Hohe Preisanstiege in allen Ursprungsländern

Für alle, die am Handel mit handgeknüpften Teppichen beteiligt sind, kommen seit einiger Zeit meist beunruhigende Nachrichten aus den Ursprungsländern: Die Inflationsraten vor Ort gehen in die Höhe ebenso wie die Kosten für Material und Löhne, Knüpfer wandern in andere Branchen ab und auch die politische Situation bringt Unsicherheiten. Zudem sorgt auch der schwache Kurs des Euro für einen Preisanstieg um 10% bis 20% über alle wichtigen Herstellerländer.

Indien
Gab es für einen Euro Ende 2009 noch 67 Rupien, waren es Anfang Juni 2010 nur noch 57 Rupien - ein Kursverlust von 15%. Um weitere ca. 25% verteuerte sich die Ware durch Preissteigerungen beim Einkauf von Rohstoffen wie Baumwolle und Wolle, für Wäsche und Finishing und nicht zuletzt gestiegene Löhne. Ein Regierungsprogramm ("150 Rupien pro Tag und Arbeiter im Baugewerbe") und die anstehenden Commonwealth-Spiele, die in Indien ausgetragen werden, sorgen dafür, dass viele Knüpfer ins Baugewerbe abwandern oder für Knüpfarbeit ebenfalls mindestens 150 Rupien am Tag fordern. Derzeit sind Knüpflöhne von 100 Rupien pro Tag üblich. Den höheren Lohn können die Knüpfer sehr gut gebrauchen, denn durch die Inflation von jährlich 7% bis 8% steigen auch die Lebenshaltungskosten permanent, insbesondere Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. Unterm Strich liegt die Preissteigerung für Teppiche aus Indien bei bis zu 50% allein in den letzten 6 Monaten.

Nepal
Probleme über Probleme: der schwache Euro (Ende 2009 bekam man noch 110 Nepalesische Rupien für einen Euro, im Juni 2010 waren es nur noch 90), die Preissteigerungen für Wolle und Baumwolle um ca. 20%, die verworrene politische Lage, der häufige Stromausfall (kein Knüpfer kann im Dunkeln arbeiten) und auch die komplizierte Logistik im Land. Die Maoisten, die in Nepal immer wieder ihre Machtstellung beweisen möchten, rufen ständig zu Demonstrationen auf. Das öffentliche Leben lag und liegt regelmäßig brach, mal streikten die Busfahrer, mal die Behörden, dann bestimmte Einzelhändler oder der Zoll. Folge: Eine geregelte Teppichproduktion ist nicht möglich, die Warenbeschaffung wird für einige Importeure von Standardware bereits sehr schwierig. Wer rechtzeitig Ware bestellt und außer Land gebracht hat, ist froh darüber, denn zeitweise durfte überhaupt keine Ware ausgeführt werden.

Große Manufakturen existieren in Nepal fast nicht mehr, geknüpft wird jetzt an vielen kleinen Standorten. Für Importeure von Mengenware ist das eine logistische Herausforderung. Permanent geforderte Lohnerhöhungen erschweren die Situation weiter, da Preiserhöhungen in den Abnehmermärkten schwer zu realisieren sind. Etwas weniger Probleme gibt es bei feinen Nepalknüpfungen, hier mussten bereits in der Vergangenheit zwei bis drei Mal so hohe Löhne bezahlt werden. Doch ist die Kontrolle dieser Ware während der Herstellung extrem aufwendig, da sie auf viele kleine Produktionsorte verteilt liegt.

In welche Richtung Nepal langfristig steuert, ist derzeit noch völlig unklar. Die Löhne in anderen Branchen haben sich zum Teil vervierfacht, weshalb einige Knüpfer ihrem Handwerk nun den Rücken kehren. Sollte sich die Gesamtsituation nicht bessern, so wird befürchtet, dass die Produktion in den nächsten Jahren deutlich erschwert wird und die Preise ebenso deutlich ansteigen werden.

Afghanistan / Pakistan
Seit Anfang des Jahres hat sich die Situation in Afghanistan und Pakistan dramatisch geändert. Bedingt durch die Rezession der letzten zwei Jahre in den wichtigsten Abnehmerländern, vor allem den USA, soll die Produktionskapazität in Pakistan um 80% zurückgefahren worden sein, die genaue Entwicklung in Afghanistan ist nicht bekannt. Doch auch dort ist die Zahl der Knüpfstühle stark zurückgegangen. Ein bedeutender Teil der nun geringeren Produktion fließt darüber hinaus direkt in den türkischen Markt, was die freie Kapazität für den Weltmarkt weiter reduziert.

Für die Knüpfer in Afghanistan gab es neben der stark zurück gegangenen Nachfrage ein weiteres Problem: Einige pakistanische Zwischenhändler kauften Ware bei afghanischen Knüpfern extrem billig ein. Häufig wird mit deutlichem Verlust verkauft, um überhaupt wieder Geld fürs tägliche Leben zu verdienen. In der Folge wird auch hier auf Branchen (u.a. Straßenbau) umgesattelt, die deutlich mehr Geld zum (Über-)Leben bringen.

Jetzt, wo die afghanische / pakistanische Produktion wieder mehr gefragt ist, sind die Knüpflöhne um 20% gestiegen. Ebenfalls um 20% sind die Materialkosten für Baumwolle und Wolle sowie für das Färben gestiegen. Verschärft wird die Situation noch durch die seit Jahren starke Inflation. Unsicherheit bringt auch die stets nicht einschätzbare politische Situation in beiden Ländern.

Der Leserbrief von Fritz Langauer "In Afghanistan explodieren die Preise" gibt weitere Informationen.

China
Zurzeit explodieren in China die Löhne: Zweistellige Lohnerhöhungen sind keine Seltenheit, auch mehrfach innerhalb eines Jahres. Den Herstellern bleibt nichts anderes, als die durch Streik erzwungenen Erhöhungen zu akzeptieren oder mit ihrer Produktion in Länder umzusiedeln, in denen die Löhne - noch - niedriger liegen. Obschon 1,3 Milliarden Menschen in China leben, werden billige Arbeitskräfte knapp, denn immer weniger Menschen möchten in den Fabriken für wenig Geld arbeiten Der Bildungsgrad steigt langsam an. Zusätzlich siedelt sich immer mehr Industrie im Westen des Landes an, woher der überwiegende Teil der Wanderarbeiter stammt. Statt nach dem Neujahresurlaub an die Arbeitsstätte in weit entfernten Provinzen zurückzukehren, arbeiten sie lieber in der Nähe ihrer Familien.

Ein weiteres großes Problem ist die Inflation im Land. Die Regierung hält die Währung bewusst niedrig, so dass Exporte verbilligt werden. Die Folge: Das vorhandene Geld ist weniger wert, der Inlandsmarkt wird so geschwächt, denn die Güter im Inland sind im Verhältnis zu teuer. Die Kopplung des chinesischen Renminbi an den Dollar und die für alle Ursprungsländer gestiegenen Kosten bei der Rohstoffbeschaffung tun ihr übrigens, um die Preise sehr stark nach oben zu treiben.

Iran
Auch im Iran sorgen hohe Materialkosten und Löhne für steigende Preise. Hinzu kommt die seit Jahren hohe, 2-stellige Inflation. Noch mehr Auswirkungen hat jedoch die Tatsache, dass der Iran seine Wirtschafspolitik auf Importe ausgerichtet hat. Deshalb wird der Rial künstlich hochgehalten. Dieser Währungsvorteil für Importe in den Iran verteuert die Exporte von Teppichen. Der schwache Euro ist natürlich auch für Importe aus dem Iran relevant und schlägt wie in den anderen Ursprungsländern mit 20% höheren Kosten ins Kontor.

Mehr zur Preisdiskussion lesen Sie im Artikel "Die Zukunft des iranischen Teppichs im Blick". Überdies kehren immer mehr alteingesessene Unternehmen sowie Knüpfer ihrem Handwerk den Rücken, da mit anderen Arbeiten - vermeintlich einfacher, allerdings häufig nur kurzfristig - mehr Geld zu verdienen ist.



Leserbrief von Fritz Langauer, Oritop GmbH

In Afghanistan explodieren die Preise

"Zurzeit sind wir mit einer ungewöhnlichen Verteuerung von Teppichen aus Afghanistan beziehungsweise Pakistan konfrontiert, bei der es Preissteigerungen von bis zu 25% innerhalb weniger Monate gab. Die Gründe für diese Preissteigerung sind vielfältig und deshalb ist profunde und ausführliche Information für Händler als auch für Endverbraucher wichtig und nützlich.

Die plötzlich aufgetretene Verteuerung, nämlich im Dezember 2009, verwunderte alle, ist aber eine Kumulierung verschiedener Ursachen.

Zum besseren Verständnis müssen wir etwas weiter zurückgehen. Afghanische Teppiche wurden, abgesehen von den Beludj im Westen, ursprünglich und bis zum Einmarsch der Russen hauptsächlich von Turkmenen (meist Ersari) im Norden Afghanistans geknüpft. Durch die Unruhen und Kriege flüchteten in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts Millionen Afghanen in den Osten des Iran besonders aber in den Nordosten Pakistans, wo sie viele Jahre in Camps mit bis zu 100.000 Menschen lebten. Aus purer Not begannen andere Volksstämme wie Tadschicken, Hazara, Pashtunen und andere mit der Herstellung von klassischen Afghan-Teppichen, später aber auch mit den neuen Teppicharten wie Kazak, Djubi, Kargai, etc.

In den letzten Jahren kehrten Millionen Afghanen wieder in ihre Heimat zurück und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen: Erstens waren und sind sie als Flüchtlinge in Pakistan nicht gerne gesehen und haben dauernd Probleme mit der pakistanischen Polizei. Zweitens ist das Leben in der alten Heimat wieder weitgehend ruhiger geworden. Wurden noch vor rund sechs Jahren 80 Prozent der Teppiche in Pakistan geknüpft, so ist es heute genau umgekehrt. Die Heimkehrer sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Somit bleibt für die wenig lukrative Arbeit des Teppichknüpfens wenig Zeit. Männer, die früher in Pakistan ihr Geld vielfach mit der Herstellung von Teppichen verdient haben, gehen nun anderen Tätigkeiten wie der Landwirtschaft und Viehzucht nach. Volksgruppen, von denen in den letzten Jahren die sogenannten Djubi, Ziegler und Kazak in und um Kabul geknüpft wurden, verdienen heute beim Aufbau durch staatliche Organisationen aber auch durch die NGOs (Non Governmental Organizations) ihr Geld und wollen keine Teppiche mehr knüpfen und wenn, dann nicht für geringe Löhne. Die zukünftige Teppichproduktion verbleibt hauptsächlich bei den Turkmenen, für die das Knüpfen von Teppichen ein Teil ihrer Kultur ist.

Die nach wie vor vorhandene Inflation verstärkt das steigende Lohnniveau. Fast ausschließlich im Westen Afghanistans (Herat) werden die Teppiche in afghanischer Währung (AFN) gehandelt, im Norden (Andkhoy, Achce, etc) ausschließlich in US-Dollar und in Kabul in Pakistanischen Rupien (PKR). Im letzten Jahr hat der AFN gegenüber dem Dollar aufgewertet und zusehends will man nicht mehr die PKR akzeptieren, sondern hält sich auch hier an den US Dollar. Die momentane Schwäche des Euro trägt zu einer zusätzlichen Teuerung bei.

Die Nachfrage nach den sogenannten Ziegler und Kazak Teppichen ist in den letzten Jahren weltweit gewaltig gestiegen. Tatsache ist, dass Teppichproduzenten heute keine oder zu wenig Arbeitskräfte finden und damit Warenmangel herrscht, der die Teuerung anheizt.

Die Beschaffung gewisser Sorten wird auch für uns plötzlich zum Problem. Zum Beispiel sind Kundenwünsche nach größeren Mengen von Achce in gewissen Größen, aber auch Beludj nicht mehr rechtzeitig erfüllbar. Wenn wir früher die Lieferung größerer Bestellungen von Ziegler Qualitäten mit vorgegebener Musterung und Farbgebung innerhalb von acht Monaten versprechen und erfüllen konnten, müssen wir heute mit Zeit- und Lieferproblemen rechnen.

Ein Großteil der Wolle wird aus Saudi Arabien importiert. Es mangelt an Frauen, die Wolle mit der Hand spinnen. Die Preise von handversponnener Wolle sind gewaltig gestiegen.

Nahezu alle in Afghanistan hergestellten Teppiche werden aufwändig und risikoreich nach Pakistan transportiert, um dort gewaschen, gespannt und exportiert zu werden. Umstände, die den Teppichhandel nicht gerade erleichtern. Diese Servicekosten in Pakistan sind im letzten Jahr um rund dreißig Prozent gestiegen.

In anderen Ländern wie dem Iran und Indien ist die Situation ganz ähnlich. Besonders in Indien sind (bedingt durch ein Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung) die Preise plötzlich um über zwanzig Prozent gestiegen.

Es sieht ganz so aus, als ob es mit dem Preisverfall der letzten zwanzig Jahre vorbei ist, was möglicherweise dem stark gelittenen Ruf des handgeknüpften Teppichs als volkskundliches und damit wertvolles Produkt gar nicht so schlecht tut. Der Handel wird mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die vielleicht zum Umdenken bei der Vermarktung führen."
aus Carpet Magazin 03/10 (Teppiche)