EC 1 und Blauer Engel: Fragen an Klaus Winkels (GEV) und Ernst Dieckmann (Wulff)

Zwei Umweltzeichen - zwei Meinungen

Die Fußbodenbranche ist seit Jahren in Aufruhr, wenn es um Umweltzeichen für Verlegewerkstoffe geht. Auf der einen Seite gab es bislang die Mitglieder der "Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V. - kurz GEV. Diese Hersteller zeichneten und zeichnen ihre Verlegewerkstoffe mit dem Umweltzeichen EC 1 aus. Auf der anderen Seite stand bis vor wenigen Wochen mit Wulff nur ein Hersteller, der beim Umweltbundesamt den "Blauen Engel" bekam und führte. Da in öffentlichen Ausschreibungen in den letzten Monaten vermehrt der Blaue Engel verlangt wurde, hat man bei der GEV die Satzung geändert: Nun dürfen auch GEV-Mitglieder zusätzlich zu EC 1 auch den Blauen Engel tragen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen.

Die Verbreitung des Blauen Engels kann man sehr einfach im Internet unter www.blauer-engel.de, Rubrik "Bodenbelagsklebstoffe" verfolgen. Dort sind mittlerweile drei Anbieter verzeichnet: Comfundo Bodenbelags GmbH, Uzin Utz AG und Wulff GmbH & Co. KG.

Derzeit erwägen weitere deutsche Verlegewerkstoffhersteller, ob sie für ein Teilsortiment den Blauen Engel beantragen sollen. Wie FussbodenTechnik auf Nachfrage erfuhr, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass in den nächsten Monaten einige Marktteilnehmer nachziehen werden.

FussbodenTechnik möchte das Thema Umweltzeichen von zwei Seiten beleuchten und befragte zwei konträre Parteien zum Blauen Engel und EC 1. Sieben Fragen beantworten Klaus Winkels, Geschäftsführer der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V. und Ernst Dieckmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Wulff:

1.

FussbodenTechnik:
"EC 1" und "Blauer Engel" haben unterschiedliche Zielgruppen: Während sich "EC 1" an den Handwerker richtet, ist der "Blaue Engel" für den Endverbraucher gedacht. Macht es daher überhaupt Sinn, die Produkte mit beiden Siegeln auszuzeichnen?

Ernst Dieckmann, Wulff: Fakt ist, dass der "Blaue Engel" immer mehr bei öffentlichen Ausschreibungen direkt gefordert wird, weil man sich in vielen Fällen an die Vorgaben des Bundesministeriums, Bau- und Wohnungswesen "Leitfaden für Nachhaltiges Bauen" hält. Auf Seite 33 wird ganz klar (siehe Punkt 3.5 - Gesundheitsverträglichkeit ) geschrieben: "Bei der Auswahl von Materialien und Baustoffen kann das Umweltzeichen "Blauer Engel" eine wesentliche Orientierungshilfe geben. Die Gesundheitsverträglichkeit, insbesondere der Bauhilfsstoffe, spielt eine große Rolle."

Klaus Winkels, GEV: Das muss jedes Unternehmen selbst entscheiden. Das hat vor allem damit zu tun, wie ein Unternehmen seine Marken steuert. Manche Hersteller wollen ihre Profimarke auch aus Gründen der Qualität unterschiedlich aufstellen und behalten den EMICODE der Profi-Linie vor. Andere werden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit beide Zeichen auf ein Gebinde setzen, schon um die Kosten für die Lagerhaltung nicht steigen zu lassen.

2.

FT:
Welche Vorteile hat das Boden verlegende Handwerk von der Zulassung von mehreren Umweltzeichen auf einem Gebinde?

Ernst Dieckmann: Eine Vielzahl von Umweltsymbolen verwirrt nach meiner Ansicht den Verarbeiter und auch den Verbraucher. Für Deutschland ist nun einmal der "Blaue Engel" das bekannteste Umweltzeichen.

Klaus Winkels: Ein qualitativer Vorteil ist damit nicht verbunden. Untersuchungen haben gezeigt, dass EC1-Klebstoffe die Kriterien des UZ 113 erfüllen. Auch "Blaue-Engel"-Klebstoffe dürften in der Regel die EC1-Kriterien schaffen, so dass das Schutzniveau hier vergleichbar ist. Der Vorteil des "Blauen Engel" liegt in der Bekanntheit beim privaten Verbraucher und bei Behörden. Bei entsprechender Anforderung hat hier das Handwerk bei Doppelkennzeichnung die Möglichkeit, den Bedarf zu befriedigen und zugleich ein Qualitätsprodukt anbieten zu können.

3.

FT: Führt die Verwendung von mehreren Umweltzeichen nicht zu einer "Gleichmacherei" oder anders gefragt: Sind Blauer Engel und EC1 wirklich gleichwertig?

Ernst Dieckmann: Natürlich sind der "Blaue Engel" und EC 1 nicht gleichwertig. Der "Blaue Engel" stellt höhere Anforderungen. Extrem wichtig ist die Messung am 3. Tag (Startwerte), da sich in der Praxis die Start-Emissionen unter dem Belag aufhalten. Die schwerflüchtigen Verbindungen, die ja für anhaltende Emissions- und Geruchsbeanstandungen verantwortlich sind, werden gesondert geprüft. Wenn anhaltend steigende Werte ab dem 3. Tag messbar sind, muss bis zum 28. Tag nach den Anforderungen des "Blauen Engels" weiter gemessen werden. Viele weitere Forderungen bestehen bei dem "Blauen Engel", wie z. B. Verzicht auf oxidierbare Fettsäuren, Begrenzung der Mengen an Konservierungsmittel usw.. Umweltsymbole schützen nicht automatisch vor Geruchsbeanstandungen.

Klaus Winkels: Die Messzeitpunkte der Prüfmethoden und die zugeordneten Anforderungen sind verschieden und wurden bei der GEV in vielen Testserien optimiert. Daher ist der 10-Tages-Wert der GEV für die Beurteilung am aussagekräftigsten. Der 28-Tage-Wert des "Blauen Engels" ist ein "politischer Messpunkt", der dem AgBB-Schema entnommen ist. Er ist z.B. für Klebstoffe suboptimal und eignet sich eher für Lacke und Farben. Das insgesamt vergleichbare Schutzniveau gilt nach unseren Untersuchungen für Klebstoffe, bei anderen Verlegewerkstoffen ist EC 1 z.T. deutlich schärfer.

4.

FT: Kann der Handwerker mit seinen Basiskenntnissen aus dem Chemieunterricht überhaupt die Unterschiede bei der Bestimmung von Emissionsgrenzwerten zwischen Blauer Engel und EC 1 nachvollziehen?

Ernst Dieckmann: Basiskenntnisse aus dem Chemieunterricht reichen nicht aus, um diese komplizierten Themen zu verstehen. Der Handwerker müsste schon Chemiker sein.

Klaus Winkels: Leider nein. Der EMICODE wurde 1997 auch deshalb entwickelt, um die unterschiedlichen und verwirrenden Aussagen der Hersteller zu systematisieren und dem Handwerk und Verbraucher eine Orientierung zu geben. Dass dann am 1.6.2003 der "Blaue Engel" für Klebstoffe kam (RAL UZ 113), war in der Tat überflüssig und hat dem Handwerk nicht geholfen.

5.

FT: Beim Blauen Engel misst man nach 3 und nach 28 Tagen; EC 1 misst nach 10 Tagen. Worin ist dieser Unterschied begründet? Würde es nicht Sinn machen, den Messzeitpunkt zu vereinheitlichen?

Ernst Dieckmann: Korrekt ist, dass der "Blaue Engel" nach RAL-UZ 113 eine Messung am 3. Tag verlangt. Wenn an vier aufeinander folgenden Tagen keine erhöhten Messwerte ermittelt werden, kann die Messung bereits am 7. Tag abgebrochen werden, falls sie < 100 g/m betragen. Natürlich macht es Sinn, die Messzeitpunkte zu vereinheitlichen, dann bleibt aber der GEV/EC 1 nichts anderes übrig, als auf die Prüfmethode des "Blauen Engels" nach RAL-UZ 113 umzusteigen. Diese Messzeitpunkte sind identisch mit dem AgBB-Schema, das ja die Grundlage für eine CE-Kennzeichnung für Bodenbeläge darstellt. Jedoch lässt der "Blaue Engel" nach RAL-UZ 113 für emissionsarme Bodenbelags-Klebstoffe und andere Verlegewerkstoffe nur 1/10 der Werte für die TVOCs und nur die Hälfte der SVOCs im AgBB-Schema zu. Das Bessere ("Blauer Engel") ist des guten Feind.

Klaus Winkels: Nach unseren Messserien gibt es keine Emission aus dem 3-Tages-Wert, die nicht auch nach 10 Tagen erfasst werden kann. Allerdings haben sich auch schwerflüchtige Stoffe zumeist nach 4 Wochen so weit verflüchtigt, dass 28 Tage keine wirkliche Herausforderung darstellen. Dennoch ist eine Vereinheitlichung langfristig sinnvoll und auf europäischer Ebene auch angestrebt.

6.

FT: Genügt es, die Produkte vor der Vergabe eines Umweltzeichens auf ihre Eigenschaften hin zu testen, oder halten Sie auch nachträgliche Stichproben/Kontrollmessungen für erforderlich?

Ernst Dieckmann: Natürlich ist es sinnvoll, in gewissen Abständen Stichproben/Kontrollmessungen durchzuführen. Dieses ist schon im Rahmen der DIN ISO 9001 durch unser QM-System gewährleistet.

Klaus Winkels: Unsere Stichproben der letzten Jahre haben ergeben, dass die Produkte in den allermeisten Fällen ihre EC1-Qualität bestätigen konnten. Aber es gab auch Ausnahmen, gerade beim letzten Test. Deshalb bleiben Kontrollen wichtig, denn nur so kann die Disziplin gewahrt werden, dass die Qualität auch in schwierigen Zeiten erhalten bleibt.

7.

FT: Wagen Sie bitte einen Blick in die Zukunft: Werden Produkte aller GEV-Mitglieder in 2 Jahren zusätzlich den "Blauen Engel" tragen, und werden alle bisherigen Befürworter des "Blauen Engel" zusätzlich "EC 1" als Siegel führen?

Ernst Dieckmann: Einen Blick in die Zukunft können nur die Unternehmen werfen, die neben dem EC 1 auch noch mit dem "Blauen Engel" labeln. Wulff wird ohne Wenn und Aber bei dem bewährten und strengen Anforderungsprofil des "Blauen Engels" bleiben". Diese Frage stellt sich für die GEV nicht - siehe GEV-Veröffentlichung im Internet unter www.emicode.com in der Broschüre "GEV und EMICODE" - Fragen und Antworten" unter Punkt 30: "Dennoch lässt die GEV die parallele Verwendung des "Blauen Engels" für Klebstoffe nicht zu, da dieses System keine Kontrollen durchführt und deshalb für den Verbraucher keine Sicherheit bietet" Wie die GEV/EC 1-Mitglieder jetzt die "Kurve kriegen", den "Blauen Engel" auch als akzeptiertes Umweltzeichen darzustellen, bleibt abzuwarten.

Klaus Winkels: Einige Hersteller werden den "Blauen Engel" nutzen, insbesondere zur Markensteuerung im DIY-Geschäft. Seine limitierte, nationale Bedeutung beschränkt die Verbreitung, so dass der "Blaue Engel" gegenüber dem internationalen GEV -EMICODE EC 1 für die weltweit operierenden Hersteller und Vermarkter eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Doppelkennzeichnungen wird es zur Vereinfachung und Vermeidung von Zielgruppenkonflikten sicher geben. Die Mitglieder der GEV werden auch künftig ihre seit über 10 Jahren praktizierte und nachweislich bewährte EMICODE EC 1-Kennzeichnung im Sinne des Verarbeiter- und Verbraucherschutzes fortsetzen.
aus FussbodenTechnik 01/10 (Klebstoffe)