Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.
Krapp - Pflanzenfarbstoff für Rot

Krapp ist einer der bedeutendsten Pflanzenfarbstoffe für Orientteppiche. Mit der Wurzel dieser im Orient weit verbreiteten Pflanze lässt sich Wolle rot färben, da sie die Farbstoffe Alizarin und Purpurin enthält. Je älter die Pflanze ist, desto intensiver ist der zu erzielende Rotton. Besonders geeignet sind Krappwurzeln von drei bis sieben Jahre alten Pflanzen. Um den Farbstoff zu erhalten, muss die Wurzel nach der Ernte getrocknet und gemahlen werden. Für den Färbevorgang wird das so erhaltene Pulver dann mit Alaun als Beizmittel in einem Kessel gekocht, bevor die Wolle in mehreren Arbeitsschritten in dem Kessel eingefärbt wird. Abschließend wird die Wolle noch gründlich ausgewaschen und getrocknet.

Ein weiterer natürlicher Farbstoff für Rot ist Karmin, das als Cochenille aus der mittelamerikanischen Scharlach-Schildlaus oder der auch im Orient vorkommenden Kermesschildlaus gewonnen wird.

Osmanen - Türkische Dynastie, die bis ins 20. Jahrhundert dauerte

Die Dynastie der Osmanen, gegründet 1281 von Osman I., regierte das nach ihr benannte Osmanische Reich bis zur Gründung der heutigen Türkei nach dem Ende des ersten Weltkrieges. Die Osmanen weiteten ihren Herrschaftsbereich schnell aus. Seine größte Ausdehnung erreichte ihr Reich unter der Herrschaft von Suleiman dem Großen (1520 - 1566). Es reichte von den Grenzen Österreichs im Westen bis an das Persische Reich im Osten. Das Kunsthandwerk und die Architektur blühten in diesem Zeitraum ebenfalls auf.

Nachweislich werden seit spätestens dem 15. Jahrhundert Teppiche im Reich der Osmanen geknüpft. Berühmt sind die zahlreichen Uschak-Teppiche, die unter anderem in den Gemälden von Holbein und Lotto abgebildet wurden und so einen bedeutenden Platz in der Historie des Orientteppichs eingenommen haben. Die Hofmanufaktur wurde seit dem 16. Jahrhundert in Kairo betrieben, das 1517 erobert wurde. Geknüpft wurden hier Teppiche nach persischem Vorbild aber auch eigene Kreationen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Hofmanufaktur nach Hereke in der Nähe von Istanbul verlegt.

Mafrasch - Gewebtes Behältnis für Bettzeug der Nomaden

Nomaden stellten schon immer geknüpfte und gewebte Behälter für den täglichen Gebrauch her, von Salztaschen bis zu textilen Kleiderkisten. Zu den größten gehört der Mafrasch, eine rechteckige Transporttasche für Bettzeug. Die Bezeichnungen für die einzelnen Nomadentextilien können in den verschiedenen Stämmen und Völkern von einander abweichen. Bei den Turkmenen wird unter einem Mafrasch beispielsweise eine kleinere Zelttasche verstanden, im Teppichhandel haben sich aber die persischen Bezeichnungen durchgesetzt.

Zu den herausragendsten Mafrasch gehören die der Schasavan-Nomaden im Nordwest-Iran, gelten sie doch als besonders liebevoll gefertigt. Wie viele andere Nutztextilien, werden auch sie aus Flachgeweben hergestellt, die Seitenteile in Soumakhtechnik, der Boden meist in einfacher Kelimwebung. Allen Mafrasch ist gemein, dass sie für den Eigenbedarf und ausschließlich von Frauen gefertigt werden. Die Stücke gelten innerhalb eines Clans als Statussymbole und ihnen wurde und wird daher besonders viel Liebe und Fantasie zuteil. Verkauft werden solche Textilien nur in absoluten Notzeiten, eine Produktion rein für den Handel ist aus Sitte und Stolz undenkbar.

Sivas - Zentralanatolische Teppichprovenienz

Die Teppiche der 400 km östlich von Ankara gelegenen Provenienz Sivas gehören zu den qualitativ besten Anatoliens. Unterschieden werden Stücke aus den Manufakturen von denen der umliegenden Dörfer. Die Dorf-Sivas sind mittelfein geknüpft und eher einfach geometrisch gemustert. Der dichte Flor aus hochwertiger Wolle ist meist in ein Wollgrundgewebe geknüpft, es kommen aber auch Stücke mit Baumwollketten in den Markt.

Sivas, die in Manufakturen gefertigt werden, sind die typischeren Vertreter ihrer Provenienz. Sie sind zum Teil sehr fein gearbeitet und kommen in Größen bis 400 cm x 600 cm auf den Markt. Geknüpft wird in Wolle auf Baumwolle. Die Muster erscheinen persisch inspiriert, vor allem die sehr feinen Stücke sind kaum von persischen Teppichen zu unterscheiden. Ein für Sivas typisches Dessin zeigt drei verschiedenfarbige rechteckige Felder, die jeweils ein eigenes Medaillon tragen. Bei der Gestaltung der Bordüre werden gern stilisierte Nelkenblüten eingesetzt.

Erwähnenswert sind noch die Teppiche der örtlichen Knüpfschule, die - anders als in Sivas sonst üblich - mit dem asymmetrischen Knoten knüpft und Kopien persischer Teppiche lehrt. Im Gefängnis der Stadt wurden von den Inhaftierten Teppiche geknüpft, die mit den Initialen C.E. für ceza evi (türkisch: Gefängnis) versehen wurden.
aus Carpet Magazin 01/10 (Teppiche)