kettrichtung verschieden ist. Um auf Knoten pro Quadratmeter zu kommen, muss mit dem Faktor 382 multipliziert werden.

Beispiel 5/32:
5 x 32 = 160 x Faktor 382 = 61.120 Knoten/m2.

Kuba - Knüpfregion im Kaukasus

Die Provenienz Kuba gilt als größtes Teppichknüpfzentrum im Kaukasus. Die namensgebende Stadt Kuba liegt unweit des Kaspischen Meeres auf halbem Weg zwischen der Hafenstadt Baku und Derbent. Auch wenn Kuba-Teppiche vielleicht nicht ganz so bekannt sind wie die der Nachbarprovenienzen Kasak und Schirwan, handelt es sich doch um qualitativ hochwertige Stücke. Die auffälligsten Unterscheidungskriterien sind in der Struktur zu finden. Die Kette aus ungefärbter Wolle ist leicht geschichtet, das macht die Teppiche im Grundgewebe etwas fester, der Flor ist verhältnismäßig kurz geschoren, die Knüpfung ist recht fein. Eine Eigenart sind zusätzlich in die Kelimkante eingearbeitete blau gefärbte Soumakh-Schlingen.

Allgemeine Designaussagen fallen für Kuba-Teppiche noch schwerer als für andere Provenienzen. Die Mustervarianten sind außerordentlich vielseitig. Auch können keine typischen Farben festgelegt werden, es wird in praktisch allen Farben in großer Abwechslung geknüpft. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden typischen Designs der Unterprovenienzen als sehr verallgemeinert zu sehen. In Konaghend, südlich von Kuba, sind die Seitenränder mit dunkelblauen Woll- oder Baumwollgarnen befestigt, ein häufiger verwendetes Muster ist ein das Innenfeld fast ausfüllendes kreuzartiges Medaillon. Im Gegensatz dazu haben die Teppiche aus Perpedil weiß eingefasste Seitenränder. Ein weit verbreitetes Muster ist das Würma- oder Widderkopfmuster. Die Teppiche aus Seishour weisen einen etwas höheren Flor auf und sind daher weicher im Griff. Auffällig in dieser Unterprovenienz ist die Verwendung eines auf die Seite gedrehten Balkenkreuzes als sich wiederholendes Innenfeldmotiv. Die Farbstellung der Teppiche aus Zejwa ist düsterer als bei den anderen Kuba-Teppichen. Ein typisches Dessin ist ein dem Tscherlaberd (auch Adler-Kasak genannt) ähnelndes, sternartiges Medaillon. In Karagaschli wird häufig ein helles Blau als Grundfarbe für den Fond eingesetzt. Schräge, leicht rhombische Innenfeldmotive mit angesetzten stilisierten Blütenranken sind ein beliebtes Motiv. Bei Sammlern besonders beliebt sind die Tschitschi-Teppiche mit ihrem oft dunkelblauen Font und dem durchgemusterten Innenfeld. Ihr sehr kurzer Flor gibt ihnen einen samtigen Griff.

Shah Abbas - Kunstsinniger persischer Herrscher aus der Safawiden-Dynastie

Schah Abbas I., auch genannt Schah Abbas der Große, regierte das persische Reich von 1587 - 1629. In der Zeit seiner Herrschaft reichte Persien vom Tigris bis zum Indus. Aus Teppichsicht gehört Schah Abbas zu den wichtigsten Herrschern des Landes, da er Kunst und Kultur stark förderte und beeinflusste. Er ließ in der damaligen Hauptstadt Isfahan viele prächtige Gebäude, wie die Madschid-i-Schah Moschee, errichten. Parallel hob Abbas die Teppichknüpfkunst auf eine höhere Stufe. Er zog die besten Knüpfer aller Provenienzen in Hofmanufakturen zusammen, deren Teppiche die Musterdetails der Prachtbauten wieder aufgriffen.

Das Portrait Schah Abbas mit seinem prägnanten Schnauzbart ziert viele Bildteppiche. Nach ihm benannt ist auch ein florales Muster, das noch heute viele feine persische Manufakturteppiche abbilden: das Schah-Abbas-Muster. Dieses Pamletten-Motiv zeigt den Querschnitt durch eine Blüte und kommt sowohl in Bordüren, als auch Innenfeldern vor. Doch nicht nur in Teppichen aus Isfahan, Keschan, Nain oder Ghoum hat sich die Schah-Abbas-Blüte einen festen Platz erobert, sie ist auch typisch für viele Zieglerteppich-Nachknüpfungen.

Fransen - An den Querenden des Teppichs herausragende Kettfäden

Technisch gesehen sind die Fransen eines Teppichs nichts anderes als die Kettfäden, die an den Querenden herausragen. Die Fransen können also Aufschluss auf das verwendete Kettmaterial geben. Es ist allerdings etwas Vorsicht angebracht: Es kommt durchaus vor, dass Fransen nachträglich angenäht werden, beispielsweise um ein Seidengrundgewebe vorzutäuschen. Bei alten Teppichen, deren Fransen abgetreten sind, wird gern die Kelimkante soweit aufgelöst, dass die freigelegten Kettfäden die Fransen ersetzten. Ein Verarbeitungsschritt, der vor allem bei modern gemusterten Teppichen häufig angewandt wird, ist das Umnähen der Fransen, da von manchen Kunden Fransen als störend angesehen werden. Übrigens: Auch bei Gabbeh, die Nomaden für den Eigengebrauch verwenden, werden die Fransen traditionell sehr häufig umgenäht.

Kennern geben die Fransen viele Informationen über einen Teppich, sie können bei der Bestimmung der Provenienz sehr hilfreich sein. Als Beispiel sei die auf den ersten Blick nicht immer einfache Unterscheidung von Nain und Isfahan genannt. Da ein Großteil der Teppiche aus Isfahan auf einem Seidengrundgewebe geknüpft ist, müssen auch die Fransen aus Seide sein. In Nain wird dagegen fast immer auf Baumwolle geknüpft, die Fransen sind folglich ebenfalls aus Baumwolle.
aus Carpet Magazin 04/09 (Teppiche)