Kleiner Fehler - Großer Schaden
Kunstharzestrich wird erst hart - und dann wieder weich
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen dünnen Kunstharz-estrich, auf dem Parkett, keramische Fliesen und ein Designbelag verlegt wurden. Die keramischen Fliesen kamen wieder hoch.Bei dem Umbau eines Wohnhauses entschied man sich aufgrund geringer Aufbauhöhen und dem Wunsch nach einer Fußbodenheizung für einen speziellen Dünnestrich aus Quarzsand und einem Polymerharz. Dieser Kunstharzestrich erforderte nur eine geringe Überdeckungshöhe von 20 mm oberhalb der Heizrohre. Weiterer Vorteil: Die lange Trockenzeit und das Auf- und Abheizen entfällt. Im Bauvorhaben fand vor Beginn der Verlegearbeiten (Parkett, keramische Fliesen und Designbelag) nur ein Funktionsheizen statt.
Dort, wo der Designbelag verlegt wurde, grundierte man den Kunstharzestrich mit einem Dispersionsvorstrich und spachtelte ihn anschließend. Rund zwei Wochen später erfolgte die Verlegung des Designbelages.
Unter dem 11 mm dicken Einstab-Mehrschichtparkett gab es keine Spachtelung und auch keine Grundierung, die Parkettstäbe wurden direkt mit einem Reaktionsharzklebstoff auf den Kunstharzestrich geklebt.
Sowohl in der Küche als auch im Wohn- und Esszimmer im Erdgeschoss verlegte ein Fliesenleger Feinsteinzeugfliesen. Jeweils am gleichen Tag grundierte er abschnittweise die Estrichoberfläche mit einem Dispersionsvorstrich und verlegte direkt anschließend die Fliesen mit einem zementären, hydraulisch abbindenden Dünnbettmörtel.
Schaden: Knackgeräusche und hohl liegende FliesenEtwa vier Wochen nach Verlegung der unterschiedlichen Bodenbeläge, noch bevor die Heizperiode begann, wurden beim Begehen der Feinsteinzeugfliesen vom Bauherrn deutliche Knackgeräusche, hohl klingende Fliesen und auch Fugenausbrüche festgestellt. Nach dem Herausnehmen einzelner Fliesen kamen im darunter liegenden Estrich durchgehende Risse zum Vorschein. Im Bereich des Parketts und des Designbelages gab es hingegen keine Probleme.
Ursache: Feuchtigkeit der Verlegewerkstoffe erweicht den EstrichDer beauftragte Sachverständige führte umfangreiche Prüfmaßnahmen im Bauvorhaben durch. Insbesondere die Fliesenfläche wurde mit einem Hohlstellensuchgerät inspiziert, das akustisch Teilflächenbereiche eines gestörten Haftverbundes anzeigt. Die Vermutung von großflächig hohl liegende Fliesen bestätigte sich.
In mehreren Teilflächenbereichen waren die Fugen der Fliesen ausgebrochen und ihre Flanken abgerissen. Auffällig war, dass die Fliesen selbst keine Risse aufwiesen.
Nach dem Entfernen einzelner hohl klingender Fliesen kam in vier Bereichen jeweils ein durchgehender klaffender Riss im Estrich und auch im Mörtelbett zum Vorschein. Auch hier waren die Fliesen unversehrt. Die Prüfmaßnahmen ergaben, dass die Risse über den gesamten Estrichquerschnitt vorhanden waren. Der Estrich war im Mittel 50 mm dick und wies eine Rohrüberdeckung zwischen 25 und 35 mm auf. In den Prüfbereichen war der Kunstharzestrich deutlich weich und subjektiv betrachtet ungenügend fest.
Mit Hilfe einer Wärmebildkamera wurden thermografische Aufnahmen erstellt, um Proben aus dem Estrich entnehmen zu können, ohne die Heizrohre der Fußbodenheizung zu beschädigen. An den herausgeschnittenen 7 cm breiten und 50 cm langen Probeplatten wurde eine Festigkeitsprüfung durchgeführt. Auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn nahm man auch Estrichproben im Bereich der Parkettböden und des Designbelages, um dort ebenfalls die Festigkeit des Estrichs zu testen.
Zusätzlich stellte der Sachverständige selbst eine Estrichprobenplatte mit Originalmaterialien her, um die Feuchtigkeitsbelastung durch Dispersionsvorstrich, Spachtelmasse oder Dünnbettmörtel nachvollziehen zu können. Der Anlass dieser Prüfung war die Angabe in den technischen Datenblättern der Verlegewerkstoffhersteller, dass auf der Estrichoberfläche ein Porenverschluss mit einem Zweikomponentenmaterial herzustellen ist.
Die vom Sachverständigen in Verbindung mit einem externen Prüfinstitut durchgeführte Bestätigungsprüfung, d.h. Biegezugprüfung der Estrichproben unter den Fliesen, ergab Biegezugfestigkeiten im Bereich von 0,8 bis 2,2 N/mm.Dort, wo der PVC-Belag verlegt wurde, lagen die Biegezugfestigkeiten mit 2,7 bis 3,5 N/mm deutlich höher. Unter dem mit einem Reaktionsharzklebstoff unmittelbar auf den Estrich geklebten Parkett betrugen die Biegezugfestigkeiten 4 bis 5 N/mm.
An der vom Sachverständigen hergestellten Probe, die die Fliesenverlegung nachstellte, ergaben die Biegezugfestigkeiten erschreckend niedrige Werte von < 0,5 N/mm. Beim nachgestellten Abspachteln der Fläche mit einem Reaktionsharzmaterial bzw. dem so genannten Porenverschluss und anschließender Verlegung der Fliesen wurden Biegezugwerte im Bereich von 5 N/mm ermittelt. In Verbindung mit diesen Prüfmaßnahmen war nachvollziehbar, dass die ansonsten relativ feste und tragfähige Estrichschicht durch Feuchtigkeit einem deutlichen Festigkeitsverlust unterliegt.
Verantwortlichkeit: Nichtbefolgen der Verarbeitungsrichtlinien Verantwortlich für den Schaden sind zum einen die Ausführungsfehler des Fliesenlegers. Die Untergrundvorbereitung wurde nicht nach den Verlegeanleitungen durchgeführt - insbesondere erhielt der Estrich keinen Porenverschluss.
Zum anderen hat der Sachverständige erhebliche Defizite bei der Verlegeanleitung des Estrichs selbst erkannt. Dort gibt es keinen Hinweis, dass die Estrichkonstruktion nicht mit Feuchtigkeit belastet werden darf, da ansonsten Festigkeitsverluste entstehen.
Außerdem hat der Sachverständige in seinem Gutachten auch ausgeführt, dass in dem Bauvorhaben einem Architekten die Bauleitung oblag. Dennoch gab es in dem Leistungsverzeichnis keine Hinweise zu der Oberflächenbearbeitung des Kunstharzestrichs. Der Bauleiter hätte sich auch im Rahmen der Bauüberwachung mit dieser Sonderkonstruktion befassen müssen.
Der Sachverständige rät jedem Handwerker/Ausführenden, insbesondere bei Sonderkonstruktionen genau die Vorgaben des Herstellers zu beachten, da diese teilweise deutlich von den allgemeinen Praxiserfahrungen abweichen können. Nur dann kann der Systemgeber einer Sonderkonstruktion beim Versagen dieser Konstruktion eventuell in Regress genommen werden.
Im Bauvorhaben fand eine Kompletterneuerung der Fußbodenkonstruktion ausschließlich in den Räumen mit keramischen Fliesen statt. In den Räumen mit dem Designbelag konnte aufgrund der gerade noch erreichten erforderlichen Biegezugfestigkeitsklasse eine Gewährleistungsverlängerung vereinbart werden.
Der Autor
Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.
Professor-Lübeck-Straße 8
36088 Hünfeld
Tel.: 06652/2309
Fax: 06652/748778
Internet: www.gutachter-becker.de
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FussbodenTechnik 04/10
(Handwerk)