Muji

Japanische Legende will deutschen Markt erobern


Hamburg - Unter Design-Begeisterten ist das Einzelhandelskonzept Muji bereits ein Begriff, in der breiteren Bevölkerung kann man mit dem Namen jedoch noch nicht so viel anfangen. Langsam aber sicher ist das japanische Unternehmen aber dabei, den deutschen Markt zu erobern. Vor einigen Wochen eröffnete in Hamburg der fünfte deutsche Muji-Store seine Ladentür.

Muji ist die Abkürzung für den japanischen Begriff "mujirushi ryohin", was übersetzt soviel heißt wie "keine Marke, gute Produkte". Er gibt die Philosophie des Unternehmens recht gut wider. Muji-Produkte gibt es seit Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die japanische Kaufhauskette Seibu hatte den Ableger gegründet, geboren aus dem Bestreben, den Konsumenten eine Rückkehr zu den einfachen Dingen des Lebens zu ermöglichen. "Unser Ziel war es, unseren Kunden in der ganzen Welt die grundlegenden Dinge anbieten zu können, die sie für ihren hektischen, modernen Lebensstil in den Städten benötigen", erklärt das Unternehmen in seinem 150-seitigen deutschen Katalog. Die Vorgaben dafür: funktionales Design, solide Materialien und preisgünstig zu erwerben. Die Kunden, so das Muji-Credo, sollen nicht für etwas zahlen, das sie nicht nutzen können. Daher werden die Produkte auch nicht mit dem Markennamen Muji versehen, und auf Werbung wird daher auch verzichtet.

Schlichtheit ist ein wichtiges Stichwort bei Muji, das man auch gemeinhin mit modernem japanischem Design verbindet. Das Produkt soll mehr durch Material, Form und Gestaltung wirken, als durch überflüssige Attribute. Die Zurückhaltung geht sogar so weit, dass Muji nicht preisgibt, wer die einzelnen Produkte entworfen hat. Dem Vernehmen nach sollen sich darunter einige namhafte Designer befinden. Einzige Ausnahme ist die Zusammenarbeit mit der bekannten Möbelmarke Thonet. Unter dem Titel "Muji manufactured by Thonet" bietet man zwei Sitzmöbel an, die sich an Sitz-Klassiker des Unternehmens anlehnen.

Das Muji-Sortiment ist sehr breit gefasst. Im deutschen Katalog ist das Angebot gegliedert nach den Kategorien Reise, Schreibwaren und Spielzeug, Aufbewahrungssysteme, Möbel und Textilien, Küche und Geschirr, Nutzgegenstände, Health & Beauty und Kleidung. Insgesamt führt Muji mehr als 6.000 Artikel, von Süßigkeiten bis zu ganzen Häusern, die freilich noch nicht in Deutschland angeboten werden. Neben Kosmetika, Behältnissen in reisefreundlichen 100-ml-Größen, Porzellan und Notizbüchern findet man auch so raffinierte Artikel wie Papplautsprecher für den PC zum Zusammenfalten oder eine kleine Laterne mit Dynamo zur unabhängigen Stromerzeugung.

Gut 450 Muji-Verkaufspunkte gibt es weltweit, allein etwa 330 in Japan. Das seit 1990 eigenständige Unternehmen kam 1991 nach Europa, wo es sich zuerst im Londoner Stadtteil Soho niederließ. In London befindet sich heute auch die Europa-Zentrale des Unternehmens samt Zentrallager. Der erste deutsche Lifestylestore von Muji eröffnete vor fünf Jahren in Düsseldorf. Inzwischen kamen weitere Stores in München, Köln, Berlin und zuletzt in Hamburg hinzu. Beliefert werden die deutschen Stores von England aus, berichtet Robin Kremmin. Er ist seit zwei Jahren bei Muji, erst in Berlin, und jetzt als Store-Manager in Hamburg. Durch den Transport aufs europäische Festland seien die Artikel hierzulande leider etwas teurer als in Großbritannien, bedauert Kremmin. Bei fünf Geschäften lohne sich allerdings auch noch kein zweites Zentrallager. Allerdings gibt es in Europa 36 weitere Geschäfte, acht in Frankreich, sechs in Italien, vier in Spanien, zwei in der Türkei, je sieben in Norwegen und Schweden, je eines in Irland und Polen.

Recht begrenzt ist das Haustextil-Sortiment bei Muji, aber hier kann man den Design-Gedanken auch nicht so stark betonen wie in anderen Produktgruppen. Bettwäsche gibt es in verschiedenen Qualitäten, von Waffelpiquée über Cotton Tuck, Washed Cotton und Shijira-Baumwolle bis zu so genannter Rescued-Baumwolle. Das Ochiwata-Garn besteht aus Baumwollfaser-Resten, die während der Garnproduktion anfallen und zu neuem Garn gesponnen werden. Die Rescued-Baumwolle besteht aus rund 30 Prozent dieses kurzstapeligen Ochiwata-Garns. Preislich macht das jedoch zu den anderen Qualitäten keinen (großen) Unterschied. Rescued-Cotton gibt es übrigens auch bei Muji-Shirts. Eine geschickte Art, minderwertige Baumwolle zu vermarkten. Fragt sich nur, was die Muji-Kunden denken, wenn die Ware anfängt zu pillen. Handtücher basieren auf gebürsteter ägyptischer Baumwolle in 600-g-Qualität. Das Badetuch 100/150 cm kostet knapp 20 Euro.

Auch zwei Matratzen kann man bei Muji kaufen, je eine mit Bonnell- beziehungsweise Taschenfederkern. Sowohl bei der Bettwäsche als auch den Matratzen muss man sich mit japanischen Maßen zufrieden geben. Die Einzel-Matratze misst 97/195 cm und kostet 360 Euro. Außerdem gibt es sie in 140er und 160er Breite, aber nur in der 195er Länge. Bei den Bettbezügen gibt es die Maße 140/200, 200/200 und 230/220 cm, also weit entfernt von den deutschen Standardmaßen für Bettwaren. Das könne man derzeit leider nicht ändern, so Tremmin, denn es lohne sich noch nicht, bei der Produktion Rücksicht auf die deutschen Maße zu nehmen. Bei einem Preis von knapp 53 oder 59 Euro für die kleinste Bettwäsche-Größe nicht ganz unproblematisch. Laut Kremmin würden die Kunden sich zum Teil selbst an die Nähmaschine setzen und sich die passende Bettwäsche zusammennähen. Bei der Fülle der Artikel können die deutschen Geschäfte nur einen Teil des Sortiments führen. Der Hamburger Store im Kaufmannshaus in den Großen Bleichen ist der kleinste mit einer Verkaufsfläche von rund 400 qm auf drei versetzt zueinander gelegenen Ebenen. Er zeigt laut Kremmin etwa ein Drittel der Prospektware. Das größte und offenbar auch erfolgreichste Geschäft ist in den Fünf Höfen in München und hat 700 qm. Dazwischen liegen Berlin (Hackescher Markt), Düsseldorf (Kö-Galerie) und Köln (Minoritenstraße).

Yuki Hirano, Geschäftsführer von Muji Deutschland in Düsseldorf, legt sich, befragt von Haustex, bezüglich der Zielgruppen von Muji nicht fest. "Da wir eine große Bandbreite an Produkten führen, sehen wir alle möglichen Typen an Konsumenten als unsere Kunden, unabhängig vom Alter oder Geschlecht." Allerdings beobachte man regelmäßig Besucher im Alter von unter 30 bis Mitte 40 in den deutschen Geschäften. Bescheidenheit übt Hirano bei der Frage nach den Wettbewerbern auf dem Markt, beispielsweise Ikea oder Habitat. Obwohl einige Produkte denen dieser erwähnten Unternehmen ähnelten, so Hirano, sei Muji in erster Linie selbst der härteste Wettbewerber. Um auf das Level von Ikea oder Habitat zu kommen, müsse man noch viel lernen.

Die Ansprüche an eine Handelsimmobilie für Muji sind, zumindest offiziell, wenig spezifisch. Ein Geschäft müsse wenigstens 340 qm Verkaufsfläche haben, am besten auf einer Ebene. Wenn man auf mehreren Etagen arbeitet, wäre ein Fahrstuhl von Vorteil, da viele Mütter mit Kinderwagen Muji besuchen würden. Leitet man die Standortphilosophie von den vorhandenen fünf Standorten ab, konzentriert sich das Unternehmen auf Standorte in 1a- oder 1b-Lagen in Großstädten. Insofern bildet das Hamburger Geschäft offenbar einen Kompromiss zwischen Anspruch und Wirklichkeit, da es trotz mehrerer Etagen keinen Fahrstuhl hat. Und auch die Lage ist wenig dazu angetan, ins Auge zu springen. Da Muji außerdem auf Verbraucher-Werbung verzichtet, ist das Vorhaben recht sportlich, das Hamburger Geschäft in den Köpfen der Konsumenten zu verankern.

Muji Deutschland möchte weiter expandieren. Sollte man einen guten Standort in einer Stadt wie Frankfurt finden, würde man dort gerne ein Geschäft eröffnen. Aber auch weitere Geschäfte in den Städten, in denen man bereits vertreten ist, sind weitere Geschäfte laut Hirano nicht ausgeschlossen, wie beispielsweise Berlin.


Muji Firmentelegramm

Muji Deutschland GmbHKönigsallee 60-62,40212 DüsseldorfTel.: 0211/860 6661,Fax: 0211/860 6167E-Mail: info@muji.de
Internet: www.muji.de

Geschäftsführer: Yuki Hirano
Filialen: Berlin (Hackescher Markt), Düsseldorf (Kö-Galerie), Hamburg (Große Bleichen), Köln (Minoritenstraße), München (Fünf Höfe)
Sortimente: Reisegepäck und -accessoires, Schreibwaren und Spielzeug, Aufbewahrungssysteme, Möbel und Textilien, Geschirr, Besteck, Küchenutensilien, Badezimmeraccessoires und Kosmetika, Bekleidung, Wäsche,
Standorte: Japan (334), Korea (9), Taiwan (17), China (13), Hongkong (9), Singapur (4), Thailand (7), Indonesien (1); England (14), Frankreich (8), Deutschland (5), Italien (6), Spanien (4), Türkei (2), Norwegen (7), Schweden (7), Irland (1), Polen (1); USA (4)
weitere Muji-Konzepte in Japan:Muju Café&Meal, Flower Muji, Muji Optiker, Muji Haus, Muji Campingplatz, Muji Kiosk, Muji Reiseläden.
aus Haustex 06/10 (Handel)