Import von Mehrschichtparkett aus Übersee vor dem Aus?

Bauaufsichtliche Zulassung ab 2011 vorgeschrieben

Den Industrie- und Handwerksverbänden ist es gelungen, die Frist für die bauaufsichtliche Zulassung von Mehrschichtparkett, Parkettklebstoffen und -lacken in Deutschland bis zum 1. Januar 2011 zu verlängern. Für die Hersteller und insbesondere die Parkettimporteure bedeuten die neuen Regelungen dennoch einen immensen organisatorischen, bürokratischen und finanziellen Aufwand. Erschwerend kommt hinzu, dass innerhalb der EU unterschiedliche Vorschriften gelten. ParkettMagazin beleuchtet die aktuelle Situation.

Ende vergangenen Jahres hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin durch eine entsprechende Rechtsverordnung verfügt, dass bereits ab dem 1. März 2010 Mehrschichtparkett, Parkettklebstoffe und Parkettlacke einer bauaufsichtlichen Zulassung bedürfen, falls Sie in Innenräumen in Deutschland eingesetzt werden. Diese geradezu absurd kurze Fristsetzung wurde auf Druck einiger beteiligter Industrie- und Handwerksverbände auf den 1. Januar2011 verlängert. Die grundsätzliche Problematik hat sich dadurch jedoch nicht nennenswert geändert.

Worum geht es bei der bauaufsichtlichen Zulassung? Stand noch in den vergangenen Jahren mit Hinblick auf das CE-Zeichen der Brandschutz im Fokus, so geht es hier um Anforderungen an "Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz". Konkret befasst sich die Zulassung mit Emissionen von VOC (volatile organic compounds) oder, vereinfacht ausgedrückt, flüchtigen organischen Verbindungen. Die Emissionen sollen soweit begrenzt werden, dass sie auch unter ungünstigen Umständen die Gesundheit empfindlicher Personen bei Daueraufenthalt in Innenräumen nicht gefährden. Sachgerechte Lüftung wird dabei vorausgesetzt.

Gemessen wird in mg/cbm gemäß der Emissionskammerprüfung nach DIN EN ISO 16000-9 bis 11. Für die gesundheitsbezogene Bewertung der Emission von Bauprodukten wird für die einzelnen chemischen Verbindungen, z.B. Kohlenwasserstoffe, Terpene, Alkohole, Glykole oder Aldehyde, mit sogenannten NIK-Werten (niedrigste interessierende Konzentration) gearbeitet, die in /cbm gemessen werden. Die Summen der Emissionen aller flüchtigen organischen Verbindungen sind als Maximalwerte in einem sogenannten AgBB-Schema (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten) festgelegt. Nach komplizierten und für den Laien nicht verständlichen Formeln wird nach drei und anschließend nach weiteren 28 Tagen in insgesamt sieben Stufen gemessen. Liegt der Emissionswert auch nach der siebten Prüfung noch innerhalb der festgelegten Grenzwerte, wird die bauaufsichtliche Zulassung erteilt.

Aufwendiges Antragsverfahren

Der Parketthersteller oder der Parkettimporteur muss beim DIBt einen Antrag auf die bauaufsichtliche Zulassung stellen. Das Antragsformular umfasst sechs Seiten.

Für die Holzarten der Konstruktion eines Mehrschichtparketts sind viele technische Parameter anzugeben. Das gilt auch für alle eingesetzten Hilfsstoffe, wie Kleber zur Verleimung der einzelnen Schichten, Kleber für die Kanten der Laufschichtlamellen, z.B. beim Schiffsboden, und für den gesamten Aufbau der Oberflächenbeschichtung. Die chemische Grundbasis muss für jeden einzelnen Hilfsstoff angegeben werden. Weiter wird die Vorlage von DIBt-Stoffdatenblättern, technischen Merkblättern und Sicherheitsdatenblättern verlangt.

Jeder Hersteller von Mehrschichtparkett arbeitet mit diversen Holzarten als Deckschicht, verschiedenen Mittellagen, teilweise unterschiedlichen Gegenzügen, verschiedenen Lackierungen und Ölbehandlungen, einerseits im Naturfarbton oder andererseits mit diversen Einfärbungen. Für jede Variante ist die bauaufsichtliche Zulassung gesondert zu beantragen.

Nach Eingang des Antrages legt das DIBt ein Prüfprogramm fest. Natürlich ist auch die Entnahme, Verpackung und Transport von Materialproben streng geregelt. Neben Laborprüfungen wird es eine Fremdüberwachung im Herstellerwerk geben, die vermutlich innerhalb festgelegter Intervalle wiederholt werden muss.

Das ganze Verfahren dürfte mehrere Monate von der Antragsstellung des Herstellers oder Importeurs bis zur bauaufsichtlichen Zulassung dauern. Hierzu sagt das DIBt: "Wird nur ein einzelnes Produkt beantragt und sind die Daten kompakt, vollständig und plausibel, so dass auch keine Nachfragen nötig sind, kann die entsprechende bauaufsichtliche Zulassung innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. Das ist aber der Optimalfall, der selten vorkommt, insbesondere nicht im Parkettbereich."

Die meisten Parketthersteller werden, so zumindest die Einschätzung von Branchenkennern, kaum mit weniger als sechs Monaten auskommen. Hamberger Flooring und Osmo zählen zu den ersten Anbietern, denen für Teilbereiche ihres Produktsortiments die bauaufsichtliche Zulassung erteilt wurde.

Unhaltbare Situation für Importeure

Der Importhändler steht hingegen vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Es ist keine Seltenheit, dass ein Importeur mit fünf bis zehn verschiedenen Herstellerwerken in Übersee zusammenarbeitet. Für jedes Produkt dieser Hersteller muss die Zulassung gesondert beantragt werden. Erwartet wird, dass die Kosten im Vergleich zum deutschen oder europäischen Anbieter bis zum Zehnfachen höher ausfallen.

Jeder Hersteller verfügt in der Regel über ein Produktionsprogramm mit spezifischen Stärken und Schwächen. Importeure stellen deshalb ihr Angebot aus den starken Produkten verschiedener Hersteller zusammen. Nur so kann er überhaupt auf einem umkämpften Markt bestehen. Um kurzfristige Preisvorteile ausnutzen zu können, sollte er ständig an seiner Zuliefererbasis arbeiten. Oft muss er, um Kapazitätsengpässe eines Lieferwerkes abfedern zu können, mit sogenannten Zweitlieferanten deckungsgleiche Produkte anbieten. Sehr oft arbeitet der Zweitlieferant mit den gleichen Vorlieferanten für Klebstoffe und Lacke wie der Erstlieferant. Dies ändert aber nichts an der Verpflichtung zur erneuten Beantragung einer bauaufsichtlichen Zulassung des Holzbodens.

Diese im Importhandel notwendige Strategie, Sortimente aus Produkten verschiedener Hersteller zusammenzustellen, wird in Deutschland ab dem kommenden Jahr nicht mehr funktionieren. Jeder Lieferantenwechsel würde Tausende von Euro, sechs Monate Zeit und sehr viel Arbeit kosten. Aufgrund der oft langen Produktionszeiten und der mehrwöchigen Verschiffung ist der Importeur gewohnt, mit zwei bis drei Monaten Vorlauf zu rechnen. Diese Zeitspanne war schon in der Vergangenheit äußerst problematisch, wenn es galt, sich bei einem Kunden mit einer Aktion gegenüber den verschiedenen europäischen Anbietern zu behaupten. Werden hieraus acht bis neun Monate, ist keine Handlungsfähigkeit mehr gegeben.

Landesbauordnungen sollen Vollzug und Sanktionen regeln

Was wird in der Praxis passieren, wenn am 2. Januar kommenden Jahres in Deutschland Parkettböden ohne die bauaufsichtliche Zulassung angeboten werden? Hierzu das DIBt: "Die bauaufsichtliche Zulassung von Bauprodukten, die Verpflichtung zur Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen und die Sanktionen im Falle eines Zuwiderhandelns sind in den Landesbauordnungen geregelt. Der Vollzug dieser Vorschriften liegt mit Ausnahme der Erteilung von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (hierfür ist ausschließlich das DIBt zuständig) bei den zuständigen Landesbehörden." Ergänzend sagte hierzu Rechtsanwalt Andreas Hanfland im ParkettMagazin 2/2010: "Die Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnungen sind bauordnungsrechtlich absolut verbindlich."

Nicht nur auf Länderebene innerhalb der Bundesrepublik, sondern auch innerhalb der EU gibt es Unterschiede. Ungeachtet der EU-Bauproduktenrichtlinie von 1989 bestimmen nationale Vorgaben der einzelnen Mitgliedsstaaten die Regularien zu Gesundheit und Umwelt. In Frankreich wird zum Beispiel mit Emissionsklassen gearbeitet. In Deutschland geht es hingegen nur um "bestanden" oder "nicht bestanden". In Spanien gibt es eine Liste "sensibler Produkte", die die Gesundheit gefährden könnten. Schnittholz, Spanplatten, Sperrholz und Mehrschichtparkett stehen beispielweise auf dieser Liste. Jeder Importeur ist angehalten, dem spanischen Außenhandels-Inspektionsservice (Soivre) eine Einfuhrmeldung zu senden. Der Soivre kann anschließend physische Kontrollen vornehmen. Worum es bei derartigen Kontrollen gehen könnte, ist nicht bekannt. Das technische Komitee CEN TC 351 arbeitet aktuell an einer Harmonisierung.


Was ist die Konsequenz aus diesem Wirrwarr?


Kommentar von Jürgen Früchtenicht

Entweder die Marktteilnehmer ignorieren die bauaufsichtliche Zulassung oder der Außenhandel kommt mehr oder weniger zum Erliegen. Der mittelständisch geprägte Importhandel wird keine Chance haben, alle gesetzlich verfügten Anforderungen zu erfüllen. Der Markt gehört dann vornehmlich großen, nationalen Fabriken, die über eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen verfügen. Regelungen müssen sein. Die Sorge um gesundheitliche Beeinträchtigungen ist berechtigt. Aber wir brauchen in unserem globalen Wirtschaftssystem Vorschriften, die zumindest innerhalb von Europa, von Lappland bis Gibraltar und von der Atlantikküste bis zum Ural, einheitlich sind und die darüber hinaus nicht dem Importhandel aus Übersee die Luft nehmen. Wir sollten nicht vergessen: Wettbewerb belebt das Geschäft und ohne Wettbewerb verläuft der technische Fortschritt sehr viel langsamer.
aus Parkett Magazin 05/10 (Bodenbeläge)