Carpet Cup 2010
Bestes Orientteppichfachgeschäft - N. Vrouyr, Antwerpen
Der Komedieplaats gehört zu den besten Adressen im belgischen Antwerpen. In dieser Gegend tummeln sich Ladengeschäfte von Luxusmarken wie Gucci und Louis Vuitton, Schmuckgeschäfte und Kunstgalerien. Und hier liegt auch das Orientteppichfachgeschäft N. Vrouyr, das sich bereits wegen der imposanten 21 m langen Fensterfront von allen anderen Geschäften abhebt. Ebenso bemerkenswert ist die Ware, die den Kunden dort geboten wird: Größtenteils alte und antike Teppiche aus allen Provenienzen, meist ausgewählt, weil der Teppich den Inhabern persönlich gefällt, nicht nur, weil er ihn für verkäuflich hält. Nach diesem Prinzip wird hier bereits seit drei Generationen gehandelt. Und zwar erfolgreich. Dabei fühlt sich Inhaber Christian Vrouyr als "einer der letzten Dinosaurier".
Mit dieser Aussage könnte Vrouyr durchaus recht haben. Denn es dürften kaum mehr Orienttepichfachgeschäfte existieren, in denen ausschließlich der Orientteppich so im Mittelpunkt steht und ohne Schnörkel, ohne künstlich geschaffene Wohnwelten präsentiert wird. Über drei Etagen verteilt hängen, liegen und stehen hunderte persische Teppiche, wie auch chinesische, türkische und kaukasische Teppiche, wobei der Keller vor allem Kelims vorbehalten ist. Besonders auffällig ist dabei die Vielzahl an Übergrößen von 12 m
2 bis über 30 m
2.
Vrouyr kauft seine Teppiche auf Auktionen, bei Kollegen und natürlich vor Ort. Jedes Jahr fährt er zwei bis drei Wochen in den Iran - früher waren es sechs bis sieben Wochen -, kauft seine Ware auf den Basaren und bei den Nomaden. Und zwar fast immer nur dann, wenn "ein Licht angeht", wenn sie ihn persönlich anspricht. Und statt wie viele andere Einzelhändler Statistiken über die Art der verkauften Ware zu führen, wird häufig aus dem Bauch heraus gehandelt, "schließlich ändert sich der Geschmack ja ständig." Hätte Vrouyr das Geschäft 1980 mit mathematischem Kalkül von seinem Vater übernommen und müsse er Miete für seine dreistöckiges Immobilie zahlen, würde seine Leidenschaft wohl mittlerweile auch von Zahlen bestimmt. Stattdessen kann er es sich leisten zu fragen: "Was macht es für einen Unterschied, ob ich in einem Jahr 15 % mehr oder weniger Teppiche verkaufe?"
N. Vrouyrs Kunden kommen vor allem aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Dass er weit über die Stadtgrenzen Antwerpens hinaus bekannt ist, dürfte an den vielen Ausstellungen liegen, auf denen er regelmäßig mit einem Stand vertreten ist. Zum Beispiel auf den Antikmessen in Brüssel und Amsterdam (PAN) und Cocoon in Brüssel. Vrouyr beschreibt seine Klientel als "sehr gemischt, jedoch eher jung". Da überrascht es nicht, dass das Internet zur Vorabinformation rege genutzt wird. Vorbildlich wird ein Großteil des Sortiments online im Bild gezeigt und näher erklärt. Auf diese Weise gelangt er an viele Kunden, die sein Geschäft bislang nicht betreten haben. Überraschend ist, dass auch viele ältere Kunden das Internet als Informationsquelle nutzen, zum Beispiel die 90-jährige Dame, die seit Jahrzehnten hier einkauft und nun das Haus nicht mehr verlassen kann. Die Vorauswahl wird online getroffen, Vrouyr fährt mit der Ware zum Kunden, legt sie dort aus und lässt sie auch mal ein paar Tage liegen. Früher überließ er seine Teppiche auch schon mal mehrere Wochen zur Ansicht, heute sei das auch aus wirtschaftlichen Gründen eher unüblich. So lange "das Feuer noch glühe", müsse der Teppich verkauft werden.
Bei aller Liebhaberei für antike und persische Teppiche ist auch neue Ware im Sortiment, wie von Beispiel Tufenkian, Haynes Robinson und Odegard.
Damit auch die Außenwelt mitbekommt, dass N. Vrouyr "sehr wohl noch existiert", wird das Schaufenster alle zwei bis drei Wochen umdekoriert. Dieser dynamische Wechsel kommt gut an, die Veränderungen werden von der Laufkundschaft wahrgenommen. Und so kommt es schon mal vor, dass des Nachts Autos am Geschäft vorbeifahren, abrupt bremsen und rückwärts bis zum Schaufenster fahren um die neue Ware zu bestaunen.
Weitere Werbung, zum Beispiel in Form von Zeitungsanzeigen, kommt für Vrouyer nicht in Frage, eher Directmailings an Bestandskunden. In diesen Briefen wird meist zu Ausstellungen in die Geschäftsräume eingeladen, die nicht immer etwas mit Teppichen zu tun haben müssen, sondern "Themen, die mir einfach Spaß machen." Derzeit ist eine Ausstellung über Art Deco-Teppiche in Vorbereitung.
Über die Zukunft seines Geschäftes macht sich Christan Vrouyr keine Sorgen, eine seiner drei Töchter wird es wohl übernehmen. Wichtiger jedoch ist seine folgende Aussage, die der leidgeprüften Branche Hoffnung machen sollte: "Orient geht noch immer - und wird wieder richtig kommen!"
aus
Carpet Magazin 01/10
(Handel)