Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Orient-Warenkunde

Es ist zwar schön, wenn man auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner ?" mit "Ja" antworten kann. Doch alles kann niemand wissen. Vieles muss auch der versierte Fachmann nachschlagen. Mit unserer Orient-Warenkunde in diesem Heft möchten wir Ihnen Fachwissen auf eine unterhaltsame Weise vermitteln.

Asmalyk - Turkmenischer Kamelschmuck

Asmalyk ist der turkmenische, meist fünfeckige - sehr selten auch siebeneckige - geknüpfte oder gestickte Schmuck des Brautkamels. Dieses reich geschmückte Tier trägt die Sänfte der Braut. Der Asmalyk wurde immer paarweise gefertigt, da er die rechte und linke Seite des Kamels verzierte. Ein weiterer Schmuck für das Brautkamel war der Khalyk, der als Umrahmung des Eingangs der Brautsänfte diente. Experten gehen aber davon aus, dass nur die Tekke und Yomut-Turkmenen diese Khalyks fertigten. Im Gegensatz dazu werden die meisten Asmalyk den Youmut-Turkmenen zugeschrieben, es sind aber auch Stücke der Tekke und Ersari bekannt.

Alle Arbeiten für so besondere Anlässe wie Hochzeiten wurden nicht nur über alle Maßen liebevoll und aufwändig gearbeitet, sie sind auch wesentlich seltener verwendet worden als andere nomadische Knüpferzeugnisse. Daher sind sie oft trotz ihres hohen Alters oft noch gut erhalten.

Schirwan - Kaukasische Teppichprovenienz

Die Provinz Schirwan ist ein Gebiet am südöstlichen Rand des Kaukasusgebirges und gehört heute zu Aserbaidschan. Bekannte Unterprovenienzen sind Akstafa, Bidjov und Marasali. Das geografische Dreieck zwischen dem Kaspischen Meer, dem Kura-Fluß und den Hängen des Kaukasusgebirges hatte eine bewegte Geschichte: Im Mittelalter persisches Khanat, dann das zaristische Russland und nach der russischen Revolution die Sowjets. Vielfältig ist auch die Bevölkerung: so sind in Schirwan Azeri, Armenier, Perser und viele andere Volksgruppen aus den kleinen Anrainerstaaten zuhause. Die Vielzahl der Einflüsse schlägt sich auch in den sehr umfangreichen und unterschiedlichen Knüpfarbeiten nieder. Die meisten dörflichen Knüpf- und Webarbeiten wurden für den Eigenbedarf geknüpft oder gewebt, zum Beispiel Gebetsteppiche, Fußbodenteppiche, Wandteppiche und läuferformatige Teppiche.

Wie auch bei den anderen kaukasischen Provenienzen fällt es schwer, ein typisches Dessin zu benennen. Gemeinsam sind den Schirwan exakt geknüpfte geometrische Muster in leuchtenden Farben. Oft verwendet werden ein dunkles Blau und ein heller Elfenbeinton. Einfacher ist die Bestimmung nach technischen Details. Auffällig ist erst einmal die flache Schur und die Feinheit der Stücke, die ihre Gegenstücke aus dem Kazak-Gebiet deutlich übertrifft. Die Kettfäden liegen ungeschichtet parallel nebeneinander, jeder Knoten zeigt also zwei Knotenbögen auf der Rückseite. Die Fransen sind am oberen Ende offen, am unteren Ende jedoch meist in Schlaufen.

Die bedeutendste Stadt des Gebietes, das im heutigen Aserbaidschan liegt, ist Schemakha, die vor allem von Armeniern bewohnt wird. Im Umland leben aber vor allem die türkischstämmigen Azeri. Schon im 18. und 19. Jahrhundert war die Produktivität in dieser Provenienz sehr hoch und die Teppiche sehr angesehen. Erst mit der Russischen Revolution Anfang des 20 Jahrhunderts ging die kreative Qualität der Schirwan-Teppiche spürbar zurück, trotzdem wurden weiter hochwertige und oft auch optisch sehr ansprechende Stücke geknüpft.

Sandjan - Unterprovenienz von Bidjar

Sandjan ist Hauptstadt des Nordwestiranischen Distrikts Khamseh und liegt etwa 100 km nordöstlich von Bidjar. Es ist ein Handelsplatz mit vielen - häufig kurdischen - Dörfern. Neben Bukan und Tekab gehört Sanjan zu den bekanntesten Unterprovenienzen von Bidjar. Die besten Stücke kommen aus Bukan. Die Feinheit der Knüpfung und vor allem die Qualität der Wolle ist hier besonders hoch. Im Vergleich dazu fällt der Sandjan-Bidjar deutlich ab. Es wird nicht nur grober geknüpft (200.000 Knoten / m, statt bis zu 450.000 Knoten/m) sondern auch eine Wolle verwendet, die sich weniger samtig anfühlt. Die Kolorierung der Sandjan-Bidjar wirkt im Vergleich zu den Bukan oder Tekab braunstichiger. Der günstigere Preis und die immer noch sehr hohe Qualität machen den Sanjan zu einem in Europa sehr beliebten klassischen Orientteppich.

In den Dörfern der Umgebung werden hamadanartige - wegen der minderwertigen Wolle preiswerte - Teppiche in Brücken- und Läuferformaten und in Dunkelblau/Orange geknüpft.

Herat - Stadt im Westen Afghanistans

Im Westen Afghanistans, gute 100 km von der iranischen Grenze entfernt, liegt die Provinzhauptstadt Herat. Die Geschichte ist auf Grund der geopolitischen Lage ebenso bewegt wie blutig. Als Knotenpunkt von Handelsrouten zwischen Europa und dem ferneren Osten war sie lange Spielball der Nationen. Für die Teppichwelt wurde Herat während der persischen Safawiden-Dynastie bedeutsam. Als Hauptstadt von Khorasan war sie Namensgeber für viele hochwertige Manufakturteppiche dieser Provinz.

Ein in diesen Teppichen oft eingesetztes Allover-Dessin wurde als Herati-Muster bekannt. Es zeigt ein auf die Spitze gestelltes Quadrat in dessen Mitte eine Blüte steht und das an den Kanten von gebogenen Lancettblättern begleitet wird. Diese Lancettblätter werden vor allem im Iran oft als Fisch interpretiert, weshalb das Herati-Muster auch Mahi-to-hos (Fische im Teich) bezeichnet wird.
aus Carpet Magazin 03/10 (Teppiche)