Kommentar von Jürgen Früchtenicht

Neue Konflikte um Verriegelungssysteme

Die leimfreien Verlegesysteme für Laminatfußböden, Mehrschichtparkett und schwimmend verlegbare Bodenbeläge mit einer Nutzschicht aus Kork und Linoleum haben in den vergangenen 14 Jahren den Bodenbelagsmarkt weltweit verändert, vielleicht geradezu revolutioniert. Hunderte von Millionen Quadratmetern leimfrei verlegbarer Laminatböden und Parkette werden jährlich produziert und verkauft. Ohne die "Clics" und "Locs" wäre vermutlich ein derartig großer Marktanteil nie entstanden.

Fibo Trespo war 1996 mit seinem Produkt Alloc das erste Unternehmen, das einen Laminatboden mit leimfreier Verriegelung auf den Markt brachte. Dabei stellen zusätzlich angebrachte Aluminium-Profile entsprechend einem Välinge-Patent die leimfreie Verbindung zwischen den Laminatdielen her. Genau ein Jahr später brachte der belgische Laminat-Hersteller Unilin sein direkt in die HDF-Trägerplatte eingefrästes Uniclic-Profil auf den Markt.

In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Norwegern und Belgiern. Gegenstand des Streits war die unterschiedliche Auffassung, ob nun die eingefräste Profilierung, die sich Unilin in der Zwischenzeit auch hatte schützen lassen, gegen die Alu-Schienen-Patente verstößt, oder eben nicht.

Beide Kontrahenten haben sich in der Zeit von ca. 1998 bis 2007 vor europäischen und amerikanischen Gerichten erbitterte Gefechte geliefert. Gleichzeitig begannen jedoch beide, Lizenzen ihrer jeweiligen Patente rund um den Globus zu verkaufen. Zudem wurden Wettbewerber verklagt, die ohne Zahlung von Lizenzgebühren das geistige Eigentum einer der beiden Parteien nutzten.

Diese Phase war von erheblicher Rechtsunsicherheit geprägt. Anwälte verdienten sich die sprichwörtlich "goldene Nase". Anfangs wurde über eine Lizenzgebühr ca. 1,00 EUR pro qm gesprochen. Ein Euro klingt zwar nach wenig, bei einigen hundert Mio. Quadratmetern kommt allerdings eine ganze Menge zusammen. Heute dürfte es wohl günstiger geworden sein.

Nachdem sich vor einigen Jahren Välinge und Unilin geeinigt und einen so genannten Kreuz-Lizenz-Vertrag abgeschossen hatten, kehrte Ruhe ein und Rechtssicherheit war hergestellt.

Nun flammt ein neuer Konflikt auf. Diesmal geht es um konkurrierende Patente für die "fold-down"-Technik, die von Välinge plakativ als fünfte Generation, oder kurz 5G, bezeichnet wird.

Der Abschluss einer Kreuz-Lizenz zwischen Classen, Pergo und Välinge sorgte vorübergehend für Frieden im Markt. Dieser Friede ist nun durch Classen mit der Aufkündigung der Vereinbarung und der Klageerhebung gegen Shaw als Lizenznehmer von Välinge beendet. Es hat den Anschein, dass sich eine Allianz von Classen und Pergo auf der einen gegenüber Välinge auf der anderen Seite gebildet hat.

Stehen wir jetzt vor einer vergleichbaren Schlacht, wie wir sie bereits zwischen Unilin und Välinge erleben mussten? Dies muss befürchtet werden. Es geht wieder um sehr viel Geld.

Unstrittig ist, dass einem Erfinder der Nutzen seiner Entwicklung zusteht. Natürlich ist es nicht hinnehmbar, dass er durch Raubkopien um den Lohn seiner Arbeit gebracht wird. Es ist allerdings kontraproduktiv für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung und für den Erfolg eines Produktes, wenn dieses völlig unnötig durch juristische Auseinandersetzungen verteuert wird. Die horrenden Rechnungen der Anwälte, die endlosen Arbeitsstunden, die in den betroffenen Unternehmen zur Verteidigung von Patentrechten geleistet werden müssen, wollen bezahlt werden. Der Leidtragende ist der Endverbraucher oder am Ende das eigentlich geniale Produkt, das durch diese künstliche Kostenerhöhung vielleicht nicht mehr absetzbar ist.

Unser Wirtschaftssystem lebt von Weiter- und Neuentwicklungen, die tunlichst nicht in wirtschaftlich operierenden Denkfabriken, sondern in den Herstellungsbetrieben erarbeitet werden sollten. Zu viele Patente behindern den Fortschritt. Ist es nicht das Salz in der Suppe unseres Wirtschaftssystems, dass alle Marktteilnehmer ständig und kritisch den Wettbewerb beobachten, um anschließend zu versuchen, dessen Leistung durch Weiterentwicklungen noch zu toppen?

Es wäre wünschenswert, wenn sich die nun streitenden Parteien schnell und gütlich einigen könnten. Ferner sollten wir uns nicht mehr mit einer derartigen Flut von Patenten auseinandersetzen müssen. In wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten gibt es wichtigere Dinge zu erledigen.
aus Parkett Magazin 02/10 (Bodenbeläge)