Von Jürgen Bruhn
Eine durchaus Ernst gemeinte Betrachtung zum Thema Orientteppich
Marketing- und Handelsexperte Jürgen Bruhn stellt in diesem Gastbeitrag dar, "wie die Teppichbranche aus dem Tal der Tränen heraus kommen kann." Sein Fazit: "Jammern hilft nicht - Ideen sind gefragt!"Der Kauf von Teppichen ist heute in etwa genau so wenig gefragt, wie zum Beispiel das Sammeln von Briefmarken. Beide Branchen beklagen fehlende Nachfrage und sinkende Umsätze, den Anbietern geht es nicht gut. Für beide Produkte ist schnell ein- und dieselbe Erklärung zur Hand: sie sind nicht mehr zeitgemäß. Ein Klagelied über den Rückzug des Teppichs aus deutschen Wohnstuben soll hier jedoch nicht angestimmt werden, speziell nicht über den Niedergang des handgeknüpften Orientteppichs.
Statt mit Orientteppichen, werden die Wohnräume heute lieber mit Laminat ausgelegt. Manchmal kommt ein preiswerter moderner Teppich hinzu. Natürlich haben fein geknüpfte Teppiche ihren Preis. Doch angesichts der "Geiz-ist-geil"-Mentalität breiter Verbraucherschichten hat diese Produktart eindeutig das Nachsehen.
Während es - um beim Beispiel zu bleiben - in der Philatelie immerhin noch etliche seriöse Auktionshäuser gibt, sind sie bei den Orientteppichen selten geworden. Unter lauter Ramschware suchen Schnäppchenjäger nach den Perlen. Die Zahl der Fachhändler beider Produktarten hat sich ebenso verringert, wie die Zahl der Handy- und Computerläden zunahm.
Teppichfreunde wie Briefmarkensammler kehren ihren Objekten den Rücken. Ist dieser Trend zu stoppen? Lässt sich eine Zeiterscheinung umkehren? Und falls ja, wie? Wer die Hände in den Schoß legt und darauf wartet, dass sich der Verbrauchergeschmack wieder von selbst in die gewünschte Richtung verändert, kann lange warten, wahrscheinlich länger als es seine finanziellen Möglichkeiten erlauben. Den Weg aus dem Dilemma muss die Branche selber beschreiten.
Wer sind die Multiplikatoren und Meinungsbildner, die in der Lage sind, den Teppich wieder ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu tragen? Es sind die Innenarchitekten und ihr Nachwuchs, die Studierenden an den Hochschulen, ferner die Wohnzeitschriften und natürlich das Fernsehen. Was ist zu tun?
Innenarchitekten für den Orientteppich gewinnenWerden künftige Innenarchitekten in den Fächern Materiallehre und Gestaltung mit Orientteppichen vertraut gemacht? Das muss bezweifelt werden, denn in der Praxis nutzen sie dieses Gestaltungsmittel ja nicht. Es ist eminent wichtig, den Innenarchitektur-Nachwuchs an Orientteppiche heranzuführen. Wie soll ein Bezug zu dieser Produktgattung entstehen, wie will man später Verbraucher beraten können, wenn das Thema Orientteppich in den Lehrplänen fehlt?
Der Orientteppich-Verband EUCA und der FDTB sollten bei den Architekturschulen einmal nachfragen, ob Teppich-Experten Gastvorlesungen halten können? Das könnte im Rahmen eines Symposiums oder in gesonderten Vorlesungen geschehen. Anschauungsmaterial und Fachwissen sind reichlich vorhanden. So bekämen die angehenden Innenarchitekten Wissen über Wolle, Knüpftechniken, Färben, Provenienzen etc. vermittelt.
Viele der deutschen Universitäten von Aachen bis Wuppertal besitzen Fakultäten für Architektur und Innenarchitektur. Außerdem gibt es spezielle Hoch- sowie Fachhochschulen für Innenarchitektur, so die in Coburg, Kaiserslautern, in Rosenheim, Wismar und anderswo. Ein Versuch wäre es Wert.
Doch sollte man es bei den künftigen Innenarchitekten nicht bewenden lassen. Auch und gerade die heute tätigen Fachleute sind gefragt. Schließlich sind sie es, die den Orientteppich bei ihren Raumgestaltungen links liegen lassen. Die meisten Innenarchitekten erreicht man über ihre Standesorganisation. Das ist der BDIA-Bund Deutscher Innenarchitekten, Königswinter. Der Verband ist in Landesverbänden gegliedert, welche in regelmäßigen Abständen Veranstaltungen für die Mitglieder durchführen. Das könnte eine Plattform für Vorträge über Orientteppiche sein, das Einverständnis dieser Gremien vorausgesetzt. Am Besten, man erfrage über den Zentralverband BDIA die Adressen der Landesverbände, um zu ihnen Kontakt aufnehmen zu können. Einige Adressen gibt es auch im Internet.
Die Medien als Mittler nutzenVerbraucher, die nach neuen Wohntrends suchen, informieren sich durch Lektüre einer Wohnzeitschrift. Also "Schöner Wohnen", "Zuhause Wohnen", "Wohn-Idee" und wie sie alle heißen. Die Wohnpresse versteht sich als Trendsetter. Man führt das Wohnen für den großen wie für den kleinen Geldbeutel in Bild und Wort vor. Das schafft Begehrlichkeiten und Anregungen. Leider ist in diesen Magazinen der Knüpfteppich kaum ein Thema, höchstens mal der moderne Teppich.
Kontinuierliche PR-Arbeit wäre vonnöten. Doch wer legt fest, was in diesen Zeitschriften gezeigt wird? Es ist ein Team aus Redakteuren, Innenarchitekten, Gestaltern. Sie selbst haben ihre Augen und Ohren am Markt und informieren sich auf Messen und anderswo über Produktneuheiten, Material- und Farbtrends. Als der Autor dieses Beitrags für die Öffentlichkeitsarbeit eines namhaften Herstellers von Wohnprodukten zuständig war, besuchte er in regelmäßigen Abständen die Redaktionen der Wohnzeitschriften, zeigte die neuen Kollektionen und diskutierte mit den Presseleuten über aktuelle Trends. Als Dankeschön wurden die Produkte dann in den Abbildungen von Wohninterieurs gezeigt und - wenn auch in kleinem Schriftgrad - mit Angabe des Herstellers benannt.
Das könnte auch Vorbild für die Verantwortlichen der Teppichbranche sein. Logistisch wäre es so einfach. In Hamburg befinden sich nicht nur die beiden größten Wohnzeitschriften, sondern ist auch das größte Teppichlager der Welt zu Hause. Es mangelt weder an Fachleuten noch an Anschauungsmaterial. Der Kontakt muss gesponnen und mit Leben erfüllt werden. Wenn die für die Wohnreportagen Verantwortlichen sehen, welche Augenweide ein Orientteppich für den Wohnraum sein kann, wird der Teppich wieder Einzug halten. Zunächst in der Wohnpresse und dann in den Wohnstuben.
Das große Massenmedium unserer Zeit ist neben dem Internet das Fernsehen. Müßig zu erwähnen, dass Teppiche in den Hunderten von Sendeformaten keine Rolle spielen. Stattdessen werden wir mit einer Flut von Kochsendungen überrollt. Zwar wäre es blauäugig zu glauben, es könne ein Sendeformat mit dem zentralen Thema Orientteppich eingerichtet werden. Aber es sollte doch gelingen, die Verantwortlichen im Fernsehen davon zu überzeugen, Sendungen über das Einrichten und schöne Wohnen auszustrahlen. Welche Gardinen und Tapeten passen zum Beispiel in puncto Farbe und Dessin zu welchen Möbeln? Und bei der Gestaltung der Bodenflächen würde dann nicht nur über Laminat, Teppichboden und Keramik gesprochen, sondern auch über Teppiche. So würde der Jugend das Produkt vorgestellt und der älteren Generation in Erinnerung gerufen werden.
Alle hier vorgestellten Anregungen müssten in der Durchführung zentral gesteuert werden. Ein PR-Profi mit besten Kontakten zu den Medien gehört ebenso dazu wie ein Orientteppichfachmann, der Vorlesungen und Vorträge hält. Das erfordert Organisationsarbeit und Kostenaufwand. Im Idealfall ist ein solches Unterfangen von der Gemeinschaft aller Teppich-Importeure und des Teppichhandels zu schultern. Kraft, Ausdauer und ständige Impulse wären gefragt. Andererseits: von alleine passiert gar nichts. Geklagt ist genug worden - handeln ist angesagt!
aus
Carpet Magazin 01/10
(Teppiche)