Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Orient-Warenkunde
Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.Heris - Nordwestiranische Teppichprovenienz
Der Heris gehörte lange Zeit zu den beliebtesten persischen Teppichen auf Exportmärkten wie Deutschland und den USA. Der Grund dafür war seine gute, robuste Qualität und die harmonische Kolorierung. In jüngster Zeit scheint die leicht geometrische, üppig-florale Musterung weniger gefragt.
Ihren Namen hat diese Teppichprovenienz von dem Städchen Heris, das gut 60 km westlich von Tabris in der nordwestiranischen Provinz Aserbaidjan liegt. Geknüpft wird in vielen Dörfern der Gegend, zum Beispiel in Ahar, Bakhschayesch, Gorevan, Mehaban und Serapi. Vor allem Serapi steht für sehr feine Stücke und ist mittlerweile auch Synonym für besonders gelungene Teppiche anderer Heris-Teppiche.
Geknüpft werden vor allem großformatige Teppiche ab 8 m, Brücken oder gar noch kleinere Formate gelangen sehr selten in den Handel. Als Flormaterial kommt hochwertige Wolle zum Einsatz, das Grundgewebe besteht aus Baumwolle. Die Knüpfung ist ungeschichtet und mit einer Dichte von 50.000 bis 120.000 Knoten / m eher grob. Trotz des dicken Flors haben die Stücke daher einen sehr geschmeidigen Griff. Eine gefragte Rarität sind die antiken, sehr feinen Seiden-Heris.
Die Musterung orientiert sich stark an den floralen Dessins des benachbarten Tabris, ist aber viel geometrischer ausgearbeitet, nicht zuletzt wegen der deutlich groberen Knüpfeinteilung. Typisch für Heris ist ein mächtiges - oft schwarzgrundiges - Medaillon mit großen palmettenartigen Ansätzen. Der Fond ist typischerweise braun-rot bis braun, die großen Eckzwickel kontrastierend hellgrundig. In der Bordüre wird die Nähe zu Tabris ebenfalls deutlich.
Flachgewebe - Teppiche oder Gebrauchstextilien ohne Flor
Der Begriff Flachgewebe beschreibt alle Teppiche ohne einen Flor. Zu den bekanntesten und beliebtesten orientalischen Flachgeweben gehören Kelim, Soumakh und Djadjim. Die verschiedenen Flachgewebe unterscheiden sich vor allem in der Art ihrer Webbindung. Die Musterung wird von Kette und Schuß gebildet. Fast alle Varianten werden grenz- und völkerübergreifend gewebt. Es ist also nicht so, dass ein bestimmter Stamm ausschließlich Kelims herstellt, ein anderer dafür ausschließlich Soumakhs.
Flachgewebe sind vor allem Erzeugnisse von Nomaden, in deren Zelten sie Verwendung finden. Dank ihres geringen Gewichts und der handlichen Packmaße passen Kelim und Co. perfekt in das Nomadenleben. Großformatige Stücke weben die Frauen meist in schmalen Streifen, die anschließend zusammengenäht werden. Grund dafür ist die eingeschränkte Breite des Webstuhls. Die von Nomaden gefertigten Knüpfteppiche werden nur bei besonderen Anlässen hervorgeholt oder schmücken den Haushalt der Stammesfürsten.
Der Kelim ist der wohl bekannteste und beliebteste orientalische flachgewebte Teppich. Er ist beidseitig verwendbar und erhält sein Muster durch Schussfäden unterschiedlicher Farben. Jeder Farbbereich im Muster wird mit einem eigenen Faden gewebt. Stoßen zwei Farbbereiche aneinander, entsteht deshalb ein Schlitz im Gewebe. Dieser für Kelims charakteristische Schlitz macht die Unterscheidung zu anderen Flachgeweben sehr leicht.
Die Muster der Soumakh werden ebenfalls durch die Schussfäden gebildet. Die dabei angewandte Webform wird auch Wickeltechnik genannt. Da bei dieser Webtechnik die überstehenden Schussenden nicht zurückgeführt werden, hängen sie an der Rückseite locker und wirr heraus. Der Soumakh ist an dieser webtypischen Eigenart ebenfalls leicht zu erkennen, auch ist er deshalb nur von einer Seite zu verwenden
Im Gegensatz zu Kelim und Soumakh wird das Muster beim Djadjim durch die Kette gebildet, nicht durch den Schuss.
Pao Tou - Nordchinesische Teppichprovenienz
Die Stadt Pao Tou, Namensgeber der beliebten nordchinesischen Teppichprovenienz, liegt direkt am Huang-Ho - dem Gelben Fluss - in der Inneren Mongolei. Die Grenze zum nördlichen Nachbarn, der Mongolei, liegt etwa 150 km entfernt.
Ihre Blütezeit erlebten die Knüpfer von Pao Tou und den umliegenden Dörfern zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg, als chinesische Teppiche ein gefragtes Exportgut wurden. Heute wird hier nicht mehr produziert, die Knüpfindustrie wanderte erst nach Peking, dann in die Hafenstadt Tianjin ab. Vor der Zeit der Exporte wurden vor allem kleine Größen um 1 m geknüpft, nur Bildteppiche waren großformatig. Diese wurde vor allem als Wanddekoration eingesetzt und hatten folglich quer verlaufende Dessins.
In den Teppichen aus Pao Tou wird wesentlich mehr Blau als in den alten Teppiche der anderen chinesischen Provenienzen verwendet. Sogar die Knüpfungen aus dem nicht weit entfernten Ningxia sind durch die großzügige Verwendung der Farbe Gelb von den zusätzlich etwas feineren Pao Tou zu unterscheiden.
Ensi - Geknüpfter Türteppich der Turkmenen
Bei den Turkmenen ist die Vielzahl der im Alltag verwendeten Knüpfobjekte im Vergleich zu anderen Völkern besonders groß. Der Ensi diente den turkmensischen Nomaden als Vorhang oder Türteppich vor dem Eingang in die Jurte. Ihre Größen sind naturgemäß recht ähnlich und liegen bei ca. 150cmx180cm.
Das typische Muster der Ensi aller Stämme ist das so genannte Hatschlu, ein großes Kreuzmotiv im Innenfeld. Umgeben ist es von einer Bordüre mit einer Gebetsnische (Mihrab) am oberen Ende. Ob die Teppiche aber tatsächlich auch als Gebetsteppich verwandt wurden, lässt sich heute schwer nachweisen. Typisch für alle turkmenischen Teppiche, also auch für die Ensi, sind die roten Kolorits und die stammestypische Musterung. Beide Details können dem Fachmann Auskunft über den genauen Ursprung geben.
aus
Carpet Magazin 02/10
(Teppiche)