Special Wärmedämmverbundsysteme
Markt und Zielgruppen, Chancen und Perspektiven
Energie kostet immer mehr Geld. Das belastet die Portemonnaies der Hausbesitzer und Mieter. Gleichzeitig verflüchtigt sich die teure Wärme durch die Wand. Hilfreich sind in dieser Situation Wärmedämmverbundsysteme (WDVS); in Zeiten von Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein immer interessanter werdender Markt für die Branche. Ihre Aufgabe ist es, den Verbraucher über Dämmmöglichkeiten, schärfere Energiegesetze und Fördergeld zu informieren. Das Motto lautet: Ohne Vorarbeit kein Auftrag.von Cornelia Küsel
Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) sind keine bahnbrechende Neuerfindung, die dazu angetan ist, die Kassen von Herstellern, Großhändlern und Malern plötzlich laut klingeln zu lassen. Sie könnten sich aber mehr denn je als Umsatzförderer erweisen. Die Zeichen stehen jedenfalls auf Belebung, denn Energie wird immer teurer. Zahlreiche Stromanbieter haben für dieses Jahr bereits Preiserhöhungen angekündigt. Bei Öl und Gas dürfte es nach der Krise nicht anders aussehen. Hingegen bleiben die Zinsen infolge der Weltwirtschaftskrise mittelfristig niedrig. Gute Gründe für Hausbesitzer, ihre vier Wände energetisch zu sanieren und damit die laufenden Kosten zu senken. Zumal die verschärfte Energiesparverordnung zusätzlichen Druck ausübt und der Staat Fördergeld anbietet. Doch eins muss die Branche beherzigen: Ohne Information und Service geht kaum noch etwas. Es reicht nicht mehr, nur Material zur Verfügung zu stellen.
Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, müssten in Deutschland jährlich 450.000 und damit 2,6 % aller Gebäude energetisch modernisiert werden, wie aus dem Energiesparkompass des Fachverbands Wärmedämmverbundsysteme hervorgeht. Tatsächlich seien es bisher nur die Hälfte. Das deutschlandweite Baupotenzial für Wärmeschutz-Maßnahmen taxiert die Erhebung auf 144 Mrd. EUR allein bei Wohngebäuden. Weltweit wird für Wärmedämmung ein jährliches Wachstum von 3 % prognostiziert - auf 22 Mrd. neu installierte Quadratmeter im Jahr 2020. Bei einem Weltmarktanteil deutscher Wärmedämmunternehmen von 10 % entfielen auf diese Hersteller 2,2 Mrd. qm.
EPS an erster StelleSchon heute hat der WDVS-Markt gewaltige Ausmaße. In Deutschland stellen die Unternehmen jährlich 40 Mio. qm her. Davon werden 25 Mio. qm direkt vertrieben, 15 Mio. qm laufen über die Handelsschiene, woran der Baustoff-Fachhandel einen Anteil von 7 Mio. qm hat, der Farben- und Lacke-Fachhandel 8 Mio. qm. Die Produzenten sind zu 85 % im Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme organisiert, zu dem 27 Systemhersteller als ordentliche Mitglieder zählen.
Montiert wurden nach Angaben des Verbands in den vergangenen 50 Jahren rund 740 Mio. qm WDVS. Das entspreche 120 Mrd. EUR an eingesparten Heizkosten. Die am häufigsten nachgefragten Dämmstoffe sind laut Verbandsgeschäftsführer Dr. Wolfgang Setzler, EPS (Styropor) mit 85 %, Mineralwolle (13 %) sowie Mineralschaum Holzfaserstoffe, Kork und Sonstiges. Über die Verwendung von Klebemörteln und Dekorbeschichtungen lägen noch keine konkreten Zahlen vor, die Materialien seien aber natürlichen Ursprungs wie Sand, Kalk, Zement, Erdöl oder Basalt.
Die Hersteller liefern alle gängigen Systeme, darüber hinaus teilweise spezielle, von ihnen entwickelte. Sie drängen darauf, WDVS von Experten an die Wand bringen zu lassen. "Das A und O ist die professionelle Umsetzung der Fassadendämmung", ist Harald Kranz, Marketingleiter bei Zero-Lacke, sicher. Maler und Stuckateure verhinderten durch eine professionelle Applikation Feuchteinträge zwischen Dämmung und Wand sowie Wärmebrücken, die zu Kondensation, Schimmelbildung und anderen Nässeschäden führen könnten. Aufgrund der Komplexität spielt der DIY-Bereich als Abnehmer eine zu vernachlässigende Rolle. Denn außer Fachwissen ist auch der Aufbau eines Gerüsts für die Anbringung von Dämmplatten nötig, was für den Endverbraucher ein Problem darstellen dürfte.
Auf die Logistik kommt es anFür ein durchschnittliches Einfamilienhaus sind rund 150 qm Fläche zu dämmen, rechnete Ingo Stückmann vom Großhandelshaus Brüder Schlau vor. Der Abnahmepreis des Großhandels an das Handwerk liegt je nach Material und System bei 5.000 bis 9.000 EUR, was etwa ein Drittel der Gesamtkosten ausmacht, die der Hausbesitzer einschließlich der Montage zu zahlen hat.
Die erforderlichen Mengen müssen natürlich verfügbar sein. Schlau hat geringe zur sofortigen Mitnahme vorrätig, "Großmengen werden über unser Zentrallager in Verbindung mit unserer eigenen Logistik sowie in Zusammenarbeit mit unseren Partner gegebenenfalls ,just in time auch direkt an die Baustellen geliefert", erläutert Stückmann.
Horst M. Randecker, Geschäftsführer des Dornstettener Großhändlers Farbtex Kaltenbach & Maier bringt auf den Punkt, welcher Service erforderlich ist: "Der Großhandel muss sich in der Logistik den Anforderungen anpassen, dann kann er die Chance nutzen, die sich aus WDVS ergeben."
Auf der anderen Seite steht das Handwerk, das am Großhandel festhält. "Wir brauchen ihn und müssen ihn pflegen", betont Karl-August Siepelmeyer, Präsident des Hauptverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, in der Redaktion von BTH Heimtex.
Allerdings steht der Großhandel beim Vertrieb in starker Konkurrenz zu den Herstellern. So setzt der Baustoffproduzent Saint-Gobain Weber auf die Partnerschaft mit dem Fachhandel. Er hat ein Weber.profi-Depot eingerichtet, in dem der Fachhändler ein Grundsortiment auf Vorrat bereithält. "Der Fachhandel kann seine Lagerflächen nicht wahllos mit Produkten zustellen, die vielleicht nur einmal im Jahr verkauft werden. Hingegen sollten die gängigen Produkte für das Tagesgeschäft stets vorrätig sein", meint Christian Poprawa, Marketingleiter bei Saint-Gobain Weber.
Wie auch immer die Lagerhaltung gelöst wird, WDVS sorgt für kräftige Umsatzschübe. Die Nachfrage ist laut Ingo Stückmann in den vergangenen Jahren zweistellig gewachsen. Inzwischen betrage der Umsatzanteil bei Schlau bezogen auf den Gesamtumsatz mit Farben rund 13,5 %. Farbtex Kaltenbach & Maier verzeichnet 2009 ein Plus von mehr als 40 % gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz mit WDVS liegt nach Auskunft von Geschäftsführer Horst M. Randecker bei etwas mehr als 4 Mio. EUR und habe einen Anteil am Gesamtumsatz von etwa 8 %.
"Zero erzielt im Bereich WDVS seit Jahren starke Wachstumsraten", bestätigt auch Harald Kranz vom Hersteller Zero-Lacke. Als Begründung gibt Klaus Hartmann, Leiter des CompetenceCenters Fassaden- und Dämmtechnik von Caparol an: "Wegen der immer knapper werdenden Energieressourcen kommt nachhaltigem Bauen eine sehr hohe, wenn nicht sogar existenzielle Bedeutung zu. Energiesparende Fassadendämmung bleibt daher ein Zukunftsmarkt, dem wir uns mit großem Engagement widmen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Auslandsmärkte."
Verbandsgeschäftsführer Dr. Wolfgang Setzler sieht die Entwicklung allerdings nicht ganz so positiv. Er bezeichnet das Nachfrageplus bisher nur als "laues Lüftchen". "Die wohl spürbarste Änderung ist die Zunahme der Dämmstoffdicke, so dass wir gleichzeitig Flächen- und Volumenwachstum verzeichnen konnten", erläutert er und gibt sich verhalten optimistisch.
Ja zu staatlicher FörderungAuf mittlere bis lange Sicht werden sich begünstigend auf die Nachfrage zunehmendes Umweltbewusstsein, steigende Energiepreise, vorerst stabile Zinsen und Fördermittel wie das Konjunkturprogramm und Kredite der Kfw-Bank auswirken, meinen Vertreter der Branche übereinstimmend. "Wir sind erst am Anfang der energetischen Sanierung im Bestand. Deshalb macht es auf jeden Fall Sinn, WDVS zu fördern, denn der staatliche Zuschuss löst ja einen beachtlichen Investitionshebel aus", betont Setzler. Auch Ingo Stückmann von Brüder Schlau fordert die Fortsetzung der Förderprogramme: "Sie sorgen sicherlich dafür, dass hier ein weiteres Wachstum zu erwarten ist", sagt er und wird in dieser Einschätzung von Horst M. Randecker von Farbtex Kaltenbach & Maier gestützt: "Die Nachfrage wird über die nächsten Jahre permanent ansteigen."
Allerdings werden die Abnehmer immer anspruchsvoller. Die Materialien allein reichen nicht mehr aus, um die Wünsche sowohl der Maler und Stuckateure als auch der Verbraucher zu erfüllen. "Ein passives Anbieten von Produkten bietet keinen Mehrwert und generiert immer weniger Aufträge", weiß Frank Frössel, technischer Leiter bei Sakret Trockenbaustoffe. Der Bauherr wünsche ein WDVS-Rundum-Sorglos-Paket. Daher hat der Baustofffachhändler eine Broschüre zum Thema im Angebot.
Das Handwerk jedenfalls sei gut vorbereitet, meint Stückmann. Er begründet dies damit, dass Schlau "in den vergangenen Jahren unseren Kunden eine Vielzahl von Seminaren und Schulungen bis hin zur Einarbeitung auf der Baustelle angeboten hat". Horst M. Randecker widerspricht jedoch: "Der Wissensstand ist sehr unterschiedlich, es muss noch viel Aufklärungsarbeit und Schulung geleistet werden." Saint-Gobain Weber setzt diese Erkenntnis um und gibt eine umfangreiche WDVS-Broschüre heraus, andere bieten Handzettel und kleine Informationsschriften mit Anbringungsanleitungen und der Wirkung von WDVS. Baumit lädt zum 8. Allgäuer Baufachkongress vom 20. bis 22. Januar in Oberstdorf ein, der sich mit WDVS beschäftigt.
Der Verband Wärmedämm-Verbundsysteme für Maler und Stuckateure hat im "Energiesparkompass 2009" und weiteren Info-Broschüren Argumentationshilfen pro WDVS aufgelistet sowie mögliche Förderprogramme der Bundesregierung. Demnach lässt sich der Energieverbrauch eines Einfamilienhauses durch eine umfassende energetische Sanierung nach Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur (dena) um bis zu 80 % senken, was einer Kostenersparnis von rund 2.000 EUR pro Jahr für Heizung und Warmwasser bei 120 qm entspricht. Während bei einem ungedämmten Einfamilienhaus pro Jahr mehr als 10.000 Kilowatt Heizenergie durch die Wände entweichen, sind es nach Außendämmung nur noch 2.900 Kilowattstunden.
Rund 40 % des Energieverbrauchs entfallen in Deutschland auf Gebäude, wobei vor allem die älteren Wohneinheiten Vielfraße sind. Um den daraus resultierenden Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, hat die Bundesregierung die Energiesparverordnung (EnEV) 2009 erheblich verschärft. Die Obergrenze für den zulässigen Jahres-Primärenergiebedarf für Neubauten ist noch einmal um durchschnittlich 30 Prozent gesenkt worden, bei der Modernisierung von Altbauten mit größeren baulichen Änderungen an der Gebäudehülle wurden die energetischen Bauteilanforderungen um 30 Prozent erhöht.
Damit diese Verordnung umgesetzt werden kann, gibt es verschiedene Förderprogramme. So wurde mit dem 1. Konjunkturpaket das Kohlendioxid-Gebäudesanierungsprogramm nochmals aufgestockt: auf jährlich 1,5 Mrd. EUR für den Zeitraum 2009 bis 2011. Damit hat der Bund seit dem Programmstart 2006 rund 6 Mrd. EUR Fördermittel für das energieeffiziente Bauen und Sanieren zur Verfügung gestellt. Außerdem können Handwerkerleistungen von der Steuer abgesetzt werden. Weitere Unterstützung gibt es bei der Kfw Förderbank. Sie gewährt zinsgünstige Kredite, Zuschüsse zur Tilgung von Krediten und Investitionszuschüsse.
Es wird also viel getan, um den Energieverbrauch nachhaltig zu senken. Darüber müssen die Profis informiert sein, um WDVS und ihre Anbringung verkaufen zu können. Viele Hersteller, Großhändler und der Verband haben das erkannt und stellen umfangreiches Infomaterial zur Verfügung. Jetzt muss es nur noch gelesen werden. Schließlich hängen auch Arbeitsplätze am WDVS-Ausbau. "Allein durch die Umsetzung von Wärmeschutzmaßnahmen könnte die deutsche Wirtschaft bis 2030 fast 200 Mrd. ERU umsetzen und damit Arbeitsplätze schaffen oder sichern", meint Verbandsgeschäftsführer Setzler. Ein qm WDVS binde eine Facharbeiterstunde. Unterstützt wird Setzler von einer Studie führender Wirtschaftsforschungsinsititute im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Sie gehen davon aus, dass ein ökologisches Investitionsprogramm in die Erneuerung der Wirtschaft noch vor 2020 die Zahl der Arbeitslosen auf unter 2 Mio. drücken könne.
Die wichtigsten Dämmstoffe
Polystyrol-Hartschaum (PS) ist der wichtigste Dämmstoff aus Kunststoff. Er verfügt über sehr gute Wärmedämmeigenschaften. Dabei handelt es sich um einen überwiegend geschlossenzelligen harten Schaumstoff aus Polystyrol oder Mischpolymerisaten. Nach der Herstellungsart unterschiedet man zwischen Partikelschaumstoff aus verschweißtem Polystyrolgranulat (EPS) und extrudergeschäumtem Polysyrolschaumstoff (XPS). Der gering elastische Dämmstoff ist schwer entflammbar.
Expandierter Polystyrol-Hartschaum (EPS) wird auch als Styropor bezeichnet. Zur Herstellung wird Polystyrolgranulat unter Zugabe des Treibmittels Pentan bei etwa 90 C vorgeschäumt. In diesem Prozess verdampft Pentan und das thermoplastische Grundmaterial bläht sich zu PS-Schaumpartikeln auf. Durch eine zweite Heißdampfbehandlung werden daraus Blöcke, Platten oder Formteile hergestellt. Das Material ist unverrottbar und feuchtebeständig.
Mineralwolle-Dämmstoffe gibt es in den Ausführungen Glas- und Steinwolle. Sie werden durch Schmelzen mineralischer Stoffe hergestellt. Dabei dienen Altglas und Glasrohstoffe für die Produktion von Glaswolle, während Steinwolle auf Rohstoffen aus heimischen Beständen wie Kalkstein oder Basalt basiert. Die unbrennbaren Dämmstoffe enthalten mehr als 90 % künstliche Mineralfasern, Kunstharz, Öle und weitere Zusätze.
Mineralschaum puffert die Raumfeuchte (diffusionsoffen) und ist durch Hydrophobierung wasserabweisend. Um ihn herzustellen, wird Zement, Weißkalkhydrat und Siliciumdioxid durch Zugabe eines tierischen Proteins zu faserfreien mineralischen Schaumplatten verarbeitet. Mineralschaum ist gut wärme- und schalldämmend.
Holzweichfaserdämmplatten (WF) werden üblicherweise ohne Zusätze aus Nadelholzabfall hergestellt. Das Restholz wird zerkleinert, zerfasert und anschließend unter Hitze gepresst. Holzfaserplatten verfügen über gute Wärmedämm- und Schalldämm-Eigenschaften. Sie geignen sich aufgrund ihrer hohen Wärmespeicherfähigkeit besonders für Leichtbaukonstruktionen und den sommerlichen Wärmeschutz.
Holzwolle-Dämmplatten gibt es als Holzwolle-Platten (WW) und Holzwolle-Mehrschicht-Platten (WW-C). Sie bestehenden aus schnell nachwachsenden Rohstoffen wie Tanne. Mit Bindematerialien wie Zement wird die Holzwolle zu Platten verarbeitet. Sie werden bereits seit 1900 für die Wärmedämmung verwendet.
Polyurethan-Hartschaum (PUR) eignet sich für maßgeschneiderte Dämmstoffplatten und -blöcke. Ihre Grundstoffe sind Erdöl oder nachwachsende Rohstoffe wie Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln. Polyurethan-Hartschaum ist alterungsbeständig sowie schimmel- und fäulnisresistent. Der Dämmstoff schmilzt auch bei hohen Temperaturen nicht, ist formstabil und Wasser abweisend.
Korkdämmstoffplatten werden aus der Korkeiche gewonnen. Das durch Mahlen entstandene Granulat wird mit Heißdampf behandelt und mit Hilfe korkeigener Inhaltsstoffe verklebt. Daraus entstehen Blöcke, die zu Platten geschnitten werden. Kork hat eine gute Wärmespeicherfähigkeit, ist schalldämmend, verrottungs- und fäulnisresistent sowie hochbelastbar.
Resolharz-Dämmstoff auf Basis von FCKW- und H-FCKW-freiem Resolharz ist hoch wärmedämmend. Die Zellstruktur dieses neuen Dämmstoffs ist geschlossen, die Platten sind beidseitig mit Vliesgewebe kaschiert.
aus
BTH Heimtex 01/10
(Bau)