Estrichlegermeister Bernfried Hansel: Plädoyer für eine Berufsgruppe Bodenbau
Verfehlte Handwerkspolitik schädigt Verbraucher und Handwerker
Es gibt im Estrichlegerhandwerk immer weniger Auszubildende, die Zahl der Schadensfälle aufgrund von weniger qualifizierten Betrieben steigt und nun gibt es noch zusätzlich Tendenzen, die am Boden tätigen Gewerke Estrichleger, Parkettleger, Bodenleger und Fliesenleger in zwei unterschiedliche Berufsgruppen/Berufsfamilien einzuordnen. Estrichlegermeister Bernfried Hansel macht seinem Ärger über diese Entwicklung Luft und spricht sich für eine gemeinsame Berufsgruppe "Bodenbau" aus. Durch die Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 kam es zum Wegfall der Meisterprüfung als Voraussetzung zur Führung eines Handwerksbetriebes in zahlreichen Berufen. Lediglich für die gefahrgeneigten Gewerke blieb es bei der Voraussetzung der Ablegung einer Meisterprüfung zur Führung eines Betriebes. Demzufolge nahm die Zahl der in der Handwerksrolle eingetragenen Betriebe zur Ausübung bestimmter Handwerke rasant zu. Allein im Estrichlegerhandwerk vervielfachten sich die eingetragenen Betriebe von ehemals rund 1.700 auf heute über 4.500. In den zurückliegenden Jahren hat die Zahl der Schadensfälle im Bauhandwerk eher zugenommen, was auf Bauausführungen von weniger qualifizierten Betrieben zurückzuführen war. Der Leidtragende war in der Regel der Bauherr. Gleichzeitig kam es in der Branche zu einem Dumpingpreis-Wettbewerb, der letztendlich auch seriöse Betriebe vom Markt verschwinden ließ, die in einem ruinösen Preiswettbewerb untergingen. Tendenziell nahm auch die Zahl der Betriebsinsolvenzen zu, da weniger qualifizierte Betriebe auch schnell wieder vom Markt verschwanden. Dennoch kam es durch zahlreiche Neuzugänge in der Handwerksrolle - insbesondere auch aus osteuropäischen Ländern - nicht zu Rückgängen bei der Gesamtzahl der in der Handwerksrolle eingetragenen Betriebe.
Diese unbefriedigende Marktsituation sowohl für die qualifizierten Meisterbetriebe im Handwerk als auch für den Verbraucher besteht bis heute fort. Leider kam es in diesem Zusammenhang zu einer eher ablehnenden Haltung in den Meisterbetrieben in Bezug auf die Lehrlingsausbildung, die in der Folgezeit weniger ausbildeten. Im Estrichgewerbe drückte sich das durch rückläufige Ausbildungszahlen aus. Zu Beginn des Jahrzehnts wurden jährlich über 300 Lehrlinge ausgebildet, heute etwa noch die Hälfte.
Neue Irrwege zur Berufsfamilie im HandwerkIm Jahr 2007 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung zehn Leitlinien zur Modernisierung der beruflichen Bildung herausgegeben. U.a. wird darin auch zum Ausdruck gebracht, dass die Ordnung der beruflichen Bildung im Hinblick auf Zahl und Art der rund 350 Ausbildungsberufe modernisiert werden soll. Ziel ist es, bei Ausbildungsberufen, die in verwandten Tätigkeitsbereichen geschaffen wurden, eine Strukturierung in Berufsgruppen oder so genannten Berufsfamilien mit gemeinsamer Kernqualifikation und darauf aufbauende Spezialisierung zu schaffen. Grundsätzlich gibt es hiergegen keine Einwände.
Zwischenzeitlich hat sich aber herausgestellt, das es bei dem Versuch der Strukturierung solcher Berufsgruppen bzw. Berufsfamilien seitens des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) zu wenig sinnvollen Konstruktionen kommt. Bedingt ist dies durch die Lobbyinteressen verschiedener Spitzenverbände, die Befürchtungen haben, dass beitragszahlende Berufsgruppen zukünftig herausbrechen könnten.
So sind derzeit die Bestrebungen im ZDH weit fortgeschritten, eine Berufsfamilie "Farbe, Boden, Raum, Fassade" zu konstituieren und dem Richtliniengeber vorzuschlagen. Grundsätzlich wurde hier sicherlich der richtige Weg eingeschlagen. Bedenklich ist aber dabei, dass am Fußbodenbau beteiligte Gewerke infolge von Lobbyinteressen möglicherweise zukünftig nicht in den gleichen Berufsfamilien zu finden sind.
So gibt es im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) ein Ausbausäule, die in Estrichleger, Fliesenleger, Stuckateure, Zimmerer und Wärme-, Kälte-, Schallschützer zusammengeschlossen sind. Gleichzeitig existiert ein Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF), der die Interessen dieser Handwerke vertritt und sich eher dem Bereich der Maler und Raumausstattung zugehörig fühlt. Im Vorfeld der Richtlinienfindung entsteht dabei in den verbandlichen Bereichen eine Verzerrung in der Zusammensetzung der Berufsbilder, die die Realität der Baupraxis nicht mehr widerspiegelt.
Fakt ist, dass heute diversifizierende Betriebe des Bodenbaus sowohl den Estrich als auch den Belag wie Parkett, Teppich oder Fliese anbieten. Aus Sicht der Baupraxis müsste hier folgerichtig eine Berufsgruppe bzw. Berufsfamilie "Bodenbau" gebildet werden. Derzeit sieht es danach aus, dass dieses am Bau wichtige Bauteil Fußbodenbau sich möglicherweise später zerteilt wieder findet, einerseits in einer Berufsfamilie z.B. "Ausbau" und andererseits in einer Berufsfamilie "Gebäudebau". Infolge der technischen Anforderungen an den Bodenbau von "Oberkante Rohdecke bis Oberbelag" und der heutigen Aufstellung der Fachbetriebe ist dies eine praxisferne Vorstellung.
Bereits heute im Vorfeld der Richtlinienfindung sollten die Entscheidungsträger in Bezug auf diese Problematik sensibilisiert werden, bevor hier wieder erneut handwerkspolitische Fehlentscheidungen zum Nachteil für Verbraucher und Bauausführende erfolgen.
Fazit: Deshalb ist der Berufsgruppe (-familie) "Bodenbau" mit Estrich-, Parkett-, Boden- und Fliesenlegern den Vorzug zu geben.
Der Autor
Estrichlegermeister Bernfried Hansel ist Vorsitzender des Arbeitskreises "Calciumsulfat-Estrich" im Bundesverband Estrich und Belag, Troisdorf-Oberlar und Fachobmann "Bodenbelag" des Innungsverbandes Raum und Ausstattung, Westfalen-Lippe.
aus
FussbodenTechnik 01/10
(Handwerk)