Folgenschwere Sanktionen gegen den Iran
Die USA und EU haben im Juli 2010 Sanktionen gegen den Iran verhängt. Ziel sei in beiden Fällen, die iranische Regierung im Atomstreit zum Einlenken zu bewegen. Die iranische Bevölkerung solle nicht getroffen werden - doch genau das Gegenteil scheint erreicht zu werden.
Ab dem 29. September 2010 dürfen keine Waren mehr in die USA eingeführt werden, die iranischen Ursprungs sind. Ware, die bis zu diesem Termin die Landesgrenze zur USA überschritten hat, darf dort weiterhin gehandelt werden. Für den ebenfalls betroffenen Teppichhandel hat dieses Einfuhrverbot unterschiedliche Konsequenzen; zurzeit sind die USA laut INCC, dem Iran National Carpet Center, der größte Abnehmer iranischer Teppiche (17 Mio. USD im 1. Quartal 2010) vor Qatar und Deutschland.
US-Präsident Obama betonte zwar, dass "diese Sanktionen nicht gegen das iranische Volk gerichtet sind und das die Vereinigten Staaten dem iranischen Volk beistehen", allerdings scheint es eben doch die einfachen Menschen und nicht direkt die Regierung zu treffen. Besonders für die bis zu acht Millionen in der iranischen Teppichindustrie beschäftigten Menschen und ihre Familienangehörigen dürften die Konsequenzen enorm sein. So sehen Label Step und Oria, die Oriental Rug Importers Association (Branchenverband amerikanischer Teppichimporteure), durch die Sanktionen eine weitere deutliche Benachteiligung, von "sozial und wirtschaftlich am meisten benachteiligten Bevölkerungsschichten." Viele von ihnen leben und arbeiten in abgelegenen ländlichen Regionen, wo andere Erwerbsmöglichkeiten oft rar sind. Zudem gehören viele Teppichknüpfer zu Nomadenvölkern, bei denen das Knüpfen von Teppichen ein zentrales Element ihres kulturellen Erbes und der nomadischen Identität darstellen und außerdem eine wichtige Existenzgrundlage ist - die durch die Sanktionen stark gefährdet wäre. In einer gemeinsamen Erklärung rufen die beiden Verbände die US-Regierung auf, "handgefertigte Teppiche vom Handelsembargo auszunehmen." Folgenschwer dürften die US-Sanktionen auch für die auf US-Kunden spezialisierten Exporteure im Iran sein sowie für die in den USA ansässigen Teppichimporteure und -händler.
Europäische Großhändler berichten derzeit von vollen Lagern ihrer US-amerikanischen Kollegen. Wie lange die Lager gefüllt sein werden und wie es danach weitergeht, ist allerdings ungewiss. Klar ist, dass die amerikanische Regierung einigen Aufwand darauf verwenden wird, den Umweg über andere Länder beziehungsweise die Umdeklaration iranischer in Ware anderen Ursprung zu verhindern. Großhändler in Deutschland berichten von einer etwas erhöhten Nachfrage durch US-Einkäufer im Juli 2010, nachgefragt wurden vor allem untere Preisklassen. Auf die meisten europäischen Großhändler dürften die US-Sanktionen keine großen Auswirkungen haben, da das US-Geschäft in den letzten Jahren stark rückläufig war und der Handel direkt zwischen in den USA und Iran beheimateten Händlern abgewickelt wurde. Ebenfalls betroffen ist das Transportgewerbe: Bereits Anfang August 2010 haben Speditionen den Transport von iranischen Teppichen in die USA abgelehnt, da wegen der langen Laufzeit eine Einfuhr dort vor dem Stichtag 29. September 2010 nicht zugesichert werden konnte. Eine Hamburger Reederei berichtet allein von 15 entlassenen Mitarbeitern aufgrund der versiegenden Handelsströme vom Iran in die USA und nach Europa beziehungsweise in die andere Richtung.
Die Regularien der EU sehen im Gegensatz zu denen der USA kein komplettes Einfuhrverbot iranischer Ware vor: Sie verbieten in erster Linie Investitionen, technische Dienstleistungen und Lieferungen in /für iranische Öl- und Gasanlagen sowie für Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Bei Verstößen gegen die Auflagen drohen den betroffenen Unternehmen empfindliche Strafen. Ist der Teppichhandel hierdurch noch nicht eingeschränkt, wiegen die neuen Vorschriften für den Geldverkehr deutlich schwerer. So müssen Geldtransfers über 10.000 EUR angemeldet und ab 40.000 EUR sogar genehmigt werden. Laut Dr. Ali Ipektchi, EUCA, "ist diese Grenze leicht überschritten, der organisatorische Aufwand sehr hoch und sind die Folgen im Detail noch schwer absehbar." Zudem sei der Geldtransfer so verteuert und verlangsamt worden.
Reine Frachtflüge aus der EU in den Iran sind ebenfalls nicht mehr gestattet, der Schiffsverkehr soll nun scharf kontrolliert werden. Teppiche wurden allerdings in der Vergangenheit fast ausschließlich über den Landweg nach Europa transportiert beziehungsweise in überschaubaren Mengen mit Passagiermaschinen eingeflogen.
aus
Carpet Magazin 04/10
(Teppiche)